Es gäbe immer weniger Räume für Politik und Wirtschaft, sich vertrauensvoll auszutauschen, beklagte ein hochkarätiges Panel von Netzwerkern und Managern bei den Österreichischen Medientagen 2019. Dadurch werde das Finden von Kompromissen immer schwieriger.
Früher war alles ein bisschen einfacher: Es gab klarere hierarchische Strukturen. Kirche, Wirtschaft, Arbeit - die Machtzentren wären klar verteilet. „Heute sieht die Welt ein wenig anders aus“, leitete der Sozialwissenschaftler und Philosoph Harald Katzmair, Geschäftsführer der FASresearch, sein Impulsreferat bei den Österreichischen Medientagen zum Thema „Macht, Kontrolle und Netzwerk“ ein. Traditionelle Autoritäten schwinden, die alt bekannten Seilschaften mit ihnen.
„Wir sind in einer Welt, in der wir uns ständig bewerten und alles aufzeichenen", sagte Katzmair. Jeder sei in seinem eigenen Kanal. „Wir spüren, dass wir es mit einem Fragmentierungsprozess zu tun haben“. Diese Fragmentierung findet auch bei unserer Aufmerksamkeit statt: Alle 40 Sekunden würde unsere Aufmerksamkeit unterbrochen. 2004, so Katzmair, wäre das noch alle drei Minuten gewesen. „Alle sagen, dass die Welt so kompliziert ist“, sagte Katzmair. Es gäbe jedoch einen Komplexitätsreduzierer: „Das ist Vertrauen.“
Suche nach einem neuen 'Wir'
In der digital immer fragmentierteren Welt werde es aber immer schwieriger einen Kompromiss zu schließen. "Es kommt zu einer Krise der Kultur des Kompromisses", so Katzmair. "Die Erosion traditioneller Macht sieht man auch in Östereich. " Die neue Macht sitze laut Katzmair „nur sehr eingeschränkt in Europa“. Um dem entgegenzuwirken „muss uns bewusst werden, dass es keine Alternative dazu gibt, als unsere Kräfte zusammenzuhalten. Damit meine ich das ganze Spektrum. Wir müssen an unserem neuen 'Wir' arbeiten.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde von fast allen Teilnehmern, allesamt fleißige Netzwerker, beklagt, dass es immer weniger Räume gibt, in denen man sich abseits vom Scheinwerferlicht vertrauensvoll austauschen kann.
"In Österreich wird weniger miteinander geredet"
Das sei jedoch wichtig, meinte Brigitte Ederer und erzählte von den legendären Sauschädelessen von Ex-Raika-General Christian Konrad: „ Wenn man dort war, hat man das Gefühl gehabt, das man miteinander reden kann. Das ist verloren gegangen. In Österreich wird weniger miteinander geredet.“
Der Netzwerker und Geschäftsmann Ali Rahimi glaubt zwar, dass es immer einen Platz der Begegnung geben wird, aber „heutzutage haben wir das Problem, dass der gesetzliche Rahmen es nicht erlaubt.“ Durch Compliance-Regeln wüsste man oft nicht mehr, was erlaubt sei, und was nicht. „Aber es wird weiter diese Plätze geben, die muss es geben“.
Neue Herausforderungen
Silvia Grünberger, Managing Partner bei der Kommunikationsagentur Rosam.Grünberger, sieht noch eine andere Herausforderung für die heutige Manager- und Politikergeneration: „Dass alles öffentlich beobachtet wird, macht vieles anders“. Die Tatsache, dass ständig beobachtet wird - sowohl in Wirtschaft als auch in Politik - , stelle viele vor ganz neue Herausforderungen.
Ein Plädoyer für Transparenz hielt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, wiewohl auch er die Notwendigkeit von Räumen für vertrauensvolle Gespräche einmahnte: „Letztlich wünschen wir uns einen Wettbewerb der Ideen und der muss transparent stattfinden.“ Aber es sei - wie das Katzmair auch anfangs ausführte - das Vertrauen zunehmend abhanden gekommen. „Wenn wir es aber nicht mehr schaffen, dieses Vertrauen aufzubauen, dann haben wir ein enormes Problem“
Für ein vertrauensvolles Setting plädierte auch Monika Racek von Admiral Casinos. Ihr Mutterkonzern, die Novomatic, ist in der jüngeren Vergangenheit öfter wegen ihrer Nähe zu Politikern in die Schlagzeilen geraten, Racek meinte aber: „Politische Netzwerke werden in meinem Bereich wirklich überschätzt.“ Sie wünschte sich vielmehr, dass ihre Branche mehr als Gesprächspartner herangezogen werde und beklagte einen Mangel an Kommunikation mit der Wirtschaft und den Stakeholdern.
Kritik an zahlreichen TV-Konfrontationen
Den Spieß umdrehen wollte zum Schluss schließlich Brigitte Ederer. Sie kritisierte einen bekannten Boulevardjournalisten, der ein enger Freund eines Poltikers war, der über die Ibiza-Affäre gestolpert ist. Der bekannte Journalist sei nach der Ibiza-Affäre zu einem anderen Medium gewechselt. „Wo war denn da die Transparenz der Medien?“, fragte Ederer.
Auch die zahlreichen TV-Konfrontation der vergangenen Wochen hielt Ederer für keine gute Idee: „Die Politik war falsch beraten, diese Schaukämpfe abzuhalten. Da gibt es den Druck, wer ist der Bessere. Da ist in den letzen vier Wochen viel kaputt gemacht worden“. Das so wichtige Vertrauen, würde dadurch nicht aufgebaut.