Kommentar von Doris Raßhofer
Es ist schwer, originäre, eigene Gedanken zu haben– und sich auch zu trauen, diese kundzutun. Seit Generationen ist es so, dass die Älteren, die Alteingesessenen, die Männer immer recht haben und die Jüngeren eigentlich erst einmal ziemlich lang die Gosch’n halten sollten. Sollte das Junggemüse einmal Einwände gegen die Gepflogenheiten der Älteren haben, wird meist drübergefahren wie eine Dampfwalze: „Du hast ja noch keine Ahnung. Sonst würdest du verstehen.“
Ja verstehen denn die Älteren immer so gut, warum etwas ist, wie es ist? Denken sie darüber nach, ob es auch gut ist, so wie es ist, und ob es vielleicht nicht auch ganz anders sein könnte? Nein. Das Establishment nicht. Und das Establishment macht all unsere Länder aus, unsere Wirtschaft, unsere Bildung, unsere Eltern, derzeit noch die tragenden Säulen unseres Systems. Noch. Aber es kommt hier eine Generation nach, die – warum auch immer – denkt, mitdenkt, nachdenkt, vorausdenkt und diese Gedanken sich nun auch getraut auszusprechen. Und es sind inzwischen viele. Und sie werden laut. Denn: Sie haben ein Megafon. Einen Verstärker, der ihnen das nötige Gehör für ihre vermeintlichen Minderheitengedanken verschafft.
In der Einzelversion konnten diese Gedanken bisher mühelos von einem Erwachsenen totgetrampelt werden, abgemurkst, im Keim erstickt. Damit Ruhe herrscht. Und Ordnung. Ihre Ordnung. Aber viele kleine Tierchen sind zusammen dann eben doch so etwas wie ein großes Tier. Und das macht man so schnell nicht mehr mundtot, wie man das gerne hätte. Sie haben das Internet und die sozialen Medien. Und plötzlich merkt der einzelne Nerd, dass er mit seinen Gedanken gar nicht so alleine ist. Und gemeinsam fühlt man sich ja bekanntlich stark. Na ja, zumindest stärker. Und so kommt es, wie es, finde ich, schon längst hätte kommen müssen, dass das Establishment und das, wie die Welt gefälligst zu sein hat, allmählich von unten ihrer dogmatischen Macht enthoben werden, wie ein Befehlshaber, der auf einem Maulwurfshügel steht und nicht mehr auf einem Betonpflock. Es kommt nun die Zeit, wo Wahrheit mehr zählen wird als Inszenierung, Authentizitätmehr als schnöde Show, Sager, die vom Herzen kommen und mitten ins Herz treffen mehr Zuhörer haben werden als hohle, künstlich hindrapierte Floskeln. Es wird die Zeit kommen, wo Texte spannend werden, Pressemeldungen Gehalt bekommen, politische Aussagen plötzlich von jedem verstanden werden. Es mögen sich lange viele kleine Tierchen für sich gedacht haben, dass hier irgendetwas nicht mehr stimmt. Dass hier Posten und Auftragsschieberei mehr zählt als wirkliche Kompetenz, Freunderlwirtschaft mehr als wirkliche Leistung, egoistische Vorteilsschacherei nachhaltige, gesellschaftskonforme Ziele komplett überschattet.
Sie werden diese Machtzirkel und Netzwerke nicht mehr dulden, diesen österreichischen Sumpf. Es wird zählen, was richtig und für die Gemeinschaft wichtig ist, nicht wie sich ein paar wenige die Welt richten. Und das Internet wird dafür sorgen, dass sich diese leise Mehrheit findet. Sie werden die lauten Testosteronbullen stürzen. Die Zukunft wird authentisch, professionell, nachhaltig, kollaborativ und weiblich. Und ich freue mich auf diese Zukunft. Es ist allerhöchste Zeit.