Ein Crashkurs in Sachen Litigation PR
 

Ein Crashkurs in Sachen Litigation PR

Editorial von Hans-Jörgen Manstein

Obwohl die Public Relations nicht unmittelbar zu meinem Fachgebiet gehören, muss ich mich diesmal trotzdem mit diesem Thema befassen. Die Logik gebietet es. Der Anlass ist eine kleine Inseratenserie, die von der PR-Agentur Ketchum Publico GmbH in der Tageszeitung WirtschaftsBlatt geschaltet wurde. Dort veranstaltet Frau Dr. iur (sic!) Wallner, nach Eigendefinition „CEO“, also „Chief Executive Officer“ (wo steht diese angloamerikanische Bezeichnung für einen Geschäftsführer eigentlich im österreichischen GmbH-Gesetz, Frau Dr. iur?), dieser Gesellschaft, einen „… Crashkurs in Sachen Litigation PR“ (auch sic!). 

Diese, also die prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit, sei ein Wachstumsmarkt. Klar, dass sich ein großes PR-Unternehmen unverzüglich seiner unterwinden muss. Es bedarf dazu allerdings einiger klärender Worte, damit ahnungslose Defendants (in Frau Wallners offenkundiger Lieblingssprache: Beklagte) nicht einem neuen Not-Geschäftsmodell von PR-Agenturen zum Opfer fallen. Not-Geschäftsmodell deshalb, weil die klassische PR-Lobbying-Konstruktion, nach der diese Unternehmen bislang ihre Klientel rekrutierten, nach dem Auffliegen des Tätigwerdens Dris. (sic und nur für Frau Dr. iur Wallner) Hochegger und Konsorten mehr oder weniger in eine Sackgasse geraten ist. Was liegt also näher, als aus dieser Not eine Tugend zu machen? Wenn schon die Zahl der Häfen-Bedrohten dramatisch ansteigt, dann kann man auch gleich ein Geschäft mit denen machen. So scheint man zu denken. Und das ist, mit Verlaub, ein gefährliches Spielen mit den Nöten von Menschen und Unternehmen und schon vom Ansatz her ein totaler Schwachsinn.

Warum das so ist, zeigen zunächst überdeutlich die Texte von Frau Wallner. Die muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wenn die nämlich nicht als faschingsmäßige Persiflage (seit 11. November haben wir ja bekanntlich die Zeit der Narren) der eigenen Branche gedacht sind, dann sind sie ein Angriff auf die menschliche Intelligenz: „… entscheidend ist, möglichst bald eine Informationspyramide in den medialen Raum zu stellen und damit eine Art Startrampe für alle weiteren medialen und sonstigen Kommunikationsaktivitäten zu bauen.“ Es ginge um die „sogenannte Deutungshoheit“ bei Politikern, deren „Entourage“, wie Kabinettchefs oder Pressesprecher, den Medien, den Aktionären und den Analysten etc., etc…“ Und so geht es in Frau Dr. iur Wallners kleiner PR-Binsen-Perlenreihe flott weiter. Gar nicht schlau sei „kein Kommentar“. 

Und was hat das alles mit einem Prozess, den die Litigation PR begleiten soll, zu tun? Hier sind wir nämlich schon beim Hauptdenkfehler: Wer der Litigation PR das Wort redet, zweifelt die unabhängige Justiz an und stellt damit den Rechtsstaat infrage (was, Frau Dr. iur, man auf der Universität lernen kann). Denn gesagt wird hier ja wohl: Wenn du die „sogenannte Deutungshoheit“ über die Stammtische erlangst, dann werden sich die Gerichte schon kräftig in die Hosen machen. Was offenkundig vollkommen ignoriert wird, ist die Tatsache, dass ein Prozess verschiedene Parteien hat und ausschließlich diese etwas angeht. Ein Involvieren der Öffentlichkeit ist daher nicht angebracht. Mehr noch: Es ist in den meisten Fällen schädlich und führt zum Gegenteil dessen, was man erreichen möchte. 

Als Frau Ruth Elsner die Litigation PR für ihren einsitzenden Ehemann in die Hand nahm (sie gewann zweifellos in Teilbereichen die „sogenannte Deutungshoheit“), führte das zurHöchststrafe im Namen der Republik vom Obersten Gerichtshof. Seit der ehemalige ÖBB-General Martin Huber so ordentlich Litigation PR betreibt, wurde ein bereits ad acta gelegtes Strafverfahrengegen ihn wiedereröffnet. Seit Karl-Heinz Grasser Litigation PR betreibt, wurde er zur Nonfigur (Stichwort: zu jung, zu reich, und vieles mehr) der Nation. Seit die Herren Rudolf Fischer (ehemals Telekom) und Peter Hochegger in seitenlangen Interviews die „sogenannte Deutungshoheit“ erlangen wollen, brauchen die Staatsanwälte, anstatt zu vernehmen, nur noch Zeitung zu lesen. Und Julius Meinl hat – trotz massiv eingesetzter Litigation PR – weder seinen Ruf noch seine 100-Millionen-Kaution wieder zurück. 

Denn entscheidend ist, was jeder Konsument von US-Krimis („CSI Las Vegas“, nicht Hypo) weiß und unsere Freunde von der Litigation PR offenbar vollkommen ignorieren: „Alles was Sie sagen, kann vor Gerichtgegen Sie verwendet werden“ (Miranda-Act, Frau Dr. iur!). Und überhaupt: Der Versuch, die „sogenannte Deutungshoheit“ zu erringen, führt zwingend zu einer Gegenreaktion. Die Folge ist ein endloses öffentliches Aufschaukeln, währenddessen die eigentlichen Beschuldigungen wieder und wieder aufgewärmt werden. Das kann man nun wirklich niemandem empfehlen. Darum bleibt bei euren Leisten, liebe Litigation-PRler, und macht’s halt wieder ein ordentliches Lobbying. Und im Zweifel ist „kein Kommentar“ die beste Lösung. 

Hans-Jörgen Manstein



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