Verschwimmende Grenzen
 

Verschwimmende Grenzen

Editorial von Birgit Schaller, stellvertretende Chefredakteurin (HORIZONT 31/2015)

Es sind spannende Entwicklungen, die gerade passieren. Entwicklungen, die eine Chance für Medien wie das Lifestylemagazin Wiener bieten könnten, das gerade eine neue verlegerische Heimat gefunden hat, oder eine SportWoche, die in den letzten Zügen ihres kurzen Daseins von 16 Jahren liegt. Ein Blick in die Modewelt zeigt Perspektiven auf. So ­erzählte der Spiegel in einer Story, wie Onlinehandel und Verlagswesen näherrücken. Man braucht einander, gleichzeitig entsteht eine Konkurrenzsituation. Hier die E-Commerce-Welt, da das Hochglanz-Insider-Journalistenkönnen. Die finanziell hocherfolgreiche On­linewelt, Verkaufsportale von Zalando bis Net-a-Porter sehnen sich nach der haptischen Welt, wollen ihre Produkte in greifbare Real-World-Medien transferieren und engagieren Journalisten, die dafür „echte“ Medien konzipieren. Also Corporate Publishing in Kombi mit Top-Journalismus.

So ging das Designer-Fashion-Portal Net-a-Porter im Vorjahr unter die Verleger und publiziert sechs Mal jährlich für Fashionistas das 200 Seiten starke Magazin Porter mit niemand Geringerem als der ehemaligen Harper’s-Bazaar-Chefredakteurin Lucy Yeoman. Mit der Smartphone-App lassen sich ­übrigens sämtliche gezeigten Kleidungsstücke im Heft scannen und gleich kaufen. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Verlage, die die Websites ihrer Modemagazine zu Verkaufsportalen umfunktionieren und so neue Einkommensquellen in Form von Provisionen anzapfen. Ein Lifestyleshop als Chance für den Wiener, ein Ticket- wie Sportmodenportal als Rettungsanker für Sporttitel? Das wären Möglichkeiten. Gleichzeitig hagelt es Kritik: Berichterstattung kombiniert mit finanziellem Erfolg heißt Abhängigkeit. Würde ein österreichisches Magazin die coolsten Sommeroutfits zeigen und online verkaufen, wäre Feuer am Unabhängigkeitsdach.

Da haben es E-Commerce-Plattformen leichter – sie präsentieren ihr Angebot als trendige Styles in der neuen hauseigenen Illustrierten und nehmen netterweise ein paar Fremdmarken mit. Ob Verlage schnell genug reagieren, für welche Titel die Kombi Onlineverkauf und Print, sprich Content-Commerce, Sinn macht ohne das Leservertrauen zu irritieren, wird sich noch weisen. Dass die Onlinewelt einmal mehr die Nase vorn hat und auch Geld in die Hand nimmt, um etablierte Journalisten für ihre Welt zu gewinnen, ist ebenso Fakt. Es bleibt spannend, und große Visionen sowie ein kreatives Aufeinander-Zugehen von Online- und Offlinewelten sind höchst an der Zeit.



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