Das Internet der Dinge ist toll! Wirklich?
 

Das Internet der Dinge ist toll! Wirklich?

Kolumne von Walter Braun

Für die Anhänger ist das der nächste Megatrend: alle Objekte dieser Welt mit einer Erkennungsmarke zu versehen. Ein Vorläufer waren die RFID-Markierungen, die der Handel seit Jahren benutzt. Der Vorteil ist klar, wenn Lager­bestände nicht mehr mühsam manuell überprüft werden müssen, sondern am Computerschirm sichtbar werden.

Das „Internet der Dinge“ (bisweilen mit IoT abgekürzt) geht weit darüber hinaus, ­indem fast alles eine eigene IP-Adresse erhalten soll. Für die Fans das Tor in eine völlig neue Welt, da wir dann in der Lage sein sollten, mit den Internet-verknüpften Dingen zu kommunizieren. Interessant, wenn es um selbst fahrende Autos geht oder um Heimfunktionen wie Beleuchtung oder Heizung, die aus der Ferne reguliert werden können. Warum ich mit meinem Toaster in telepathischer Verbindung stehen soll, ist nicht so offensichtlich. Klarer dagegen ist, dass Handel und Marketing scharf auf diese Weiterentwicklung sind. Im vergangenen Jahr hat Apple begonnen, in seine Geräte eine App names iBeacon (Leuchtfeuer) einzubauen. Die Washington Post schwärmte, diese Entwicklung würde unsere Welt für immer verändern. Der digitale Leuchtturm beruht auf einer Kombination von winzigem Sender (Bluetooth-Antenne) plus Software. Der Name ist von Apple geschützt, aber die Technik ein offener Standard, kann also von jedem App-Entwickler auf Android- und Windows-Betriebssystemen verwendet werden.

Jedes Handy mit entsprechender App lässt sich via Triangulation lokalisieren. Das erlaubt beispielsweise, Großkaufhäuser leichter zu navigieren oder Kunden zu identifizieren, die vorbestellte Waren ohne Anstellen in Empfang nehmen. Man kann natürlich durch eine dezente Werbebotschaft auch daran erinnert werden, dass das eigene Mobiltelefon schon veraltet ist. Stadien (die Super Bowl hat iBeacon am vergangenen Wochenende eingesetzt) und Restaurants können elegant Promotions fahren, die sich nur an Anwesende richten.

Zu den Schattenseiten: Wir haben uns daran gewöhnt, identifizierbare Spuren im Web zu hinterlassen; nun würde dasselbe draußen in der Welt passieren. Der Marktforscher Gartner schätzt, dass bis 2020 etwa 26 Milliarden Dinge mit dem IoT verknüpft sein ­werden. In so einer Welt bin ich nie mehr ganz unbeobachtet, kann nie ­völlig abschalten, da sich immer irgendwo eine Interaktion aufdrängt – als ob permanent das Telefon klingeln würde. Höllisch. Ferner wären da Fragen der Sicherheit (können Geheimdienste und Kriminelle an diese Daten herankommen?) sowie der Schutz der (bereits aufgegebenen?) Privatsphäre.

Noch fundamentaler ist das Bedenken des holländischen Philosophen Peter-Paul Verbeek, der uns in seinem Buch „Moralizing Technology“ (2011) daran erinnert, dass Technik ein Werkzeug ist und wir sie nicht zu einem ­selbstständig handelnden Akteur ­machen sollten, der ­moralische Entscheidungen beeinflusst …

[Walter Braun]



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