Österreich: IT-Branche hat Aufholbedarf
 

Österreich: IT-Branche hat Aufholbedarf

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Zwar hatten Vertreter aus Politik und Wirtschaft unterschiedlichste Meinungen zu den Auswirkungen der Digitalisierung, waren sich im Rahmen des 2. Konvents der Internetoffensive Österreich aber zumindest in einem einig: Österreich muss mehr in dem Bereich investieren, um nicht den Anschluss zu verlieren

"Wir waren einst das mobile Powerhouse Europas, heute sind wir höchstens ein Kleinkraftwerk." Dieser Satz von A1-Chef Hannes Ametsreiter im Rahmen des 2. Konvents der “Internetoffensive Österreich” am Freitag bringt die Stimmung von Politik und Wirtschaft in Sachen Internet ganz gut auf den Punkt. Zwar klopfte sich die Branche gegenseitig auf die Schulter, vor allem aber waren kritische Stimmen zu hören. Aktuell liegt Österreich im Digitalisierungs-Ranking, das jährlich von der internationalen Strategieberatung Booz & Company erhoben wird, weiterhin auf Platz 19 - weit abgeschlagen hinter Ländern wie der Schweiz, Finnland, Norwegen oder den Niederlanden. Weil Informations- und Telekommunikationstechnologie aber mit 9 Prozent des BIP ein wichtigerer Wirtschaftsfaktor als der Toursmus ist und der Sektor pro Jahr Wachstumsraten von 30 Prozent vorweisen kann, will die Internetoffensive die Branche vorantreiben.

"Unter die Top 5"

Rudolf Kemler, ÖIAG-Präsident und Präsident der Internetoffensive Österreich, will Österreich in den Top Fünf sehen, Hans-Jürgen Pollirer von der WKÖ fordert deswegen eine zentrale Zuständigkeit in Sachen IKT auf Regierungsebene nach den Wahlen 2013 - quasi einen eigenen Internet-Minister. Heute verteilen sich IKT-Themen auf verschiedene Ministerien (z.B. Mobilfunk -> Infrastruktur, Leistungsschutzrecht -> Justiz, etc.). Laut Pollirer hätte die Internetoffensive bereits Erfolge (z.B. das Open-Data-Portal, die Breitband-Strategie 2020 oder die Cyber-Security-Strategie) vorzuweisen, es müsse aber noch mehr getan werden - etwa, heimische KMU auf das Thema Sicherheit zu sensibilisieren.

110 Mio. Euro für Jungunternehmer

Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) stimmte in den zwiegespaltenen Tenor ein. Einerseits hätte man mit der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) ein "entscheidendes, gutes Projekt" umgesetzt, andererseits "müssen wir in Sachen Cyber-Sicherheit stärker rangehen", so Spindelegger. Auch beim Breitband-Ausbau sieht der Vizekanzler Defizite, das müsse schneller vorangehen. Spindelegger wies auch darauf hin, dass man mit dem 110 Mio. schweren Jungunternehmer-Fonds Akzente in der Wirtschaft setzen wolle. Und weiter: "Ich mache mir Sorgen, dass Kinder und Jugendliche, was die Frage Missbrauch angeht, nicht gut vorbereitet sind. In der Schule müssen Kinder viel besser auf die Folgen des Missbrauchs dieser neuen Medien informiert werden." Schulen müssten sich dem Thema stärker widmen.

250 Mio. Euro für IKT-Bereich

Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) lobte in Vertretung von Bundeskanzler Werner Faymann die Führungsposition Österreichs in Sachen E-Goverment (dem "Verkürzungsprogramm für Warteschlangen"): Help.gv.at hätte mehr als eine Million Zugriffe pro Monat, 3,1 Mio. würden Finanz Online nutzen, und bald soll man auch online gründen können.

Ostermayer sieht Problemfelder vor allem bei der Jugend: Ihre Medienkompetenz müsse gestärkt werden, und auch die Gefahr der Jugendarbeitslosigkeit (Stichwort Fachkräftemangel) müsse durch bessere Ausbildungsmöglichkeiten für KT-Jobs gedämmt werden.

Er bestätigte auch, dass 250 Mio. Euro aus den Erlösen der Frequenzversteigerung im Herbst weiterhin für den IKT-Bereich vorgesehen sind, weitere 276 Mio. Euro würden in die Wohnbauförderung fließen. "Wir wollen nicht die Breitband-Offensive mit dem Konjunkturpaket konterkarieren", so Ostermayer.

10.000 neue IT-Arbeitsplätze

Nur teilweise zufrieden mit den Maßnahmen der Politik zeigten sich die Mobilfunker. "Die Taten der Politik waren stark geprägt durch Steine in den Weg legen und Abkassieren", sagte Drei-Chef Jan Trionow und verwies auf die verpflichtenden Papierrechnungen und die Mobilfunkauktion der LTE-Frequenzen, die “als Erlösquelle konzipiert” worden sei. Auch sein Kollege, A1-Chef Hannes Ametsreiter, sieht sich von der Poltik behindert - etwa beim Thema Roaming, wo durch immer neue Regulierungen Millioneninvestitionen verloren gegangen wären. "Nur Europa schrumpft im Mobilfunkbereich, die Regulation drückt Umsätze nach nach unten", sagte Ametsreiter mit verwies auf wachsende Umsätze bei Netzbetreibern in den USA und Asien.

Georg Serentschy von der Regulierungsbehörde RTR stellte schließlich in Aussicht, dass man durch eine neue Digital-Strategie den Offliner-Anteil in Österreich bis 2016 unter 8 Prozent drücken könne und bis dahin auch 100 neue Start-ups aus dem IKT-Bereich sowie 10.000 neue Arbeitsplätze in der Branche schaffen könne.

45 Mio. Euro für Business Angels

Nikolaus Futter von der Compass-Gruppe und im Vorstand der "Internetoffensive Österreich" sagte bezüglich Start-ups: "Österreich hat eine lebendige Förderlandschaft, aber es fehlt, um aus einem Start-up ein lebensfähiges Unternehmen zu machen." Deswegen sei die Jungunternehmer-Offensive mit einem 65 Mio. Euro dotierten Gründer-Fonds sowie ein eigener Business-Angel-Fonds von 45 Mio. Euro sehr wichtig, um Wachstum zu ermöglichen.

Er fordert außerdem steuerliche Incentives, geringere Kapitalerfordernis, geringere Spesen, Freibeträge für Re-Investments und steuerlich begünstigte Optionsprogramme für Mitarbeiter, um jungen IT-Firmen finanzielle Entlastungen zu bieten. Und: Futter sieht sieht Wien in einem Match mit Berlin um die Position des führenden Start-up-Hub in Kontinentaleuropa.



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