Der amerikanische Stadtforscher Joel Kotkin brachte das Thema kürzlich griffig auf den Punkt: „Konzentrierter Reichtum oder Demokratie, aber nicht beides“. Bei dem demnächst stattfindenden Rudeltreffen des World Economic Forum in Davos wird die Hilfsorganisation Oxfam die Besucher gezielt schockieren. In ihrem Report „Working For the Few“ erheben sie die Behauptung, dass die 85 reichsten Leute auf diesem Erdenrund zusammen so viel besitzen wie die ärmsten 3.500.000.000 Erdenbürger! Verrückt. Hilft uns aber nicht weiter bei der Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung in unseren Breiten. Hier drei mögliche Antworten:
1. Die Reichtumskluft im Westen ließe sich demografisch erklären. Die enorme Kohorte der Baby Boomer hat ihre Spitzen-Einkommensjahre erreicht und in den vergangenen Jahrzehnten Besitzstände angehäuft. Dass sich das Phänomen seit 2002 beschleunigt, wird mit den künstlich niedrigen Sparzinsen erklärt. Pensionisten, die sich auf Zinseinkünfte verließen, mussten zunehmend ihre Investitionen aufgeben. Für die besonders Wohlhabenden trifft das natürlich nicht zu, weshalb die Kluft größer wird.
2. Eine andere Erklärung geht auf die Bildung einer neuen, weltweiten Elite zurück. Der Autor Tyler Cowen argumentierte in seinem Buch „Average is Over“ (2013), dass die sich ausbreitenden intelligenten Maschinen die Anforderungen an das Personal so hochtreiben, dass nur die Begabtesten mithalten können. Das Ergebnis sei zwangsläufig wachsende Ungleichheit. Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee argumentieren in ihrer Untersuchung „The Second Machine Age“ (2014) in exakt dieselbe Richtung, hoffen aber, dass die auseinanderklaffenden Einkommen nur ein Anpassungsphänomen, also von vorübergehender Natur, sind.
Eine weitere Behauptung (3) sieht die Digitalwirtschaft selbst als Ursache. Google-Chef Eric Schmidt erläuterte in seinem Buch „The New Digital Age“ (2013), dass diejenigen, die die Macht haben, Anschlüsse zu erzeugen („Connectivity“), exponentiell wachsen. Besonders profitieren davon Riesen wie Apple, Facebook sowie eine winzige Liga globaler Superstars aufgrund ihrer außerordentlichen Talente – für den Rest bleiben nur Brösel übrig. Gestand der Springer-Verlagsvorsitzende Mathias Döpfner kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen zähneknirschend ein: „Mit vierzehn Milliarden Jahresgewinn macht Google etwa 20 Mal so viel Profit wie Axel Springer.“
Jene, die die globale Bühne als Hebel einsetzen können, profitieren weit überdurchschnittlich und erkaufen sich noch die Politik, damit ihre Gewinne unangetastet bleiben. Was ihnen die zusätzliche Macht verleiht, potenzielle Wettbewerber einzuverleiben. Kein Wunder, dass einige Techno-Milliardäre mit der Idee liebäugeln, sich auf Ozean-tauglichen Plattformen ihren Staat mit eigenen Rechten einzurichten.
Wettbewerb tot, Demokratie ade?
[Walter Braun]