Entschuldigen Sie die Bildstörung …
 

Entschuldigen Sie die Bildstörung …

Kolumne von Walter Braun

er Wert des traditionellen Fern­sehens lag in einem einfachen Versprechen: Wir bringen für jeden etwas. Finanziert wurde das ganze über Rundfunkgebühren beziehungsweise Werbung. Dieses Geschäftsmodell hat drei große Risse bekommen. (i) Ein Programm, das rundum vordefinierte Zeitschienen abrollt, wirkt vom Prinzip her überholt, seit Streaming technisch möglich geworden ist. Unterhaltung wird von der jungen Generation über eine Vielzahl von Geräten nach  Bedarf abgerufen. (ii) Die Zielgruppe ‚jeder‘ ist viel zu breit, um profitabel bedient zu werden. (iii) Die Legitimität von Rundfunksteuern ist fragwürdig geworden. Versorgungsauftrag klingt im Zeitalter des Nets ziemlich anachronistisch. Zudem wollen die Verbraucher nur mehr für das bezahlen, was sie tatsächlich nutzen.
Hinter dieser Debatte lauert eine breitere Frage: Wie sieht Fernsehen der Zukunft aus? Gerade eben bewirbt Amazon Großbritannien sein Klubprogramm Prime mit TV-Spots. Die frohe Botschaft: Prime-Mitglieder erhalten Zugang zu exklusiven TV-Serien. Exklusiv deshalb, weil Amazon sie selbst produziert. Anders gesagt, der Welt größter Händler geht ins Werbefernsehen und wirbt dort für ein Ende des Fernsehens.

Die oft bemühte technische Begründung – dank Streaming via Internet kann man Rundfunklizenz und Zuteilung einer Funkfrequenz umgehen – erklärt nicht, warum so viele Branchenfremde wie Apple, Amazon oder Telekoms wie AT&T und BT ins Fernsehen drängen. Ihre Motivation: Es gibt weltweit eine schier unersätt­liche Nachfrage nach Filmen.

Die neuen Fernsehanbieter setzen darauf, dass die traditionellen Vertriebsschienen Rundfunk und Kino unterlaufen werden können. Kündigt Dave Hastings, Verantwortlicher für Datenanalyse bei Netflix, bescheiden an: „Wir wollen im Internet-Fernsehen weltführend werden.“
Nicht nur verfügen Apple, Amazon und Netflix über Markenvertrauen und ein enorm großes Publikum, sie besitzen vor allem Berge an Daten, mit deren Hilfe sie Vorlieben und Interessen recht gut einschätzen können. Was ihnen wiederum erlaubt, Bedarf zu erzeugen.

Im Moment erfreut sich Fernsehen eines goldenen Zeitalters, weil einerseits dramatisierte Unterhaltung gefragt, andererseits Werbung noch immer treu ist. Doch die Digitalwelt lockt. Sie zu nutzen, verlangt Flexibilität, beispielsweise riskante Investitionen in Inhalte. Der einstige DVD-Versender Netflix ist seit 2011 unter anderem mit der Serie „House of Cards“ erfolgreich. Mit bloß 1.600 Mitarbeitern wird ein Umsatz von 5,5 Milliarden Dollar erzielt. Im Vergleich dazu stehen bei den ARD-Sendeanstalten 22.900 fest Angestellte auf der Gehaltsliste. Der Typus des Fernsehbeamten erscheint nicht gerade zukunftsträchtig.

[Walter Braun]   



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