OÖ: Start-ups sprießen ob der Enns
 

OÖ: Start-ups sprießen ob der Enns

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Länderreport: Neben Wien hat sich Oberösterreich und insbesondere das kleine Pasching zu einem fruchtbaren Boden für junge IT-Firmen entwickelt - die FH Hagenberg ist eine wichtige Keimzelle für Gründer - wie auch anderswo fehlt es an Risikokapital

Während man in Wien noch darüber brütet, ob es nun schon ein Zentrum für mitteleuropäische Internet- und Tech-Start-ups geworden ist oder nicht, geschehen 180 Kilometer donauaufwärts spannende Dinge. Spätestens mit der Übernahme des Fitness-App-Anbieters Runtastic durch den deutschen Medi­enriesen Axel Springer (bei einer kolportierten Bewertung der 2009 gegründeten Firma von 40 bis 60 Millionen Euro) muss man Oberösterreich – oder eigentlich die 6.600-Seelen-Gemeinde Pasching – in Sachen Start-ups unbedingt auf dem Radar haben. Nicht nur, dass dort bereits mehr als 90 Mit­arbeiter immer neue Smartphone-Apps (zuletzt einen digitalen Trainer namens „Runtastic Six Pack“ für den Waschbrettbauch) entwerfen – rund um die aufstrebende Firma, die einmal eine Sportmarke wie Nike werden will, ist ein ­kleines Ökosystem anderer ­Start-ups entstanden.

So haben die Runtastic-Gründer rund um CEO Florian Gschwandtner etwa in Tractive investiert – ein Start-up, das sich auf Tracking-Geräte für Haustiere spezialisiert hat, mit denen man per Smartphone-App in Echtzeit mitverfolgen kann, wo die lieben Vierbeiner gerade so herumlaufen. Auch bei LineMetrics aus Haidershofen (NÖ) haben die Runtastic-Macher die Finger drin: Die B2B-Firma ist auf die Messung von Maschinen­leistung spezialisiert und analysiert für ihre Kunden in der Cloud etwa, wie man Stückzahlen optimieren kann.

Welle an neuen Ideen

„Die oberösterreichische Start-up- Szene ist neben der Wiener Szene eine der aktivsten in Österreich“, sagt Gerold Weiß vom Transferzentrum für Unternehmensgründung an der Fachhochschule Oberösterreich, der außerdem im Vorstand von Österreichs erstem hochschulübergreifendem Netzwerk für akademische Start-ups, akostart, sitzt. „Der Gründergeist wird im Land ob der Enns sehr groß geschrieben, es gibt sehr gute Ideen und sehr gute Start-ups, die daraus resultieren.“ Das Umfeld für Start-ups sei „nahezu ­perfekt“: Neben der FH OÖ (vor allem dem Forschungsstandort in Hagenberg) und akostart würden auch die Johannes Kepler Universität Linz, der Tech-Inkubator tech2b und natürlich die Wirtschaftskammer „Schulter an Schulter“ arbeiten, „um ein bestmögliches Umfeld und bestmög­liche Strukturen zu gestalten“.

So stolpert man über immer mehr smarte Ideen „made in Oberösterreich“: Pizzaspot will Werbung in ­Pizzakartons bringen, BistroBox baut Pizza-Automaten für Bahnhöfe, terminheld will die Online-Terminverwaltung revolutionieren, evntogram bietet ­einen Veranstaltungskalender als App an, mobile-pocket macht Kunden­karten digital, Pro 3 Games entwirft ­aufwendige Online-Spiele, Pixxers soll ein Online-Netzwerk für Fotografen werden, isiQiri arbeitet an Multitouch-Technologien. Und dann ist da noch Daniel Mattes, der 2009 seine Internettelefonie-Firma Jajah um 209 Millionen Dollar an den spanischen Telekom­konzern Telefónica verkaufte, deswegen manchmal „Bill Gates der Alpen“ genannt wird und jetzt mit seiner neuen Firma Jumio an einem neuen, sicheren Weg für Onlinezahlungen werkelt.

Keimzelle Hagenberg
Die etwa 100 Mitarbeiter, die für Mattes  an dem Bezahlsystem Netswipe arbeiten, kommen oft aus Hagenberg. „Die FH OÖ generell und insbesondere der Standort Hagenberg spielen bei dem verhältnismäßig hohen Anteil an Gründern eine wesentliche Rolle“, sagt Weiß. „Aber auch der Softwarepark selbst, der aus einer Kooperation zwischen der FH OÖ und der Johannes Kepler Univer­sität unter der Leitung von Bruno Buchberger entwickelt wurde, spielt eine große Rolle.“ Auch die Runtastic-Gründer haben ihre Millionenidee in Hagenberg geboren, und es wäre kaum verwunderlich, wenn die Fachhochschule weitere ­erfolgreiche Gründer hervorbringt.

Die nächste Station für viele Start-ups: tech2b. Der Inkubator für Hightech-Gründungen aus Linz, der natürlich auch Runtastic unterstützt hat, ­fördert die Start-ups mit öffentlichen Geldern aus der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Neben einer finanziellen Unterstützung (10.000 Euro Zuschuss plus 36.000 Euro Personalkosten) können sich junge Gründer auf das Mentorenprogramm stützen und sich etwa Rat bei Steuerberatern oder Patentanwälten holen. Eine dieser Firmen ist derzeit Inras, ein Spin-off der Johannes Kepler Universität Linz, das an neuartigen Radarsystemen für den Bergbau bastelt.

Vorbild Runtastic


Der internationale Erfolg von Runtastic (man kann 19 Millionen registrierte Nutzer vorweisen, die teilweise einen monatlichen Abo-Betrag für die Nutzung der Sportplattform zahlen ­beziehungsweise sich kostenpflichtige Apps leisten) wird voraussichtlich noch mehr junge Menschen zu einer „Alternativkarriere“ inspirieren. Weiß: „Natürlich hat dieser Verkauf Vorbild­wirkung auf alle Start-ups. Man konnte den Ruck schon sehr gut spüren, der durch die Start-up-Szene in Ober­österreich gegangen ist.“ Auch über die Szene hinaus hätte der Axel-Springer-Deal einen Impuls gegeben. „Ich denke jedoch, dass sich dieser Deal vor allem auf die Motivation der derzeit bestehenden Start-ups ausgewirkt hat, noch intensiver an der eigenen Idee zu arbeiten und an den Erfolg zu glauben“, sagt Weiß. „Generell ist das Thema Start-up dadurch wieder mehr in den Mittelpunkt einer gewissen Karrierealter­native gerückt. Vier sehr bodenständige Burschen aus Oberösterreich, die hier geblieben und nicht ins gelobte Land Silicon Valley ausgewandert sind, haben es durch Blut, Schweiß und harte Arbeit so weit geschafft, dass sie für große Konzerne eine gewichtige Rolle spielen.“

Kaum Risikokapital
Doch so erfolgreich man in Oberösterreich auch sein kann, es könnte leichter sein. Denn um den Sprung ins Ausland zu schaffen und weiterwachsen zu können, musste sich Runtastic Investments zuerst von Business Angels aus Wien wie Hans Hansmann und eben jetzt ­Kapital von Axel Springer holen. Vor Ort war Geld nicht zu finden. „Das einzige Defizit, das Oberösterreich hat, ist das Manko an privatem ­Investorenkapital“, sagt Weiß. „Aber das ist kein oberösterreichisches Spezi­fikum. Die Förderungen hierzulande sind sehr gut ausgeprägt, jedoch in Verfügbarkeit und Höhe unzureichend.“

Abwandern müsse man aus Oberösterreich aber trotzdem nicht. „Kapital ist ja per se keine Einbahnstraße, Runtastic zeigt es ja vor“, sagt Weiß. „Außerdem arbeitet die oberösterreichische Gründungsinfrastruktur sehr eng mit dem Austria Wirtschaftsservice und seinen Programmen (vor allem der i2-Börse) zusammen, sodass wir bemüht sind, eine Kultur und eine Community zu schaffen, die auch für private Inves­toren interessant ist, auch wenn diese ihren Sitz im Ausland haben sollten.“Somit wird es spannend zu sehen sein, ob der Runtastic-Deal auch mehr lokale Privatinvestoren inspiriert, ihr Geld in lokale Start-ups zu stecken, ­anstatt es anderswo anzulegen.



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