‚Falsche Konsumenten‘ machen dem Handel zu sc...
 

‚Falsche Konsumenten‘ machen dem Handel zu schaffen

Kolumne von Walter Braun

Ich muss gestehen, ich habe jahrelang Bücher und CDs in meiner Amazon-Wunschliste aufgehäuft, bis dort über 250 Einzelstücke gelistet waren. Schaufensterbummel ist im Web zu einem extremen Phänomen geworden. In einer aktuellen Erhebung („The Cassandra Report“) wurden in den USA 14- bis 34-Jährige zu ihrem Einkaufsverhalten befragt. Ein Drittel gab zu Protokoll, dass sie Browsen unterhaltsamer finden als tatsächlich etwas zu kaufen. Produkte zu entdecken und sie auf ellenlangen Wunschlisten zu stapeln, macht Spaß. Weshalb man nun von ‚fauxsumers‘ spricht, von Scheinkonsumenten, die virtuellen Schaufensterbummel zu ihrem Freizeitvergnügen erhoben haben. Diesem Verhalten leisten diverse Plattformen wie Wish, LoveList und Nuji noch Vorschub. Eine Erhebung des Beratungsunternehmens Accenture, das im vergangenen Jahr das Einkaufsverhalten von 6.000 Konsumenten durchleuchtete, kam zu dem Schluss, dass sich auch die ältere Generation (Baby Boomer, Generation X) von diesem Trend hat anstecken lassen. Man kommt sich raffiniert vor, durch Einkaufsstraßen zu pilgern und sich von tollen Produkten animieren zu lassen … um anschließend heimzueilen und online den billigsten Anbieter für die gerade begehrte Ware zu finden. Dieses Verhalten ist nicht bloß für den stationären Handel problematisch. Online-Händler müssen ungemein großen Aufwand betreiben, um den Entdeckungsprozess in der unübersichtlichen Digitalwelt zu erleichtern. Für Marketer, die das Verhalten von Millennials studieren, ist es extrem schwierig geworden, die Anzeichen richtig zu deuten. Wenn jemand in seinem Facebook-Account Likes von Marken stapelt, ist dies nicht unbedingt ein Hinweis auf einen akuten Kaufwunsch. Was dann? Nun, die Jungen haben Spaß daran, Trends vorwegzunehmen beziehungsweise sich mit gewissen Marken zu umgeben (was man online tun kann, ohne etwas kaufen zu müssen). Das heißt andererseits nicht, dass ­Millennials untreue Kunden sind. Das ist bloß ein Gerücht. Ihre Absichten sind ­allerdings schwer zu durchschauen und noch schwerer vorherzusagen. Trotzdem muss es dem Handel längerfristig gelingen, Produktabgraser in echte Käufer zu verwandeln. Auf Facebook tonnenweise aufgestapelte Likes besagen wenig. Der stationäre Handel muss es den Online-Fetischisten ermöglichen, ihr dauerhaft im Einsatz befindliches Mobilgerät auch innerhalb des Geschäfts zu nutzen. Es ist schier unmöglich, dem sich wandelnden Verhalten in den diversen Netzwerken auf der Spur zu bleiben. Twitter, Tumblr und Pinterest sind aktuell, es ist aber garantiert schon eine neue Plattform im Anrollen. Eines ist aber nicht verschwunden: der Hunger nach konkreten, sinnlichen Eindrücken. Hier liegt die Chance des stationären Handels …
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