In einem Kopf-an-Kopf-Rennen kämpfen die Nachrichtenangebote um die Spitzenplätze. krone.at und derstandard.at liefern sich ein besonders knappes Match. HORIZONT hat sich für Sie intensiv mit den Ergebnissen der ÖWA Plus auseinandergesetzt.
Bei standard.at (30,6 Prozent Reichweite) zeigte man sich wenig überrascht: „Es ist ehrlich gesagt eher ein Wunder, dass unser Qualitätsmedium erst jetzt von einem Boulevardmedium überholt wird,“ sagte Standard-Geschäftsführer Alexander Mitteräcker noch im April. In der ÖWA Plus 2016-I lag krone.at dann bei 31,8 Prozent, derstandard.at bei 31,3 Prozent. Jetzt wurden die Positionen wieder getauscht: Das Qualitätsmedium hat den Boulevard überholt.
‚Standard‘ ohne ‚Bocksprünge‘ Der standard.at kehrt mit 32,4 Prozent Reichweite im Monat auf seinen altvertrauten Platz zurück. „Das ist unser Lohn für die kontinuierliche Arbeit, die wir leisten, wir machen keine Bocksprünge,“ sagt Gerlinde Hinterleitner, Verlagsleitung und zuständig für den User Generated Content bei standard.at, zu den neusten ÖWAZahlen. derstandard.at wurde bereits 1995 als nach eigenen Angaben erster Webauftritt einer Zeitung im deutschsprachigen Raum gegründet und hat damit einen Startvorteil auf dem heimischen Markt.
„Wir freuen uns jetzt in erster Linie darüber, dass wir die 2-Millionen-Grenze geknackt haben“, ergänzt sie und spricht damit die Unique User an, die durchschnittlich pro Monat die Seite besuchen. Der Erfolg des Nachrichtenportals geht weiter, seit der Messung im zweiten Quartal 2015 sind die Zugriffe der Seite um 3,2 Prozent gestiegen.
Dass krone.at nun wieder überholt wurde, sieht Hinterleitner natürlich als Bestätigung: „Unsere Stärke ist, neben der breiten und aktiven Community, die gute und umfangreiche redaktionelle Berichterstattung,“ erläutert sie und ergänzt weiter, „gerade im zweiten Quartal der ÖWA-Messung waren wir sehr gut in solchen tiefergehenden Themen, wie beispielsweise der Berichterstattung zur Bundespräsidentenwahl, hier ist der Boulevard weniger stark.“
Bei der Krone sieht man genau in diesem Feld definitiv keine Schwäche, sondern viel mehr eine Stärke: „Eine zentrale Säule unseres Erfolgs ist die redaktionelle Arbeit. In den vergangen zwei Jahren konnten wir neue inhaltliche Akzente setzen, was sich in den aktuellen Zahlen niederschlägt“, so Michael Eder, Geschäftsführung Krone Multimedia.
In jüngster Vergangenheit hatte man im Rahmen der Digitalstrategie verstärkt auf Videocontent im Sport-, Nachrichten-, Society- und Regionalsegment gesetzt. Außerdem launchte der Medienkonzern neue Portale wie sportkrone.at und City4U. Die Reichweitensteigerung in den letzten Jahren spricht für sich. Vom zweiten Quartal 2015 bis jetzt stieg die Reichweite von krone. at um sechs Prozentpunkte.
Nachrichten und willhaben.at Die ÖWA-Erhebung zeigt, dass Nachrichtenkonsum zu den Top Nutzungsschwerpunkten im Internet zählt. Auf dem ersten Platz liegt mit 93 Prozent die Nutzung von Suchmaschinen, gefolgt von E-Mail senden und empfangen, Wetter und der zielgerichteten Suche von Angeboten. 75,7 Prozent der Befragten nutzen das Internet für Nachrichten und Politik.
Social-Networking-Seiten lagen bei vergleichsweise geringen 52,1 Prozent. Die ÖWA Plus misst im Unterschied zur ÖWA Basic nicht die Unique Clients, sondern Unique User – per technischer Messung sowie Online- und Telefonbefragung wird errechnet, wie viele echte Personen ein in der ÖWA vertretenes Webangebot besucht haben.
Im zweiten Quartal 2016 wurden Reichweiten- und Strukturdaten für 63 Teilnehmer mit 130 Onlineangeboten, sowie sechs Vermarktungsgemeinschaften und 1.379 buchbare Belegungseinheiten ausgewiesen. Neben den Nachrichtenportalen orf.at, derstandard.at, krone.at gefolgt von oe24.at, mischt hier auch regelmäßig willhaben.at mit. Das Kleinanzeigenportal welches zu 50 Prozent im Besitz der Styria ist, legte auch dieses Mal mit einem Plus von 7,1 Prozentpunkten zum Vorjahreszeitraum ordentlich zu und positioniert sich zwischen den großen Newsseiten orf. at und derstandard.at auf Platz zwei.
Schnelle Technik als Erfolgsfaktor Im Kampf um den User zeigen sich durchaus Gemeinsamkeiten der inhaltlich recht verschiedenen Medienangebote. krone.at-Geschäftsführer Eder unterteilt die digitale Erfolgsstrategie seiner Plattform in drei Säulen. Neben der redaktionellen Arbeit und einem verstärkten Sales-Team, setzt er auch einen Schwerpunkt bei der IT-Abteilung. „Die Redaktion braucht die richtigen Werkzeuge, um einfach und vor allem schnell multi
medial angereicherte Artikel zu publizieren“, so der Geschäftsführer, „daher arbeiten wir unter anderem intensiv an unserem neuen Redaktionssystem.“ News in Echtzeit und möglichst schnell aktuell vor Ort zu sein, ist auch für derstandard.at von zentraler Bedeutung.
„Wir halten unsere User indem wir das, was wir versprechen, einhalten“, so Hinterleitner – und dazu gehöre auch zeitnaher Qualitätsjournalismus. Dieser muss auch technisch möglich sein. Die Onlinegemeinschaft ist für derstandard.at schon lange ein wichtiger Erfolgsfaktor. „Wir wollen die Community tatsächlich betreuen und nicht einfach nur ein Kommentarfeld zur Verfügung stellen,“ erklärt Hinterleitner die Herangehensweise der Nachrichtenseite.
Mobiler Zuwachs Bereits 70,1 Prozent der User nutzen das Internet mobil, während nur noch 29,9 Prozent auf das Internet ausnahmslos mit stationären Endgeräten zugreifen. Bei derstandard. at erfolgen 17,7 Prozent der Zugriffe über ein Mobilgerät, bei krone.at 15,9 Prozent. Bei beiden ist die mobile Nutzung seit dem Vorjahr gestiegen. Den Verantwortlichen der Portale ist dabei bewusst, wie wichtig diese Form der Usability ist, und dass man damit alte und neue User anziehen kann.
Marktplatz für Aufmerksamkeit Der Standard begann 2014 WhatsApp zu verwenden und war damit eines der ersten Medien Österreichs, das den Messaging-Dienst als Nachrichtenservice nutzte. „Bei WhatsApp haben wir viele neue User gewonnen, die vorher sicher nicht bei uns waren,“ so Hinterleitner. Dem User werden Top-News direkt auf sein Smartphone geliefert. Dies ist eine einfache Art, um auf der Website Traffic zu generieren.
Der Standard war auch was Snapchat angeht vorne mit dabei und ist seit Juni 2016 mit einem Account auf der App vertreten. Für Hinterleitner war dies nur eine logische Ergänzung, nachdem derstandard.at bereits zuvor auf Facebook, Twitter, Instagram und Google+ aktiv war. „Soziale Netzweke sind für uns ein Marktplatz für Aufmerksamkeit“, betont sie.
Social Networks sind ein wichtiger Wachstumsfaktor für Nachrichtenwebsites. Allen voran Facebook. Dem Vernehmen nach bezieht die Nachrichtenseite krone.at bereits ein Fünftel der Zugriffe über das Social Network. Insofern haben sich die Anstrengungen in Sachen SocialMedia-Arbeit, die man vor allem im letzten Jahr deutlich spüren konnte, ausgezahlt. „Diese sind ein wesentlicher Faktor unseres anhaltenden Erfolges. Unser Social-Media-Team experimentiert auch laufend mit neuen Plattformen und Erzählweisen,“ so Eder.
Auf die User zugehen Stellt man die Frage, wie neue User generiert werden und wie die bestehenden Nutzer der Seite treu bleiben, wird deutlich, dass eine proaktive Kommunikation – hierzu zählt auch die Verbreitung von Inhalten über soziale Netzwerke – ein Schlüsselfaktor ist. „Es gibt sehr viele Onlinekanäle zur Auswahl, deshalb dürfen wir nicht warten, dass die Internetnutzer zu uns kommen, wir müssen auf sie zugehen“, betont Hinterleitner.
Hierzu zählen einerseits technische Neuerungen – wie vermehrte Verwendung anderer Formate, wie beispielsweise Bewegtbild – aber vor allem ist es wichtig, Neues zu wagen und zu experimentieren, um weiter an der Spitze zu bleiben. Bei der Krone spielt noch ein weiterer Faktor eine Rolle: Regionalisierung. krone.at möchte Nachrichten aus dem unmittelbaren Lebensumfeld bieten und damit Leser binden.
„Wir sind in der glücklichen Lage, in jedem Bundesland eine eigene Redaktion zu haben,“ erzählt Eder, „in Zusammenarbeit mit den dort ansässigen Kollegen arbeiten wir intensiv am weiteren Ausbau.“ Der Kampf zwischen Boulevard und Qualität ist und bleibt ein Kopfan-Kopf-Rennen. Auch wenn sie sich inhaltlich stark voneinander ab grenzen, sind die digitalen Strategien recht ähnlich. Beim nächsten Quartals-Sprint wird der Sieg wohl wieder haarscharf.