Die Macht des Unbewussten
 

Die Macht des Unbewussten

Editorial von Birgit Schaller, stellvertretende Chefredakteurin (HORIZONT 40/2013)

Zu dieser Wahl wurde medial so viel geboten wie noch nie. Die Newsrooms der Zeitungen arbeiteten wie gewohnt auf Hochtouren, Spitzenkandidaten stellten sich Frühstücksradio und Ö1-Interviews. Ein Hoch erlebten dank fleißigem Gezwitscher die Politblogs des Landes, darunter die amüsanten erfundenen Geschichten auf dietagespresse.com. Neu waren 2013 die Profilierungsbestrebungen der Privatsender, die mit ihren Public-Value-Inhalten dem ORF einheizten. So flimmerten die Wahlarenen, Wahlfahrten und Wahl­konfrontationen in einem Tempo vorüber, dem der Durchschnittsbürger kaum beziehungsweise täglich folgen konnte. Zu viel des Guten?

TV-Topmanager und ehemaliger Pressesprecher der Sozialdemokraten Sinowatz und Vranizky, ­Gerhard Zeiler, formulierte es am Podium der Medientage so: „Diese umfassenden Möglichkeiten, sich ein Bild zu machen, können kein Schritt zurück sein.“ ATV, Puls 4 und natürlich der ORF konnten, Kritik an Moderatoren, Claqueuren, Marktforschern und Studios beiseite, ordentliche Menschenmassen zum gleichzeitigen TV-Konsum, Lagerfeuerromantik pur, verführen. Denn nichts interessiert den Menschen so sehr wie der Mensch. Dies gilt für den Österreicher umso mehr, der sich um Inhalt ein bissel weniger schert, dafür ein untrügliches intuitives G’spür für die menschliche Psyche entwickeln kann – Freud lässt grüßen.

Deshalb haben es echte Persönlichkeiten hierzulande wohl etwas leichter. So konnte man den netten Burschen aus Kärntner Landen, Pepi Bucher, beobachten, der so liab dem Hanno Settele erzählte, dass er noch ­niemals in New York war. Fast hätte ihn der Sympathiebonus doch in den Nationalrat getragen, jetzt ist er Geschichte. Da trat ein leicht seniler Frank vor den Vorhang, der Anfang des Jahres noch die politmüden Massen be-, schließlich aber mit schlechten Manieren und fehlender Kenntnis des Parteiprogramms, Team und Wähler entgeisterte. Eva Glawischnig schlug sich tapfer als Klassenbeste, aber die zunehmende Professionalität nimmt wohl das Stückchen Persönlichkeit, das es braucht, um auf 15 Prozent zu kommen – Korruption hin oder her.

Dann war da ein Vorarlberger, der mit wenigen Fernsehauftritten Stimmen holte: Matthias Strolz, der neue Stern am Parlamenthimmel, zeigte zwar in den ersten ­Interviews nach der Wahl Schwächen, aber seine Leidenschaft, vielleicht generiert im Selbstfindungstrip durch den Wiener Wald vor Start der ­Politkarriere, gefällt dem persönlichkeitshungrigen Österreicher. Bossy gab sich der ­Bundeskanzler, der sein Inspektor-Columbo-Image aber nicht ­ablegen konnte, während Spindi entfesselt dauergrinste und selbst als er sich im Puls 4-Duell dem Publikum im Studio näherte eher marionettenhaft, denn volksnah rüberkam.

Bewusst oder ­unbewusst: Das Fernsehen deckt alle Schwächen auf. Bewegtbild macht den Menschen angreifbar – das wirkt sich aus, sichtlich auch auf Wahlergebnisse.




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