Editorial von Philipp Wilhelmer
Als sich der deutsche Rapper Sido und der notorisch querulante Society-Mann Dominic Heinzl auf offener ORF-Bühne mit bekanntem Ausgang in die Quere kamen, hatte das eine bemerkenswerte Symbolik: Sido, vom früheren Programmdirektor Wolfgang Lorenz bejubeltes Enfant terrible, streckte Dominic Heinzl nieder. Er watschte damit eine Erfindung des ebenfalls längst von der ORF-Bühne abgetretenen Kommunikationschefs Pius Strobl. Genauso gut hätte die Konfrontation dieser beiden Herren ausgehen können, die sich Zeit ihrer gemeinsamen ORF-Laufbahn in unproduktive Intrigen verstrickt hatten. Wenn nach Sido auch das Kapitel Dominic Heinzl am Küniglberg geschlossen werden sollte, hat sich auch der letzte Rest dieser in programmlicher Hinsicht nicht sehr erfreulichen Ära erledigt. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz könnte sich dann endlich auf ein unumschränkt positives Ergebnis einer seiner wichtigsten Führungskräfte berufen: TV-Direktorin Kathrin Zechner versteht nämlich offenkundig ihr Geschäft – kein Vergleich zu vorher.
Die exaltierte frühere ORF-Programmintendantin und Musical-Macherin a. D. hat sich bisher ausnehmend wenige Fehler geleistet. Die anfangs leicht spöttisch aufgenommene „Reformkette“ hat sich als goldrichtige Metapher für eine unspektakulär daherkommende, aber substanziell greifende Reform des ORF-Programms erwiesen. Die Akzente sitzen und leuchten als Exzellenzprojekte: David Schalkos „Braunschlag“ als eine der kultigsten TV-Produktionen der ORF-Geschichte; eine famose Umcodierung des Quotenphänomens Armin Assinger, der als Lebenshilfecoach („Das Einser Team“) seine wahre Berufung gefunden zu haben scheint; die Förderung eines neuen, authentischen journalistischen Talents wie Mari Lang, die aus dem Pool von FM4 gefischt wurde; die unsentimentale Beseitigung des symbolträchtigen, aber disfunktionalen „Club 2“, auch gegen den zu erwartenden Widerstand der Redakteure. Man schaut wieder gerne ORF, auch wenn so manche Baustellen wie das eigentümlich fade „Im Zentrum“ weiter bestehen bleiben. Die Zuschauer geben Zechner recht: Die Neuerungen fuhren allesamt respektable Quoten ein. Die TV-Direktorin verkniff es sich außerdem, die intern geführten harten Verhandlungen zum TV-Budget mit Finanzdirektor Richard Grasl öffentlich über Bande zu spielen.
Im Lichte dessen könnte sich Wrabetz also entspannt zurücklehnen und stolz darauf verweisen, dass man nicht nur einzigartiges Programm macht, sondern dieses auch aus einem öffentlich-rechtlichen Kern bezieht. Allerdings: Die Affäre Sido/Heinzl will nicht so recht verschwinden. Zu peinlich sind die daraus entstandenen Berichte über einen Backstage kiffenden Rapper, der vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Star gemacht wurde. Angenehm kann Wrabetz auch nicht sein, dass dem von ihm selbst noch vor wenigen Jahren als Lichtgestalt präsentierten Heinzl nach dessen bühnenreifer Knall auf den Studioboden so gar kein Mitleid zufliegt, von Sympathien gar nicht zu reden.
Die resultierende Stimmung läuft den Versuchen der ORF-Führung zuwider, die Diskussion in Richtung „Sustainable Funding“ zu richten: Eine Haushaltsabgabe lässt sich für einen öffentlich-rechtlich subventionierten Kiffer mit Gewaltproblemen nur schwer argumentieren. Schon gar nicht, wenn die Krone schon drohend mit den Leserbriefseiten raschelt.