Erste Reaktionen aus der Schweizer Medienwelt auf den Launch von NZZ.at
Während
NZZ.at gerade das Licht der Medienwelt erblickte, feierte Hansi Voigt, Mitgründer, Geschäftsführer und Chefredakteur, bereits den ersten Geburtstag von watson, einem Schweizer Newsportal, das frischen Wind in die Branche brachte. Voigt zeigt sich von NZZ.at optisch angetan: „Sehr schön und ruhig.“ Man spüre deutlich das amerikanische Online-Vorbild Quartz. Langfristig müsse der digitale Nachbar noch am passenden österreichischen Nachrichtenmix arbeiten. Fraglich sei auch, ob die Bezahlschranke nicht mehr verbaue, als sie bringe. Die Hürde schließe von vornherein viele aus. Die Konkurrenz biete solchen Content bis jetzt meist umsonst an. Grundsätzlich sieht Voigt für solch ein Projekt zwar noch viel Platz am österreichischen Markt, allerdings sieht er im konkreten Fall die zwei Seiten der Traditionsmarke Neue Zürcher Zeitung: „Eine Marke ist toll, aber sie verpflichtet auch.“ Eine solche Brand erschwere das Ausprobieren, das Fehlermachen, schnelle und unbekümmerte Entwicklung. Damit kämpfe watson nicht.
Während in Österreich Veit Dengler, CEO der NZZ-Mediengruppe, den Online-Auftritt NZZ.at als „zarte Pflanze“ bezeichnete, reagierte in der Schweiz Hauptkonkurrent Tagesanzeiger auf das neue Angebot. Im Medienblog „Off the Record“ wurde der Online-Auftritt einem ersten Check unterzogen, der als „spannendes Experiment“ beurteilt wird, das inhaltlich noch aufholen könnte. Auch der Wien-Korrespondent des Tagesanzeigers, Bernhard Odehnal, sieht Aufholbedarf. Nach der recht langen Vorbereitungszeit, falle das erste Ergebnis noch etwas „mau“ aus und überrasche wenig, was wohl auf die Berechenbarkeit seiner Macher zurückzuführen sei. Dass die NZZ jedoch überhaupt Geld investiere, hält er für ein „sehr gutes Zeichen“. In der Schweiz werde vor allem die unternehmerische Strategie der NZZ wahrgenommen.
Auch Alexandra Stark, Journalistin und Studiengangsleiterin an der Schweizer Journalistenschule MAZ, blickt interessiert auf den neuen und „spannenden“ Online-Auftritt NZZ.at. Dieser werde als österreichisches Medium registriert, dessen Laborcharakter für die aufholbedürftige Medienbranche wichtige Hinweise liefern könne. Bis jetzt funktionierten Online-Ableger von Zeitungen nach Zeitungslogik, NZZ.at sei eigenständig: „Da wird digital gedacht.“ Und sie fügt hinzu: „Wir müssen unsere Inhalte an die Spielregeln der digitalen Welt anpassen, ohne dabei unsere publizistischen Anliegen zu verraten.“
Philipp Cueni, Chefredakteur des Schweizer Medienmagazins Edito+Klartext, registrierte wenige Schweizer Reaktionen zum NZZ.at-Auftritt. Den Auftritt selbst beurteilt er als „schön und ruhig“, NZZ.at vermittle Eigenständigkeit, sei „kein Abklatsch“ von NZZ.ch. Gut sei der schnelle Überblick, die Themendossiers, mühevoller hingegen beurteilt er das Suchen innerhalb der Grobstruktur und die klare Unterscheidung von Club und Phänomen. Die Bezahlschranke schließlich sieht Cueni „transparent und fair formuliert“.
Dieser Artikel erschien bereits am 30. Jänner 2015 in der HORIZONT-Printausgabe 5/2015. Hier geht’s zur Abo-Bestellung.[Antje Plaikner]