Kommentar von Walter Braun
Im Dezember 2011 hatte man noch geglaubt, die Sicherstellung des Euro eingeleitet zu haben. 2012 zeigte sich aber, dass die großen Investoren der Eurozone fern blieben. „Wir sind weder für noch gegenden Euro“, sagte einer der Verantwortlichen von Pimco, dem weltgrößten Bondhändler. „Wir beobachten vorläufig die Entwicklung.“ „Beobachten“ bedeutete aber einen ausgedorrten Kreditmarkt und eine angespannte Lage für einige europäische Großbanken. Zu Jahresende war die Eurozone offiziell in Rezession.
Eine massive Anti-Euro- und Anti-EU-Stimmung begann sich auszubreiten. Aufgrund des Zorns auf „Brüssel“ siedelte man das neue europäische Finanzministerium in Wien an. Sowohl Sarkozy als auch Merkel hatten ihre Wahlen verloren. Die SPD gab dann – trotz heftiger Bürgerproteste – dem Drängen der USA nach, die Banknotenpresse der EZB anwerfen zu lassen. Die Rezession wurde auf diese Weise 2013 abgewürgt, und die Pensionsfonds begannen wieder, europäische Staatsschulden zu kaufen. Zwischenzeitlich hatten die übrigen baltischen Staaten sowie Polen den Euro eingeführt. Südeuropa war dank des Finanzausgleichs aus dem Schneider. Allerdings lag die Arbeitslosenrate beständig bei 20 Prozent – Straßenschlachten wurden zum Dauerkarneval. Die Jugend begehrte aber auch in Mittel- und Nordeuropa auf, als allmählich kein Politiker mehr leugnen konnte, dass auf die nächsten Generation angesichts der noch immer anwachsenden Staatsverschuldung wesentlich schlechtere Lebensbedingungen warten: hohe Steuern, nur wenige neue und gut bezahlte Arbeitsplätze, auf Jahre eingefrorene Löhne trotz spürbarer Inflation. Rasche Regierungswechsel in einer Reihe von Ländern waren die Folge. Eine heftige Diskussion entbrannte: Sind wir auf dem Weg in Richtung USE oder eher EUSSR?
In Großbritannien standen die Zeichen auf Sturm. Nachdem die Koalition geplatzt war, bescherten Neuwahlen den Tories die Alleinregierung. Dies wiederum ermutigte die Europakritiker, eine Bürgerbefragung zu erzwingen – nicht über den fälligen Euro-Beitritt, sondern einen Rückzug von der unpopulären EU-Bürokratie. Die Skeptiker erhielten eine knappe, aber unleugbare Mehrheit. Das bankrotte Irland, abhängig von Kapitalzufuhr aus England, trat ebenfalls aus der EU aus.
Doch es gärte auch anderenorts. Im Stabilitätspakt war vorgesehen, dass jedes EU-Mitglied die gemeinsame Währung nutzt: „Wer EU sagt, sagt auch Euro!“ Dies sowie die viel gehassten Ausgleichszahlungen nach Südeuropa gaben extremistischen Partien in Holland und den skandinavischen Ländern enormen Zulauf. Auch in Österreich und Deutschland, wo aber die unerwünschten Gruppierungen – reichlich undemokratisch – als Neonazis denunziert und kaltgestellt wurden. Angesichts der politischen Dauerkrise traten im Sommer 2018 Dänemark, Schweden und Finnland aus der EU aus und verbanden sich mit Norwegen zur „Nordischen Liga“. 2019 wurden in einem letzten, nur noch formalen Akt die Vereinigten Staaten von Europa gegründet. Und der neu erstarkte Euro gilt gleichauf mit dem Dollar als Weltreservewährung …
Walter Braun