Horizont 01-03/2020
‚Dass wir einen Legitimationsdruck haben, ist klar.‘ ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann sieht gerade den Dialog mit Kritikern des Öffentlich-Rechtli- chen als „Bringschuld“ → Seite 10 HORIZONT 3,60 Euro № 1-3 17. Jänner 2020 Die österreichische Wochenzeitung für Werbung, Medien & Marketing Bericht von MartinWurnitsch D ie Medienpolitik – ein Stiefkind unter beinahe jederRegierungderZwei- ten Republik. Und das ist auch mit der neuen türkis-grünen Koalitionnichtanders,dieinderersten Jänner-WocheihrProgramm„AusVer- antwortung für Österreich“ vorstellte. DasMedienkapitel im326 Seiten star- ken Werk ist drei Seiten schlank und bescheidene 600 Wörter lang (unter der Vorgängerregierung wurden dem Thema noch 1.100 Worte gewidmet). Inhaltlich besehen beherrschen Schlagworte und viele Floskeln den Medienteil des Regierungspro- gramms, das sich einleitend „zu ei- ner Medienpolitik, die Grundwerte wie Pluralismus, Unabhängigkeit, Medien- und Pressefreiheit sowie Innovation sicherstellt und fördert“ bekennt. Türkis-Grün und dort die Verhandlungsteams um Wolfgang Sobotka und Gernot Blümel (auf ÖVP-Seite) sowie Eva Blimlinger (Grüne) sehen es „als zentrale Aufga- be an, auf die veränderten Rahmen- bedingungen durch die fortschrei- tende Digitalisierung und Globali- sierung zu reagieren“. Das ist löblich, aber nicht neu. Die Frage, wie dies bewerkstelligt werden soll, ist wohl noch zentraler, bleibt aber in weiten Teilen unbeantwortet. Duales System stärken Medienpolitik spielt sich in Öster- reich traditionellerweise rund um den ORF ab, der auch Gegenstand des wohl wichtigsten Kompromisses bei den Medienthemen ist. „Wir ste- hen für einen unabhängig finanzier- ten öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, heißt es im Programm. Ein in der tür- kis-blauen Koalition noch undenk- barer Passus, der klar den Grünen zuzurechnen ist. Eine Zerschlagung des ORF oder die in direkte Abhängig- keit von der Politik mündende Finan- zierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Budget, wie sie ÖVP/FPÖ überlegt hatten, ist damit vom Tisch. Notwendig sei freilich, so das Pa- pier, „die gesetzliche Verankerung der stärkeren Zusammenarbeit zwi- schen ORF und Privaten“ – ein kurzer Satz und eine Kompromissformel, mit der die heimische Medienpolitik tatsächlich Neuland betreten will, wie auch Grünen-Mediensprecherin Blimlinger im Gespräch mit dem HORIZONT (siehe Interview Seite 2) bestätigt. Das konkrete Projekt da- hinter: eine österreichische Content- Plattform, ein „gemeinsamer ORF- Player zwischen ORF und Privaten mit öffentlich-rechtlich relevanten Inhalten und nach Etablierung der Plattform Einbeziehung weiterer öffentlicher Einrichtungen“. Wie dieses Projekt, in das die Vorarbeiten für den ORF-Player ein- fließen sollen, im Detail gesetzlich formuliert, umgesetzt und finanziert werden soll, ist freilich offen. Klar dagegen: Der ORF bekommt die von ihm gewünschten gesetzlichen Er- leichterungen im digitalen Bereich (etwa die Aufhebung der Sieben- Tage-Regel bei der TVthek oder die Möglichkeit zu Online-first-Content) nur im Gegenzug zur Beteiligung von Privaten an seinem Player. Änderungen bei der Finanzierung des ORF scheinen – im Gegensatz zum Digitalthema – jedoch in wei- ter Ferne. Hier liegen die Positionen von ÖVP („keine neuen Steuern“) und Grünen (die sich eine neue Haushaltsabgabe sehr gut vorstellen können) weit auseinander, wie auch Blimlinger bestätigt: „Mal schauen, wann wir das machen und wie weit das geht. Für uns war jedenfalls die unabhängige Finanzierung des ORF zentral, diese kann über Gebühren oder eine Haushaltsabgabe erfolgen. Dazu gibt es auch in der ÖVP unter- schiedliche Positionen.“ In dieser Ausgabe Bestes aus zwei Welten Wie Maria Hötschl-Bauernfried ihren Umstieg von der Marke- ting- (Kelly‘s) in die Event-Welt (AlmAdvent) bilanziert menschen → Seite 5 Immer wieder sonntags Warum ein Jahr Sonntags- “ZIB2“ aus dem einstigen ORF-Kritiker Martin Thür einen Fürsprecher des Öffentlich- Rechtlichen gemacht hat menschen → Seite 6 Paperless Republic? Welchen Plan B die Wiener Zeitung hat, wenn die lukrativen Pflichtveröffentlichungen im Organ der Republik tatsächlich wegfallen sollten medien → Seite 8 Digitaler als gedacht Wo in Österreich quer durch alle Generationen noch Marketing- Potenzial schlummert, belegt eine neue AMC-Studie marketing → Seite 11 Insel seligenWachstums Welche Faktoren dazu führen, dass Österreichs Werbebranche im internationalen Vergleich auf überdurchschnittliches Wachstum hoffen darf agenturen → Seite 12 VomOnline-Saulus zum Verlags-Paulus Was Digitalexperte Steve Rogers aus „schrecklichem Umgang“ mit Userdaten für seine Verlagsarbeit gelernt hat UPDATE → Seite 14 Marketing Medien Senat ermittelt gegen Wahlkampf-Inserate Geprüft wird ein Verstoß von Parlamentsklubs gegen das Parteiengesetz. Der Unabhängige Parteien-Transpa- renz-Senat imKanzleramt untersucht, ob Inserate der Parlamentsklubs im Nationalratswahlkampf 2019 un- rechtmäßige Parteispenden darstell- ten. Welche Parteien betroffen sind, war vorerst nicht bekannt. Anlass war laut APA ein Inserat des ÖVP-Klubs, in dem Klubobmann August Wögin- ger vor der Wahl für die Fortsetzung der türkisen Regierungsarbeit gewor- ben hatte. Anschließend sei bekannt geworden, dass auch die Parlaments- klubs von SPÖ und NEOS Inserate während des Wahlkampfs geschaltet hatten. Der Senat verurteilte die ÖVP am Mittwoch zudem zu 800.000 Euro Strafe wegen Überschreitung der Walhkampfkostengrenze 2017 so- wie 80.000 Euro für Verstöße gegen das Parteiengesetz. noh Thomas Gruber neuer AGTT-Obmann ATV-Chef übernimmt von Walter Zinggl, der sich auf Screenforce konzentriert. Seit Jahreswechsel hat der Verein Ar- beitsgemeinschaft Teletest einenneu- en Obmann: ATV-Geschäftsführer Thomas Gruber übernimmt von Wal- ter Zinggl, der entsprechende HORI- ZONT-Informationen auf Nachfrage auch bestätigte. Zinggl selbst bleibt zweiter Obmann-Stellvertreter, nach ORF-Enterprise-CEO Oliver Böhm, und will sich künftig als Sprecher ver- stärkt den Agenden der Gattungsiniti- ative Screenforce widmen. Zinggl, im Hauptberuf Ge- schäftsführer des RTL-Vermarkters IP Österreich, hatte dieAGTT-Position seit 2016 inne – und folgte damals auf den damaligen ATV-Geschäftsführer Martin Gastinger. Der AGTT gehören Fernsehsender und ihre Vermarkter an, sie beauftragt unter anderem die Gattungsstudie Teletest. hof Österreichische Post AG,WZ 02Z031577 W , Manstein ZeitschriftenverlagsgesmbH, Brunner Feldstraße 45, 2380 Perchtoldsdorf Retouren an Postfach 100, 1350Wien Lesen Sie weiter auf → Seite 2 Brand& Product Design Shop& Environmental Design NewMedia Design Content & Publishing Art Consulting sectiond.com ©Thomas Ramstorfer Kooperation von ORF und Privaten, ein neuer Player für Österreich, die Neuaufstellung des Förderwesens. Was sich die Koalition von ÖVP und Grünen in Medienfragen vorgenomen hat – und was realpolitisch wirklich möglich ist. Die Agenda: Türkis-grüne Medienpläne im Check © yurolaitsalbert/stock.adobe.com © Bundeskanzleramt/ Jakob Glaser
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