Gerhard Zeiler ist ein Mann, der unangenehme Wahrheiten mit seiner sanften, aber umso eindringlicheren Stimme erträglich machen kann.
Gerhard Zeiler ist ein Mann, der unangenehme Wahrheiten mit seiner sanften, aber umso eindringlicheren Stimme erträglich machen kann. Das tat er auch wieder bei seiner Keynote bei den Österreichischen Medientagen, als er seinen mehr als eindeutigen Befund zur Lage der Fernsehmärkte in Europa abgab. Die Zahlen sind verheerend: In manchen Staaten sind die TV-Werbe-Einnahmen um bis zu 30 Prozent rückläufig, und all jenen, die glauben (wollen), es gehe bald wieder bergauf, machte Zeiler auf seine ganz eigene Art einen brutalen Strich durch die Rechnung. Seine Prognose – und er vermittelte sie glaubhaft: Selbst wenn die Realwirtschaft wieder anspringt, werden die TV-Werbe-Einnahmen nie mehr – oder zumindest nicht so bald – auch nur annähernd das Niveau der vergangenen Rekordjahre erreichen.
Einen ähnlichen Befund hört man derzeit aus den Chefetagen zahlreicher Verlagshäuser. Auch dort manifestiert sich die Gewissheit, auf mehrere Jahre hinaus mit Werbe-Einahmen das Auslangen finden zu müssen, die um einen zweistelligen Prozentsatz niedriger sind als das, was in den Boomjahren eingefahren wurde. „Es wird nicht mehr so, wie es war“, ist also ein häufiger Seufzer, den man nicht nur – aber auch – während der Medientage des Öfteren gehört hat. Warum das tatsächlich so ist, dafür gibt es mehrere Indizien. Zum einen werden die Anteile am Gesamtwerbekuchen, wenn dieser wieder wachsen wird, neu verteilt – und zwar zugunsten digitaler Medienkanäle in allen Facetten. Wenn es darum geht, dass Marketingleiter irgendwann wieder wachsende Budgets zur Verfügung haben, werden sie sich nicht an Media-Mix-Benchmarks aus der Vergangenheit orientieren, sondern verstärkt beispielsweise in vermeintlich effizienteres und preiswürdigeres Suchmaschinen-Marketing oder in Social-Media-Aktivitäten investieren. Zum anderen tritt derzeit ein gefährlicher Umstand zutage: Auftraggeber verlangen von ihren Mediaagenturen die gleiche Leistung für bis zu zwanzig Prozent weniger Budget – sei es während eines Pitches oder auch im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen. Die Agenturen geben diesen Druck an die Medien weiter, die ihm leider zu oft nicht standhalten können. Das Ergebnis: Werbekunden staunen unverhohlen, „wie billig Werbung sein kann“, und sehen, dass sie mit einem deutlich verringerten Budget den gleichen Werbedruck erzeugen können – was sollte sie davon abhalten, das in „besseren Zeiten“ nicht genauso zu handhaben? Freiwillig wird niemand gerne mehr zahlen.
Die Kommunikationsbranche ist – so abgedroschen es auch klingen mag – derzeit einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. Mittendrin verspielen viele Marktteilnehmer – Agenturen, Dienstleister und Medien – ihre Glaubwürdigkeit, indem sie die gleiche Leistung für einen Bruchteil des bisher verlangten Geldes anbieten. Dass dieser Räumungsverkauf einer ganzen Branche keine große Zukunft hat, braucht man niemandem lang und breit zu erklären. Möglich wird das auch durch ein massives mangelndes Selbstbewusstsein der Kommunikationsbranche. Nun gehört es nicht gerade zu den Klischees, die man landauf, landab mit Werbe- oder Medien-Fuzzis verbindet, dass sie mit zu geringem Selbstbewusstsein ausgestattet sind – und dennoch ist es so: nämlich wenn es darum geht, die eigene Leistung mit einem Wert zu versehen und diesen auch entschlossen zu vertreten.
Die Gespräche auf den Podien – vor allem aber die Unterhaltungen am Rande – der Medientage lassen einen im Glauben, dass der Kommunikationsbranche einige Jahre lang der lieb gewonnene Glamour abhanden kommen wird. Weniger tolle Gehälter, weniger Partys, weniger Luxus-Dienstreisen und vor allem: weniger Sicherheit, binnen Wochen einen neuen Job zu finden, falls einem der bestehende gerade nicht zusagt. Gleichzeitig ist offensichtlich, dass es in den kommenden Jahren um sehr viel mehr gehen wird als um ein glamouröses Berufsleben – nämlich um den Fortbestand der Medien insgesamt, und zwar nicht in ihrer Funktion als Werbeträger, sondern in ihrer ursprünglichsten Form als Orientierungshilfe und Wissensvermittler und somit als Kitt der Gesellschaft. Und genauso ist es mit der Werbung – die moderne digitale Kommunikation bietet für eine kleine Volkswirtschaft wie die österreichische extreme Chancen. Allerdings nur, wenn man sie auch nutzt – und zwar mit einer Portion mehr Ernsthaftigkeit und einer gehörigen Portion weniger Eitelkeit. Das gilt für den Journalismus genauso wie für die Werbung. Ob damit der Sex aus der Branche draußen ist? Im Gegenteil! Jetzt, wo es wirklich um was geht, wird die ganze Sache erst so richtig sexy.