Es ist eine Crux mit der Bildermacht
 

Es ist eine Crux mit der Bildermacht

Kommentar von Herwig Stindl

„Warum Werbung die Gesundheit gefährden kann“ – nein, gemeint ist nicht das schäumende Bier, die fetttriefende Pizza, zart schmelzende Schokolade oder Gottschalks Gummibärchen. ­Michaela Langer vom „Wiener Programm für Frauengesundheit“ meint die Macht der Bilder als „Role Modelling“ und kann dazu leider auch Zahlen liefern: In 20 Jahren sei die Zahl der Frauen (vor allem: junger Frauen), die wegen Essstörungen in klinischer ­Behandlung sind, von rund 400 auf 3.462 gestiegen (siehe auch Seite 9). ­

Natürlich weiß auch die klinische und Gesundheitspsychologin Langer, dass ein Mode-Model allein noch keine ­Anorexie auslöst. Aber sie weiß: Die Model-Idealmaße 90-60-90 bei Körpergröße eines Mannes und um die 60 Kilo Gewicht bedeuten auch die Taille eines achtjährigen Kindes und chronisches Untergewicht. Wegen der Werbung? Dem Bikinigirl auf Seite drei? Diskus­sionen über Geschlechterdiskriminierung und Sexismus, die Entwürdigung des Körpers zum begehrlichen Objekt, sind komplex, die Standpunkte mit­unter, wenn schon nicht fundamentalistisch, ideologisch geprägt.

Was dabei leider durcheinandergerät, ist die Beachtung der Grundlagen sehr unterschiedlicher Systeme: Kommerzielle Werbung und ihr Selbstregulierungs­organ Werberat unterliegen anderen Mechanismen als die redaktionelle Produktion (die das Seite-drei-Mädchen hervorbringt) oder die Entertainment-Produktion von „Austria’s next Topmodel“ bis zu alterslosen Filmstars à la Julia Roberts. James Bonds verquere Anmachversuche sind im ­Rahmen der Freiheit der Kunst folgenlos Thema fürs Feuilleton, dieselbe Szene im Werbeblock für Martini ein Fall für den Werberat – samt Stopp-Möglichkeit.
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