e-Privacy-Verordnung: Die wichtigsten Punkte ...
 

e-Privacy-Verordnung: Die wichtigsten Punkte im Überblick

© ribkhan/stock.adobe.com

ePrivacy-Verordnung: Das regulatorische Worst-Case-Szenario der Medienbranche wird immer wahrscheinlicher. Ein Überblick.

Dieser Artikel ist zuerst in Ausgabe Nr. 45 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!

Unerfreuliches lässt sich meist lange verdrängen, aber irgendwann gewinnt die Realität dann doch die Oberhand. Immer wieder hat sich die Medienbranche – mal mehr, mal weniger – mit der ePrivacy-Verordnung beschäftigt, die Verbände haben geklagt, gemahnt, gedroht und gewarnt. Das Ergebnis? Ende Oktober hat das umstrittene Regelwerk, das im Mai 2018 parallel zur Europäischen Datenschutz-Grundverordnung ohne Übergangsfrist in Kraft treten soll, den Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments passiert und wurde in ihrer umstrittensten und ihrer – in der Sichtweise vieler Branchenplayer – härtesten Variante abgenickt.

‚Überzogene Regulierung‘

Seitdem sind nicht nur Branchenexperten, Publisher und Digitalvermarkter in Aufruhr. In Deutschland bezeichnete die OWM-Vorsitzende Tina Beuchler, im Hauptjob Digital- und Mediachefin bei Nestlé Deutschland, die ePrivacy-Verordnung im Rahmen des VDZ Publishers’ Summit als „aktuell wichtigstes Thema“. Betroffen sei nicht nur der Umgang der Marketer mit Kundendaten. Vielmehr bestehe die Gefahr, Werbeflächen zu verlieren, mit denen man in Kontakt zur Zielgruppe treten könne. Beuchler appelliert, gemeinsam zu versuchen, „das Schlimmste bei dieser überzogenen Regulierung zu verhindern“. Kann das noch funktionieren? Theoretisch ja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Angesichts der denkbar knappen Entscheidung des EU-Parlaments für die datenschutzfreundlichste Version der ePrivacy-Verordnung mit einer knappen Mehrheit von 31 Stimmen und eines drastisch stärker werdenden Lobbydrucks ist klar, dass die Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat im Trilog über den finalen Verordnungstext alles andere als einfach werden dürften.

Artikel 8: Nie wieder Cookies

In Artikel 8 Absatz 1 der ePrivacy-Verordnung findet die Medienbranche die für sie fatalste Änderung: Demnach dürfen keine Informationen von Nutzern, vor allem Cookies, weiterverwendet werden, es sei denn, es liegt eine explizite Einwilligung des Nutzers vor. Betroffen sind alle Third-Party-Cookies, die auf dem Computer eines Nutzers hinterlegt werden, sobald dieser eine Website besucht. Sie sammeln die Daten für Werbungtreibende (und können schon jetzt relativ einfach durch die Löschung des Browserverlaufs entfernt werden). Ausnahmen sollen nur greifen, wenn es sich um einen gewollten Dienst (zum Beispiel Warenkorb-Cookie) oder die Analyse des eigenen Webtraffics handelt. Das heißt: Websitebetreiber sind künftig selbst für die Messung der Reichweiten und Auslieferungsqualität ihrer Inhalte zuständig. Und damit für das Mega-Business, das derzeit von Dienstleistern wie der ÖWA in Österreich oder der Agof in Deutschland gestemmt wird – auch dank deren Third-Party-Cookies.

Artikel 9 und 10: Grenzkontrollen am Browser

In Artikel 9 der ePrivacy-Verordnung macht die EU-Kommission die „Schlüsselrolle“ des Browsers deutlich. Diese sollen mit den strengsten Datenschutz-Grundeinstellungen versehen werden, die der Nutzer aktiv lockern müsste (dabei soll er zwischen abgestuften Einstellungen der Privatsphäre wählen können). Eine einmal getroffene Entscheidung muss jederzeit abänderbar sein – darauf muss der Nutzer zudem alle sechs Monate hingewiesen werden. In Artikel 10 ist vorgesehen, dass der Browser bereits bei der Installation verbindliche Setting-Einstellungen beim Nutzer abfragen und speichern muss. Laut BVDW etwa wird diese „One size fits all“-Lösung dazu führen, dass Nutzer bei der Ausschaltung von Third-Party-Cookies künftig kein oder nur ein sehr eingeschränktes Netzangebot zur Verfügung haben werden. Anbieter mit millionenfachen User-Direktbeziehungen und eigenen Login-Diensten wie Facebook und Google profitieren hingegen.

Kopplungsverbot: Nehmen, aber nicht geben

Artikel 8 hält noch ein weiteres (saures) Bonbon für die Medienbranche bereit: So darf die Datenfreigabe des Users keine Bedingung sein für die Gratisnutzung einer Site. Das heißt: Das neue Kopplungsverbot erzwingt den Zugang zu allen Informations- und Unterhaltungsangeboten auch für diejenigen Nutzer, die zielgruppenspezifische Werbung durch Geräteidentifizierung und die Erhebung von Nutzungsdaten für Werbezwecke ablehnen. Werbefinanzierten Informations- und Unterhaltungsangeboten, die die Ökonomie des Internets seit seinen Anfängen geprägt haben, wird dadurch der finanzielle Boden entzogen. Wenn dieser Deal platzt, werden zahlreiche Websites und Blogs komplett vom Netz oder (zumindest die großen) endgültig hinter strengen Bezahlschranken verschwinden. Deshalb laufen vor allem die großen Printverbände, deren Geschäftsmodell im Netz noch immer auf wackligen Beinen steht, gegen die ePrivacy-Verordnung Sturm.

Adblocker: Welcher Blocker gewinnt?

Ein Thema für sich sind die Konsequenzen der ePrivacy-Verordnung für den Kampf der Publisher gegen Adblocker. Mit einer strengen Auslegung der neuen Regeln dürften sie ohne Zustimmung des Nutzers weder prüfen, ob er die Werbung verweigert, noch ihn bei eingeschaltetem Werbeblocker von der Gratislektüre aussperren oder ihn zum Zahlen bewegen, wie es unter anderen Axel Springer oder Gruner + Jahr tun. Als Ausnahmeerlaubnis für Adblocker-Erkennung kann die Präambel 21 der E-Privacy-Verordnung gelesen werden, die zustimmungsloses Tracking für „berechtigte Zwecke“ erlaubt, etwa zur Untersuchung des eigenen Traffics oder wenn dies für die Nutzung ausdrücklich verlangter Dienste „verhältnismäßig“ ist. Genauso gut aber könnte bei diesem Thema das Kopplungsverbot (Kasten links) zum Tragen kommen. Dann ist es wieder unzulässig, die Nutzung einer Dienstleistung von der Zustimmung in Werbung und Tracking abhängig zu machen.

[Katrin Ansorge]
stats