Die wunderbare Renaissance der Nachricht
 

Die wunderbare Renaissance der Nachricht

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Jenseits des HORIZONT

Mathias Döpfner, kürzlich erst von Spiegel unsanft porträtiert, hat vor einem Jahr über eine neue goldene Ära des Journalismus philosophiert. Noch nie – sagte er – habe Qualitätsjour­nalismus so viele Möglichkeiten und Expressionsqualität wie im digitalen Zeitalter. Döpfner sprach von der Emanzipation des Journalismus und der Zeitung vom Papier.

In gewisser Sicht hat er recht. Die Oligopolisten des Web entdecken den Wert der News und des Journalismus, allerdings vor allem aus Marketinggründen. Facebook, mittlerweile bei der Jugend schon als old-fashioned abgelehnt, öffnet einen eigenen Newsfeed, Yahoo und YouTube holen sich Stars aus der Medienbranche als Moderatoren, Kommentatoren. Reiche Mäzene geben Top-Investoren Geld in die Hand, damit sie unabhängige, kritische Medien gestalten können, die sozialen Plattformen setzen verstärkt auf die Kraft der Nachricht.

Offensichtlich wollen Menschen – wie oberflächlich und kritisch auch immer – aktuell informiert sein. Auch wenn der Großteil der Information vornehmlich getrashte Befindlichkeit ist. Twitter zeigt das auf einer scheinsublimierten und semikultivierten Ebene vor.

Der Journalisten-Markt gleicht bereits dem Fußballtransfermarkt. Stars werden gehandelt und abgeworben und – siehe Yahoo – oft auch rasch wieder gefeuert. News müssen schließlich Cash oder zumindest ­Frequenz bringen.

Und wie reagiert die sogenannte Qualitätsklasse? Diejenigen Medien, die bislang die Deutungshoheit für sich gepachtet hatten, die gegen den Webmüll und die Aggregatoren wetterten? Zum Großteil gar nicht, maximal larmoyant.

Dabei zeigt sich, dass Qualität auch Marktchance hat. Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland haben die Privaten in puncto Beliebtheit und Reichweite wieder überholt. Wer hätte vor fünf Jahren noch prophezeit, ZDF und ARD würden mehr Menschen sehen als RTL und Sat.1, trotz „Holt mich hier raus“ und „Millionenshow“?

Warum werden Dokumentationen der Öffentlich-Rechtlichen zu Quotenhits und selbst auf den Social-­Media-Plattformen weitergeleitet und kommentiert? Woher das massenhafte Interesse an Hintergründen, Aufklärung, Gesellschafts- und Wirtschaftskritik?

Hat sich das Neil Postman’sche Diktum „Wir unterhalten uns zu Tode“ in eine Lust am faktischen Narrativen umgekehrt?

Der digitale Umbruch, die Krise der klassischen und die Selbstüberfrachtung der sozialen Medien, die sich zum Konventionellen zurück entwickeln, haben offensichtlich auch gute Seiten. Nach den Seichtgebieten kommt Lust an Tiefe.

Die Massenmedien erinnern sich wieder an ihre Qualitäten, lineares Fernsehen – Dutzende Male totgesagt – legt zu. Die scheinbar unkonventionelle junge Generation scheint sich nach Ritualen zu sehnen. Das Lagerfeuer und der tägliche Konvent sind offensichtlich archetypisch. Ebenso wie das Couch-Potato-Phänomen. Oder das Serien-Binging.
Quod erat demonstrandum.

[Jenseits des HORIZONT]



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