Kolumne von Walter Braun
Wenn ich mich recht erinnere, tauchte der Begriff „Information Highway“ erstmals 1993 in der Öffentlichkeit auf. 20 turbulente Jahre seither, die sowohl Gesellschaften wie auch Ökonomien verändert haben. Selbst gewagte Visionen sind Wirklichkeit geworden, inklusive der Hoffnung, eine weltweite Vernetzung von Bürgern würde die Demokratie befördern. Was wiederum den Cyberspace sowohl für die Wirtschaft als auch die Politik zu einem Kontinent gemacht hat, der unbedingt besetzt sein will. Der Vorstoß der Schwergewichte zieht allerdings Folgen nach sich, weshalb der amerikanische Online-Sicherheitsberater Bruce Schneier kürzlich in einem Essay eine „Schlacht um das Internet“ registriert hat.
Das ursprüngliche Versprechen, das die digitale Wildnis so spannend machte, war eine seit Langem nicht mehr gesehene Chancengleichheit zwischen Bürgern und Machthabern, zwischen armen, aber agilen Newcomern und wohlhabenden, aber langsamen Privilegienrittern. Was einige Jahre lang tatsächlich der Fall war; aber diese Zeit ist vorbei. Als im Juni die britische Tageszeitung Guardian in einer Sensationsstory enthüllte, dass der US-Geheimdienst die eigenen Bürger systematisch bespitzelt, indem er sich Zugang zu den Telefon- und Web-Giganten verschafft, war klar: Die Unschuld der ersten Jahre ist dahin – jetzt regieren die Großmächte.
Klein und schnell zu sein und ein gutes Technikverständnis zu haben, verschaffte den Net-Pionieren (samt der Unterwelt) einen Vorteil. Aber irgendwann holen die großen Institutionen, die mehr Geld und den längeren Atem haben, auf. Ein ungeheurer Konzentrationsprozess hat eingesetzt – Schneier geht so weit, von einem „Feudalmodell“ zu sprechen. Eine gewagte Metapher. Aber Tatsache ist, dass die großen „Grundstücksbesitzer“ im Web die Nutzer in eine gewisse Abhängigkeit manövriert haben (die Gegenleistung für die vielen Gratisdienstleistungen ist nicht Sklavenarbeit, sondern die Übergabe persönlicher Daten). Sobald man sich im Internet bewegt, dockt man automatisch bei Google an: via Chrome-Browser (50 Prozent des Browser-Marktes!) oder über Google Ads, Google Analytics, Google Maps, Gmail, das Android-Betriebssystem für Handys, die häufig eingesetzte Google-Apps-Engine … an dem alles dominierenden Daten-Saurier gibt es kein Vorbeikommen mehr.
Damit die Zukunft im Cyberspace weder Richtung Anarchie noch Polizeistaat taumelt, müssen drei ausgeprägte Verlangen in ein dynamisches Gleichgewicht kommen: Überwachung, Transparenz und Sicherheit. Wir hinterlassen überall digitale Spuren, deren Erkennen gleichzusetzen ist mit Macht. Diese Tatsache bürdet den Usern die Pflicht auf, mit persönlichen Daten so sorgfältig wie nur möglich umzugehen. Wir alle sind transparenter geworden, nun sollten wir darauf beharren, dass es auch die Regierungen und die professionellen Datensammler werden …
[Walter Braun]