Kulturwechsel im MuseumsQuartier
 

Kulturwechsel im MuseumsQuartier

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Jenseits des HORIZONT

Es gibt sie noch, die feministisch vio­letten Kleber gegen die Neos und die ­Millionen alten Kapitals, gar nicht besonders witzig und fantasievoll. Und vereinzelte Parade-Grüne der Fundi­-Generation in den Cafés und sehr versprengt. Die Caffè Latte trinkenden Mütter, die noch alternative Montessori-Schulen und vegane Läden diskutierten, sind einer neuen schicken ­Generation von urbanen Konquistadoren des MuseumsQuartiers gewichen.
Die neoneuen Mütter und Väter ­trinken auch Latte Macchiato, und die Kinderwägen – Hightech-Maschinen mit herausnehmbaren Schalen, die an Cockpits von Formel-1-Autos erinnern – kosten wahrscheinlich immer noch so viel wie ein gebrauchter Kleinwagen. Neos aber sind anders gekleidet, es herrscht eine andere, leisere Sprache, nicht gewählter, nicht distinguiert, eher weniger schwärmerisch. Kein Social Talk, sondern Tagesrealitätengespräche. Es geht um Karriere.

Irgendwie ist alles weniger nachhaltigkeitsfetischisiert. Und die Kinnhaltung ist anders. Jünger sind sie auch. Geschminkt, Nude-and-Nature-Look.
Grün ade. Neos ist in.
Das spürt man, wenn man sich ein paar Mal hintereinander im MuseumsQuartier aufhält. Das grüne Kleinst­bürgertum der hektischen Entschleunigungsidyllen hat seine Hegemonien verloren. Vielleicht sind sie auch älter geworden, und die Kinder haben die Montessori- und Neulandschulen oder Privatgymnasien schon verlassen und studieren karriereorientiert an der neuen WU, vielleicht plagen sie schon Kreuzschmerzen oder sie sind schon an den Rand der Stadt gezogen oder ins Zweithaus.

Politisch haben sie den fünften, sechsten und siebten Bezirk erobert, ein wenig Mariahilfer-Straße-Infight noch, aber es dürfte ruhiger werden in den sorgsam renovierten Altstadtwohnungen ringsum, am Spittelberg zum Beispiel oder so. Die grauen Grünen. Die Blaustrümpfe der Politik, die Gate­keeper der neuen Ordentlichkeit – und Rechtschaffenheit. Die Themen gehen ihnen langsam aus oder wurden von anderen usurpiert. Fantasie ist anderswo.
Und jetzt die pinken Neos, die neuen Urbanisten, forsch, aber kultiviert, demonstrativ: So viele Armbanduhren mit Handaufzug habe ich noch nie ­gesehen im MuseumsQuartier, weiße Hemden, keine Krawatten und Schals, und Blusen, eher italienisch als Fair­ Trade. Die Handys werden nicht aus­geschaltet.
Die neuen Handtaschen – und Taschenkultur, die Bags und die Markenhüllen der iPads: Die neue urbane, politische Klasse hat das MuseumsQuartier vereinnahmt. Passend die aktuelle Ausstellung: Kokoschka und das Ich. Seine Fotopose.

Sie erobern die schicken öffentlichen Räume. Die Grünen schauen alt aus. ­Zufrieden, zurückgezogen. Die urbanen Liberalkonservativen zeigen, dass Leistung sich bezahlt machen müsse. It-Bags, Tailored Shirts, und Biz Talk statt Fair-Trade-Romantik und Vegetarismus.
Typische Posen bei der Angelobung der Parlamentarier: Eva Glawischnig mit top geföntem Haar und Bluse, Neo Strolz mit ausgebreiteten messianischen Armen.
Ob das zu neuer demokratischer ­Kultur beiträgt, ist nicht sicher. Die ­Grünen haben allen Grund, sich infrage zu stellen.

[Jenseits des HORIZONT]



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