Diese Woche geht's bei Walter's Weekly u.a. um den Konsumwettbewerb, Marken mit Mediengelüsten und den Schutz der Privatsphäre
Konsumwettbewerb statt Selbstverwöhnung
Kein Politiker gibt es öffentlich zu, aber wir haben eine neue Zeitrechnung: Vor der großen Rezession und nach der großen Rezession. Offiziell werden auf Parteitagen immer noch Parolen von der sozialen Gleichheit geschmettert, während unten, am Boden der Tatsachen, überraschend schnell neue Verhältnisse entstehen. Je mehr Sozialaktivisten Gleichschaltung fordern, umso verbissener wird das Wettrennen, aus der Masse hervorzustechen.
Hat natürlich mit der Jobsituation und stagnierenden Realeinkommen (bei steigenden Mieten!) zu tun. Es hat auch mit dem scharfen globalen Wettbewerb und der Tatsache, dass in der Digitalwirtschaft einige große Gewinner alles abräumen, zu tun. Eine Rolle spielt auch die forcierte Einwanderung plus das gescheiterte Multikulti-Ideal. Kurz gesagt, in den erfolgreichen Metropolen hat ein neues Sozialwettrennen begonnen.
Dort ist neben dem Selbstbelohnungskonsum ungenierter Sozialwettbewerb aufgetaucht. Selbst Sport gilt der Selbstdarstellung: körperlich-geistige-seelische Fitness konkurriert nun mit dem Hedonismus. Der schon lange anhaltende Yoga-Trend hat nur noch bedingt mit Gesundheit zu tun: Man will elastisch aussehen und Gelenkigkeit zur Schau stellen. Erinnert an die Jogger, die eines Tages zu verbissenen Marathonläufern mit ruinierten Kniegelenken wurden – der Körper braucht das nicht, bloß ein erfolgssüchtiges Ego. Millennials, müde des Vorwurfs, sie wären eine teigige Generation, suchen jüngst nach herausforderndem und unbequemen Erlebniskonsum – wer angeben will, muss etwas riskieren. Der stille Klassenkampf legt gerade ein Schäufelchen zu. Wellness (global ein 100-Milliarden-Dollar-Markt!) wird nun in einer Super-Luxus-Ausgabe angeboten. Von dieser Entwicklung profitieren wiederum Premium-Sportmarken wie SoulCycle, CrossFit oder Equinox. Man meditiert in Marken-Leggings von Lululemon und trinkt Spirulina-Saft. Während sich die Modespalten in den Massenmedien über Hipster mit zu langen Bärten mokieren, rumort es längst im Untergrund: Anabolika-Missbrauch nimmt trotz der gravierenden Risiken massiv zu, weil junge Männer ihre hoffnungslose berufliche und soziale Situation mit beeindruckenden Muskeln wettmachen wollen (was sonst tun gegen die ungreifbaren Feinde Globalisierung und Feminismus?). Eine Sozialetage darüber treffen sich Manager zu Fighting Clubs. Selbst in ausgewählten Schulen wird mittlerweile Boxen angeboten, um den Youngsters überlebensnotwendige Selbstdisziplin einzubläuen. Und was macht die erfolgshungrige Frau? Macht mit. Sowohl Gewichtheben als auch Boxen ist bei Businessfrauen im Kommen. Die smarten jungen Reichen haben einen weiteren neuen Trend entdeckt: Pseudo-Spiritualität. Was da unter dem Charvet-Ärmel neben dem superteuren Chronometer hervorlugt, sind Gebetsperlen am Handgelenk, natürlich nicht aus billigem Holz sondern aus Edelsteinen. New Age-Schmafu in Luxusausgabe hat die City Boys erreicht. Weshalb selbst Luxusmarken plötzlich ‚nachhaltig’ sein müssen und auf ‚sozial verträglich’ machen (z.B. die Modemarke Maiyet oder Toms). „Die Zukunft des Marketing”, schwadronierte Twitter-Mitbegründer Biz Stone kürzlich, “liegt in der Philanthropie. Besonders junge Leute suchen sich Firmen mit Sinngehalt aus.” Gesprochen anlässlich eines Rudelauflaufs der coolen Typen beim schicken jährlichen Festival South By Southwest Interactive (SXSW) in Austin, Texas. Quellen: Diverse Websites hinter Firewalls sowiehttp://www.campaignlive.com/article/sxsw-diary-day-2-giving-data-workout/1338217http://maiyet.com/our-philosophyhttp://www.toms.co.uk/one-for-one-enMarken mit MediengelüstenDer Online-Fernsehzusteller Netflix hat es vorgemacht: Wer einen Draht zu Endverbrauchern hat, kann auch ins Mediengeschäft vordringen. Amazon hat rasch nachgezogen und verwöhnt die fest angebundene Prime-Kundschaft mit eigenen TV-Serien. Wer fehlt da noch? Logisch, Apple. Jüngsten Gerüchten zufolge will das größte Unternehmen der Welt seinen Fans in den USA ein Bündel an ausgewählten Kanälen per Abo zur Verfügung stellen. Die Pointe, aus Apples Sicht, bestünde darin, dass TV-Content auf allen eigenen Plattformen (iPhone, iPad und Apple TV) erhältlich wäre. Könnte ein interessantes Angebot sein, da Kabelfernsehen in Nordamerika ziemlich teuer ist. Allerdings hat Apple schon vor einem Jahr versucht, ein TV-Streaming-Service einzurichten; aber die Verhandlungen mit Comcast, dem größten Kabelanbieter, sind gescheitert. Die Frage ist, ob nicht Streaming-Anbieter Netflix schon die besten Deals mit den Filmstudios gesichert hat.Sonst noch wer? Ah ja, Kaffeerestaurateur Starbucks hat auch kundgetan, ein Medienunternehmen aufbauen zu wollen. Dem Vernehmen nach wollen sie mit Fernseh-Dokumentarfilmen zu sozialen Anliegen aufwarten. Kann man damit Geld machen? Oder Kunden binden? Jedenfalls wäre anzumerken, dass das Internet nicht mehr automatisch die erste Destination zu sein scheint. Quelle:http://www.theguardian.com/technology/2015/mar/17/apple-tv-service-25-channels-iphone-ipad-abc-cbshttp://contently.com/strategist/2015/03/12/why-starbucks-is-trying-to-launch-a-media-company/Übrigens: Sony will anscheinend auch ein Stück vom Kabel-Kuchen abknabbern und drängt nun ins Internet-übertragene TV-Geschäft:
http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-3001043/Sony-launches-US-subscription-TV-competing-cable.htmlDie Jungen stehen also doch auf Schutz der PrivatsphäreEine messbar wachsende Unruhe, was mit unseren Online-Daten geschieht, greift um sich. Laut einer Studie der britischen Market Research Society (MRS) setzen junge Leute zunehmend Abwehrmaßnahmen ein, um professionelle Schnüffler in die Irre zu führen. Zu den Strategien gehören vorsätzliche vage (oder sogar falsche) Informationen sowie Einsatz von verschiedenen Identitäten in Sozialen Medien. Anbieter wie Snapchat (bei denen der E-Commerce-Riese Alibaba vor kurzem eingestiegen ist) oder Guerrilla Mail, die persönliche Daten rasch löschen, werden immer beliebter. Im Jahr 2010 hatte Mark Zuckerberg noch voller Zuversicht verkündet, das Bedürfnis nach Privatsphäre sei nicht länger „eine soziale Norm“. Möglicherweise holen sich jetzt Geschäftsmodelle, die von einer ständig steigenden Durchleuchtbarkeit der Bürger ausgehen, eine blutige Nase...Quellen:https://www.mrs.org.uk/article/item/1918http://www.theguardian.com/technology/2015/mar/12/snapchat-worth-15bn-after-alibaba-invesmenthttps://www.guerrillamail.com/Lesetipp: The Black Box Society, von Frank Pasqualehttp://www.amazon.co.uk/The-Black-Box-Society-Information/dp/0674368274/ref=pd_rhf_gw_p_img_1Generation der Millenials liebt Nachrichten......hat aber keine Absicht, dafür zu bezahlen. Einer Umfrage in den USA zufolge, erhält der Großteil der Jungen ihre Nachrichte aus den Tiefen der Sozialnetzwerke (hauptsächlich Facebook). Damit sind natürlich zwei gravierende Nachteile verbunden: Zum einen ist der Nachrichtenkonsum nur sporadisch, zum anderen geht der Absender verloren. Nur wenn es um Wirtschaft bzw. lokale Verbrechen geht, wendet man sich bevorzugt an die direkten Nachrichtenquellen. Content ist in der Einstellung der Jungen etwas, das frei im Cyberspace herumschwebt und in der Herstellung gar nichts kostet. Tat eine 19-Jährige im Interview kund: „Ich würde für keine Art von Nachrichten bezahlen – die stehen mir als Bürger einfach zu.“Fallen einfach so vom Himmel herunter, die Nachrichteninhalte...Quelle:http://www.niemanlab.org/2015/03/millennials-say-keeping-up-with-the-news-is-important-to-them-but-good-luck-getting-them-to-pay-for-it/[Walter Braun]