Die österreichischen Großunternehmen sind auf einem guten Weg, was ihre digitale Kommunikation betrifft, besonders im europäischen Vergleich. Der neue Lundquist-Report zeigt jedoch: Es müssen noch einige Hürden überwunden werden.
Viel ungenutztes Potenzial mit einem Hauch von Best Practice – so könnte man die Digitalkommunikation und Transparenz der österreichischen Unternehmen zusammenfassen, zumindest basierend auf den Ergebnissen des neuen, dem HORIZONT exklusiv vorliegenden Lundquist-Reports. Die Studie „Webranking“ untersucht die Kommunikation europäischer Großunternehmen auf digitaler Ebene, wobei auch 28 heimische ATX-Unternehmen berücksichtigt wurden. Aber die gute Nachricht zuerst: In der Gesamtauswertung liegt Österreich knapp über dem europäischen Durchschnitt, nämlich mit 46,9 zu 45,1 Punkten, steht dennoch beispielsweise im Schatten von Nachbar Deutschland mit 48,1 Punkten. Auf insgesamt 50 Kriterien wurden die jeweiligen Websites abgeklopft. Das Webranking wurde schon zum 23. Mal international durchgeführt, Österreich ist mit der aktuellen Edition zum bereits 14. Mal dabei. Einen Score von 100 Punkten gilt es zu erreichen, maximal fünf Sterne werden vergeben. Aber weder mit fünf Sternen (80 bis 100 Punkte) noch mit vier Sternen (70 bis 80 Punkte) können sich die heimischen Betriebe schmücken. Drei Sterne wiederum erreichen gleich zwölf ATX-Unternehmen, allen voran die OMV Group, die Erste Group und Wienerberger.
Finanzkommunikation kritisch
Im Vergleich zeigen sich für einige Kriterien zwischen Österreich und Europa sehr ambivalente Ergebnisse, beispielsweise in der Website-Sektion „About us“. Der Report sieht hier besonders die OMV in einer Vorreiterrolle, die dort – nach einem Remodeling – umfassende Informationen bereitstelle. „Die OMV ist in einem technischen und komplexen Umfeld tätig und hat den Anspruch, unterschiedliche Zielgruppen möglichst effizient zu erreichen. Es ist uns wichtig, Inhalte zielgruppengerecht aufzubereiten und relevante Informationen einfach und verständlich zu vermitteln, zum Beispiel durch den Einsatz von Bildern und Videos“, heißt es vonseiten des Unternehmens auf HORIZONT-Anfrage. 2018 belegte die OMV mit 57,4 Punkten noch Platz fünf. Mit der neuen Spitze rückten die vormals erstplatzierte Erste Group und zweitplatzierte Wienerberger im Ranking um eine Position nach unten.
Ein besonderer Kritikpunkt des Lundquist-Reports ist die Finanzkommunikation beziehungsweise die „Investor Relations“ – dem Ranking nach zu urteilen indes kein österreichisches Problem allein. Während 61 Prozent der heimischen Betriebe zwar ihre Strategie offenlegten, präsentierten nur 27 Prozent auch ihre Resultate. Die entsprechenden Ergebnisse seien „hoch technologisch“ aufbereitet und würden daher nicht für den nötigen Austausch auf der Website sorgen. „Die Herausforderung der Finanzkommunikation liegt sicherlich darin, die umfangreichen Anforderungen abzudecken und gleichzeitig Fakten so aufzubereiten, dass der Leser nicht von der Vielzahl von Informationen ‚erschlagen‘ wird“, so Heimo Scheuch, Vorstandsvorsitzender der Wienerberger AG. Und das gelte auch für Investoren, die „keine Zeit“ hätten, viele Seiten zu lesen. „Klarheit, Transparenz und Guidance sind für Investoren wichtig, um die Treiber eines Unternehmens verstehen zu können. Eine glaubwürdige und informative Berichterstattung ist der Schlüssel zum Erfolg für Unternehmen und deren Reputation.“
In Sachen Finanzkommunikation hob Lundquist die Erste Group hervor, die auf ihrer Website besonders ihre Funding-Strategie transparent mache. Für die kommenden Jahre sieht Christian Hromatka, Pressesprecher der Erste Bank, jedoch in der „Verzahnung aller Kommunikationsmaßnahmen auf digitalen Kanälen“ die größte Herausforderung in der digitalen Kommunikation für Unternehmen. „Silodenken hat da keinen Platz, sondern hier muss man Grenzen und Abteilungen überwinden, um mit einer gesamtheitlichen Strategie Kommunikation aus Sicht des Empfängers übergreifend zu denken.“
Drei mal null Sterne
Dass 93 Prozent der österreichischen Unternehmen ihren Ansatz zu Nachhaltigkeit offenlegen, bezeichnet die Studie als „beeindruckend“ – dann aber veröffentlichen nur 29 Prozent auch handfeste Resultate dazu, was das Publikum gegebenenfalls an den Versprechungen zweifeln ließe. Ebenfalls überdurschnittlich im europäischen Vergleich zeigen sich österreischische Unternehmen bei der Veröffentlichung ihrer Programme für Forschung und Entwicklung (68 Prozent versus 34 Prozent) und bei der Präsentation ihrer Digitalisierungsstrategie (25 Prozent versus 18 Prozent).
Trotz allem haben Österreichs Unternehmen in ihrer digitalen Kommunikation im Vergleich zu 2019 einiges an Boden verloren, insgesamt einen Durchschnittsverlust von -4,8 Punkten. Der europäische Durchschnitt liegt bei einem Verlust von -2,1 Punkten. Auch die Erste Group und Wienerberger mussten im Vorjahresvergleich Punkte einbüßen, unabhängig von der neuen Spitze. Die Erste Group konnte bei der letzten Erhebung noch einen Score von 70,5 Punkten verzeichnen, Wienerberger zählte letztes Jahr noch 68,1 Punkte.
Die einzigen börsennotierten Unternehmen, die aus der Sicht von Lundquist die Grundanforderungen in der Digitalkommunikation nicht ausreichend erfüllen können, also keinen Stern erhalten haben, sind Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment (27,5 Punkte), Bawag (27,5 Punkte) und Marinomed Biotech (26,1 Punkte). Zumindest einen Stern erhielten RHI Magnesita, Valneva, Semperit und Amag.