Die Fantasie von Store-Konzepte(r)n war noch nie so gefragt wie jetzt. Alles scheint möglich, um den Kunden in die eigene Markenwelt zu ziehen.
Spazierte man nach der Öffnung des Handels im Frühling, als die Gastronomie noch lange geschlossen sein sollte, an einem späten Freitagnachmittag die Wiener Mariahilfer Straße hinunter, war von einer Bummelflaute herzlich wenig zu bemerken. Im Gegenteil: Noch nie war die Shoppingmeile so zum Bersten voll. Die MaHü schien plötzlich mehr zu sein als nur eine Straße mit Geschäften; ein Ort der Begegnung, ja eine Spaß-Meile. Jetzt, da Lockdowns hoffentlich bald der Vergangenheit angehören und man sich wieder überall mit seinen Lieben treffen kann, könnte es langfristig anders aussehen, wenn es nach aktuellen Umfragen unter der österreichischen Bevölkerung geht (siehe weiter unten).
Durch die Pandemie kaufen jetzt 43 Prozent der 18- bis 65-Jährigen andere oder weitere Produkte online, die sie davor nur stationär erworben haben. Nur drei Prozent verzichten generell auf Onlineeinkäufe. Und satte 98 Prozent wollen ihre jetzige Shoppingweise beibehalten. Die Krise hat den E-Commerce-Boom zu einer permanenten digitalen Übermacht befördert. Überhaupt hat sie eine weltweite Disruption bewirkt, was die Handels- und Marketingbranche betrifft (vom Gesundheitsaspekt freilich ganz zu schweigen).
Das bisherige Verhältnis von Bummeln in Malls und Einkaufsstraßen gegenüber Onlinekäufen dreht sich zugunsten Letzterer. Für 42 Prozent der Österreicher ist das buchstäbliche Shoppen-Gehen nur noch denkbar, wenn der Handel vor Ort mit einem Erlebnis aufwarten kann, das digital so nicht möglich ist. Der Kunde gibt sich quasi künftig noch mehr als König zu erkennen und verlangt nach der viel beschworenen Experience, wenn er durch die Shopping-Tempeltür tritt.
Shopping-Erlebnisse: Orte der Marken(ein)bindung
Viele Unternehmen haben das bereits erkannt und beweisen, dass ein Store nicht nur eine Verkaufsfläche sein muss, sondern der eine Ort, an dem man den Gast zum Teil der eigenen Marke macht. Die Fantasie von Store-Konzepte(r)n war noch nie so gefragt wie jetzt. Alles scheint möglich, um den Kunden in die eigene Markenwelt zu ziehen. Wer heute die Verzahnung von On- und Offline noch nicht in die Wege geleitet hat, hat ein Problem. Allerdings: Kleine, lokale Anbieter, die vielleicht nicht die Ressourcen für das volle E-Commerce-Paket haben, können – und auch das bezeugen Studien – mit anderem punkten, was dem Verbraucher ebenfalls krisenbedingt wesentlich wichtiger ist als zuvor: mit Nachhaltigkeit, heimischer Wertschöpfung und regionalen Produkten und Dienstleistungen.
Die Pandemie hat aus dem Menschen nämlich nicht nur einen anspruchsvolleren Kunden gemacht, sondern ihm auch ein tieferes Bewusstsein für gesellschaftliche Werte vermittelt – die er in Zukunft aber mindestens genauso von Marken und Handel einfordern wird.