Online-Medien: Der lange Weg zum Geldverdiene...
 

Online-Medien: Der lange Weg zum Geldverdienen

sd one
styria-digital-one-Geschäftsführer Alexis Johann startet mit der Kleinen Zeitung den nächsten Anlauf in Richtung Paywall.
styria-digital-one-Geschäftsführer Alexis Johann startet mit der Kleinen Zeitung den nächsten Anlauf in Richtung Paywall.

Vom Launch der ersten Nachrichtenplattform bis hin zu neuen Gehversuchen bei Paid Content: Österreichs Onlinemedien haben bewegte Zeiten hinter sich und versuchen nun ein weiteres Mal, das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden.

Dieser Artikel erschien ebenso in der HORIZONT-Ausgabe 46/2016 vom 18. November. Hier geht's zum Abo.

Am 2. Februar 1995 wird ein Stück österreichische Internetgeschichte geschrieben: Der Standard wagt als erste deutschsprachige Tageszeitung den Schritt ins World Wide Web. "Unser Ziel war es damals, die Inhalte des Standard weltweit abrufbar zu machen", erinnert sich Verlagsleiterin Gerlinde Hinterleitner. Denn wer beispielsweise in Italien auf Urlaub war, der konnte dort zwar Krone und Kurier lesen, die Zeitung mit dem lachsrosa Papier war jedoch Mangelware. In den USA lebende Österreicher hatten zwar österreichische Magazine abonniert, bekamen diese aber oft erst eine Woche nach Erscheinungstermin zu Gesicht. "Vor allem Leser aus den USA haben uns damals geliebt, das Web war dort 1995 weiter verbreitet als hier", sagt Hinterleitner. Einmal pro Tag, immer abends, wurde die Website mit den Inhalten der Printausgabe aktualisiert - die US-Leser waren somit endlich auf dem gleichen Aktualitätsstand wie die Österreicher.

Das aus heutiger Sicht spartanische Design der Website stammte von einem gewissen Thomas J. Volgger - laut Hinterleitner damals einer der wenigen Menschen in Österreich, die HTML beherrschten. Heute gehört HTML zum Standardrepertoire eines jeden Onlinejournalisten.Spezielle personelle Ressourcen gab es 1995 noch keine: Zu dritt wechselten sich die Mitarbeiter mit der abendlichen Betreuung der Website ab - samstags gab es keine Updates, da für diesen Tag keine Dienstzeiten vorgesehen waren. Erst um das Jahr 2000 herum wurde der Webauftritt des Standard in seine jetzige Dimension umgebaut: Ressort und Strukturen werden aufgebaut, die Mitarbeiteranzahl steigt auf rund 60 Leute. 2016 arbeiten bis zu 140 Mitarbeiter am Onlineprodukt - inklusive Werbung, Verkauf und technische Entwicklung.

Die Geburtsstunde von orf.at

Freilich dauerte es nicht lange, bis auch andere Medien auf den Web-Zug aufsprangen. Im Jahr 1996 folgte Die Presse mit ihrem Onlineangebot, im April 1997 wagten das Nachrichtenmagazin profil und das Wirtschaftsmagazin trend den Sprung in die digitale Welt - wie der HORIZONT damals berichtet, handelte es sich bei den Webauftritten der Magazine um ein buntes Sammelsurium aus journalistischen Beiträgen, Umfragen und Diskussionsforen.Im August 1997 wird auch der Onlineaufritt orf.at von der Tochtergesellschaft ORF Online und Teletext GmbH & Co KG ins Leben gerufen; und die Aufholjagd des öffentlich-rechtlichen Angebots dauert nicht lange: Schon Ende der 1990er-Jahre avanciert orf.at zum Spitzenreiter der heimischen Onlineportale, auch nach den jüngsten ÖWA-Zahlen aus dem Oktober 2016 führt orf.at mit gut 66.360.454 Visits und 329.089.386 Seitenaufrufen das Österreich-Ranking an, nach willhaben.at und gmx.at folgen die publizistischen Portale krone.at mit 25.713.189 Visits und 102.445.422 Seitenaufrufen und derstandard.at mit 24.798.693 Visits und 96.363.919 Seitenaufrufen.

Der Siegeszug der Styrianer

Die erfolgreichste Onlinevermarktungsgemeinschaft ist die styria ­digital one - diese erlebte allerdings erst 2013 ihren Startschuss, als Zusammenschluss der Vermarktungseinheiten von Die Presse, Kleine Zeitung, WirtschaftsBlatt, der Magazin-Gruppe Styria Multi Media und styria interactive. "styria digital one wurde gegründet, um den Marktentwicklungen gerecht zu werden: große Reichweite, vielseitige Portale, Vereinfachung des Buchungsprozesses und Harmonisierung von Preislisten", sagt Alexis Johann, Geschäftsführer der styria digital one: Darauf aufbauend wird stets mit neuen Technologien experimentiert, Know-how aufgebaut und Trends wie Content Marketing und Native Advertising aufgegriffen. Schon rund ein halbes Jahr später, im Jänner 2014, steigt sd one zur größten digitalen Vermarktungsgemeinschaft Österreichs auf. Heute erreichen die Portale der sd one 70,3 Prozent aller Österreicher.

Die Krux mit der Gratismentalität

Auf den Pioniergedanken der ersten Jahre folgte jedoch bald eine schmerzhafte Ernüchterung, die nicht zuletzt durch das Platzen der Dotcom-Blase rund um die Jahrtausendwende getrieben wurde: Leser, so stellte sich bald die Erkenntnis ein, wandern zunehmend ins Web und werden dort ungewollt dazu erzogen, dass sie die Inhalte kostenlos konsumieren können. Auflagenzahlen sinken und die Jagd auf neue Erlösmodelle beginnt.

Anfänglich scheint Werbung noch eine gute Option zu sein - getrieben auch durch den Internetkonzern Google, der 1998 in Menlo Park, Kalifornien, gegründet wird und seit Dezember 2006 über eine eigene Österreichrepräsentanz verfügt. Über dessen "AdSense"-Programm bauen Websitebetreiber Code in ihre Websites ein, der basierend auf den Inhalten der Website und dem Surfverhalten der User die dazu passende Werbung ausspielen soll. Die Werbekunden inserieren bei Google selbst und kommen mit dem Verlag per se nicht in Kontakt. Gezahlt wird nur, wenn der User auf das Inserat klickt, die Erlöse werden zwischen dem Websitebetreiber und Google geteilt. Ähnliche Angebote gibt es auch von anderen Betreibern, darunter vom Onlinehändler Amazon. Der Kunde sieht dann nur noch jene Werbung, die für ihn relevant und interessant ist, so das Versprechen der Anbieter.

Doch der Leser möchte nicht mal die für ihn vermeintlich relevanten Anzeigen sehen und greift zu einer Softwarelösung, die schon bald zu einem der größten Feindbilder der Onlineverleger avancieren soll: Adblocker. Mitte 2015 heißt es, dass weltweit mehr als 200 Millionen Menschen jene Software verwenden, die Werbeanzeigen auf Websites schlichtweg unsichtbar macht - der Großteil davon in Europa (77 Millionen) und in den USA (48 Millionen). Laut einer Studie von Adobe und PageFair gehen dadurch alleine im Jahr 2015 weltweit 20 Milliarden Euro an Werbeumsätzen verloren. Im Jahr 2016 haben laut Daten des Reuters Institute for the Study of Journalism 26 Prozent aller österreichischen Internetnutzer einen AdBlocker installiert - Spitzenreiter in Europa ist Polen, wo 38 Prozent der Internetnutzer einen AdBlocker nutzen.

Diesen schlechten Nachrichten zum Trotz zeigen die harten Zahlen von Tomorrow Focus Media, dass die Entwicklung der Werbespendings in Österreich durchaus positiv ausfällt: Von mickrigen 36,8 Millionen Euro im Jahr 2006 stiegen sie auf 242,2 Millionen Euro im Jahr 2016. Trotzdem: Das Wachstum könnte erstens stärker sein - zweitens fließt ein guter Teil dieses Budgets nicht in die heimische Onlinemedienlandschaft, sondern an internationale Player wie Facebook und Google. Kein Wunder also, dass viele Onlinemedien ihre User derzeit im Zuge der "Fairness" bitten, ihre Adblocker zu deaktivieren - und sich parallel dazu nach neuen Werbeformen umsehen. Stichwort: Native Advertising und Sponsored Content.

Hinter der Mauer

Parallel zur Finanzierung durch Werbung starten Onlinemedien immer wieder Versuche, für ihre Inhalte im Web Geld zu verlangen: "Neuer Goldesel im Anmarsch: Websitebetreiber wollen Geld für ihr Inhalte" titelte der Horizont zum Beispiel im Jahr 2002: In den USA und Deutschland gab es in diesem Jahr bereits Portale, die für Onlineartikel Geld verlangten. Und auch österreichische Medien dachten zu diesem Zeitpunkt über eine Paywall nach.

Durchgesetzt wurde dieses Konzept nicht erst mit dem Launch des österreichischen Onlineablegers der Neuen Züricher Zeitung, NZZ.at, im Jahr 2014; auch das WirtschaftsBlatt startete bereits 2008 eine Paid-Content-Offensive, mit der internetaffine Entscheidungsträger als zahlende Webleser gewonnen werden sollten. "Unser Content ist für unsere Businesscommunity etwas wert", lautet der Schlachtruf des damaligen WirtschaftsBlatt-Chefs Hans ­Gasser. Aufgegangen ist diese Rechnung nicht: Im Jahr 2016 trägt die Styria die Marke WirtschaftsBlatt inklusive der Webadresse wirtschaftsblatt.at zu Grabe, stattdessen wird der Fokus auf die Wirtschaftsberichterstattung in der Presse und deren Onlineauftritt gelegt.

Das iPad als Hoffnungsträger

Ein weiterer Hoffnungsschimmer macht sich bemerkbar, als Apple im Sommer 2010 das iPad veröffentlicht. Schon bald drängen weitere Tablet-PCs von Konkurrenzherstellern auf den Markt, und Publisher wittern ihre große Chance darin, den ­Lesern E-Paper kostenpflichtig auf ihre digitalen Schiefertafeln zu spielen. So stellt Apple im Jahr 2011 seinen "Newsstand" vor - eine Plattform auf dem iPad, über die Nutzer digitale Ausgaben diverser Zeitungen und Magazine kostenpflichtig erwerben können. Die APA startet kurz darauf eine österreichische Initiative: Das "Austria-Kiosk", bei dem E-Paper österreichischer Medien erworben und sowohl auf dem Destop- als auch auf dem Tablet-PC gelesen werden können.

Weitere Lösungsansätze, auch von Start-ups, folgen in den kommenden Jahren - so etwa read.it im Jahr 2016, das als eine Art "Spotify für Medien" auftritt: Der Nutzer zahlt einen monatlichen Fixbetrag und kann dafür etliche unterschiedliche Magazine auf seinem Tablet-PC lesen. Indes haben auch die Medien selbst das Vorhaben noch nicht aufgegeben, Inhalte auf ihren eigenen Websites zu verkaufen.

So führt die styria digital one im November 2016 ein Bezahl­modell für die Kleine Zeitung ein: "Die Grundversorgung mit Nachrichten bleibt auf der Website weiterhin frei zugänglich und kostenlos", sagt Johann dazu: Das kostenpflichtige Angebot namens "Kleine Zeitung +" bietet für Abonnenten vertiefende oder exklusive Inhalte auf der Website, sowie Zugang zum E-Paper und der Smartphone-App. Laut Johann haben sich in der ersten Phase bereits 70.000 Personen registriert, um die neuen Angebote im Rahmen eines kostenlosen Testzeitraums zu nutzen.
stats