Warum manche Technologien Erfolg haben - und ...
 

Warum manche Technologien Erfolg haben - und andere nicht

Zukunftsinstitut
Christian Schuldt: "Manche ältere Trends kommen zurück. Aber mit mehr Schlagkraft."
Christian Schuldt: "Manche ältere Trends kommen zurück. Aber mit mehr Schlagkraft."

Oft wurden in den vergangenen 25 Jahren neue Trends mit Fanfaren und Trompeten angekündigt – nur um dann wieder in der Versenkung zu verschwinden. Wie prognostiziert man, was sich durchsetzen wird? Ein Zukunftsforscher gibt Antworten.

Dieser Artikel erschien ebenso in der HORIZONT-Ausgabe 46/2016 vom 18. November. Hier geht's zum Abo.

In den vergangenen 25 Jahren haben etliche Erfindungen unser Leben nachhaltig beeinflusst – andere hingegen wurden von der Industrie mit hochtrabenden Worten angekündigt, versanken dann aber in der Bedeutungslosigkeit. Aber lässt sich überhaupt vorhersagen, welche Technologien sich durchsetzen und welche zum Rohrkrepierer mutieren? „Im Nachhinein lässt sich immer einfach sagen, was erfolgreich war und welche Technologien gefloppt sind. Spannender ist es, sich im Vorhinein mit den richtigen Phänomenen zu beschäftigen“, sagt Christian Schuldt. Der Forscher am Zukunftsinstitut hat sich in seiner Trendstudie „Digitale Erleuchtung“ mit gesellschaftlichen Veränderungen beschäftigt und kann daraus Ableitungen auf Mikro-Trends, etwa aus dem Mode- oder Tech-Bereich, treffen.

Laut Schuldt hängt der Erfolg einer Technologie zu einem großen Teil davon ab, ob sie zu diesem Zeitpunkt von der Gesellschaft akzeptiert wird – als Musterbeispiel dafür nennt er Googles Augmented-Reality-Brille „Google Glass“. Diese setzte schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt auf das Thema AR, weckte anfangs große Erwartungen und kam letztendlich beim Endkonsumenten nicht an: Kunden stellten sich die Frage, wie sie auf ihr gesellschaftliches Umfeld wirken, wenn sie mit einer solchen Brille durch die Straßen spazieren, hinzu kamen Datenschutzbedenken und ein zu hoch angesetzter Preis. In der Nische, etwa in der Industrie als B2B-Produkt, findet Google Glass noch Anwendung, in der breiten Masse ist das Produkt aber gefloppt. „Google Glass hat anfangs viele Tech-Nerds begeistert“, sagt Schuldt: „Es stellt sich aber bei jedem neuen Produkt die Frage, ob es auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten ist.“

Einfachheit siegt

In puncto Akzeptanz bringt Schuldt das Schlagwort „Simplexity“ ins Gespräch: Die Mischung aus einfacher Bedienbarkeit im Vordergrund und komplexen Abläufen im Hintergrund. Das beste Beispiel ist der Siegeszug der Smartphones, die über nur wenige Hardware-Buttons verfügen und sich über einfache Tipp- und Wischbewegungen auf dem Bildschirm bedienen lassen, zugleich aber in ständiger Verbindung zur Welt stehen und Zugriff auf Millionen von Apps bieten. 

Auch das erfolgreiche Smartphone-Spiel „Pokemon Go“ schlägt in die Simplexity-Kerbe: „Mit Hilfe des Smartphones, das inzwischen jeder besitzt, können auf einfache Art völlig neue Welten erkundet werden“, sagt Schuldt – hinter dem verspielten Design des Taschenmonster-Spiels steckt jedoch eine große Dosis High-Tech.

Rückkehr aufs Holodeck

Wenn es um aktuell medial stark repräsentierte Themen wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) geht, dann wird so manchem Beo­bachter klar: Das hat es alles schon mal gegeben. So stellte etwa das britische Unternehmen Virtuality Group VR-Systeme her, die mit einem Preis von 75.000 Dollar zwar zu teuer für den Heimgebrauch waren, sich aber ab 1991 in diversen Spielhallen wiederfanden – allerdings mangelte es an guter Software, und so verschwand das Produkt ab 1997 wieder von der Bildfläche.

„Virtual Reality ist allgemein ein Thema, das stark durch Science Fiction – etwa die Serie Star Trek – geprägt ist“, sagt Schuldt: „Manche ältere Trends kommen später zurück, dann aber meist mit größerer Schlagkraft.“ Dem aktuellen AR- und VR-Trend kommt der Megatrend Konnektivität zugute: Die Menschen sind besser vernetzt und können sich in virtuellen Welten treffen. „Damit steigt auch die gesellschaftliche Akzeptanz“, sagt Schuldt: „Die neuen Geräte sind geeignet für den Heimgebrauch, man muss dafür nicht mehr in eine Spielhalle gehen.“ Die Leistungsfähigkeit der Hardware ist um ein Vielfaches besser als in den 1990er-Jahren – die Anwendungen sind zwar noch nicht so spektakulär und bauen noch oft auf den Konzepten der Vergangenheit auf, in Zukunft wird es laut Schuldt aber noch interessantere Inhalte geben. Bis 2025, so sagen es manche langfristigen Prognosen, könnten Erlöse aus dem VR-Markt jene des Fernsehens übertreffen. „Bei VR ist viel Potenzial vorhanden“, sagt Schuldt: „Auch Suchtpotenzial.“

Gerade auf Grund dieses Suchtpotenzials glaubt Schuldt, dass es im Fall eines VR-Booms auch eine Gegenbewegung geben wird, bei der die Menschen mehr Wert auf reale Erlebnisse legen – ähnlich der jetzigen Gegenbewegung rund um Achtsamkeit und Digital Detox, bei der bewusst auf digitale Geräte verzichtet wird. „Wir sind als Menschen darauf gepeilt, zu kommunizieren“, sagt Schuldt: „Nun müssen wir auch lernen, damit umzugehen und ab und zu abzuschalten.“ 

Alles wird gut

Beruhigende Worte findet Schuldt auch in Bezug auf diverse Ängste, die der technologische Wandel mit sich bringt – etwa die in den vergangenen Jahren vielzitierte Aussage, dass Roboter und Software Arbeitsplätze zerstören werden. „In den vergangenen Jahrzehnten wurden durch Automatisierung mehr Jobs geschaffen als zerstört“, sagt er – auch komme es zu einer qualitativen Steigerung der Arbeit: Monotone, wiederkehrende Tätigkeiten werden von Maschinen übernommen – der Mensch hingegen kann sich dann auf kreative Tätigkeiten fokussieren.

Bei allen medialen Revolutionen – von der Erfindung des Buchdrucks bis zur Digitalisierung – beobachtet er stets die gleiche Kettenreaktion: Die Menschen sind immer zuerst überfordert, finden sich aber irgendwann im neuen Umfeld zurecht und erkennen den Nutzen, der ihnen daraus entsteht. Es löst dabei nicht das Alte das Neue ab, sondern es kommt zu einer Koexistenz – Stichwort: Online- und Printjournalismus. Und am Ende setzen sich jene Technologien durch, für die die richtigen Rahmenbedingungen gegeben sind und die von der Gesellschaft akzeptiert werden. In diesem Sinne gilt laut Schuldt für die Digitalisierung das Gleiche, das auch für die Erfindung der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks galt: Die Gesellschaft muss sich umstellen, profitiert aber letztlich.“Mediale Revolutionen verlaufen nach zyklischen Mustern: Am Anfang stehen Hypes, Ängste und Überforderungen“, so der Experte, „aber am Ende pendelt es sich wieder ein und alles wird gut.“•



stats