Magazine wollen weg vom ePaper
 

Magazine wollen weg vom ePaper

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Der erwartete Erfolg von digitalen Zeitschriften auf Computer-Tablets hat sich in Österreich nicht eingestellt. Vier Jahre nach dem iPad-Launch bleiben mobile Geräte aber Hoffnungsträger der Branche - noch fehlt aber das Interesse der Werber

„Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet.“ Mit dem iPad, schwärmte Axel-Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner bei seiner Vorstellung 2010, damit habe Apple der kränkelnden Medienwelt einen ganz großen Gefallen getan. „Das iPad startet eine neue Ära“, sagte Döpfner damals. Das Gerät liefere alles, worauf er bisher gewartet habe: „Es visualisiert Inhalte in einer sehr emotionalen Weise. Es ist einfach zu bedienen, der Verkaufspreis ist für den Massenmarkt gemacht und es hat ein bereits eingebautes Pay-Modell.“

"Datum" und "Red Bulletin" gehörten zu den ersten, die in Österreich sehr ansehnliche Tablet-Magazine brachten, Letztere mit starken Bildern und viel Multimedia. Heute, etwas mehr als vier Jahre später, ist von der einstigen Tablet-Euphorie jedoch nicht viel übrig ge­blieben. Träumte man beim Launch des Apfel-Tablets von multimedialen Magazinen mit interaktiver 3D-Werbung, sieht die Realität heute anders aus. Sogenannte E-Papers, also im Wesentlichen die PDF-Versionen von Printtitel, beherrschen die App-Stores von Apple und Google.

Mobile bleibt trotzdem Hoffnungsträger

„Nach der ersten Welle der Euphorie haben wir wirklich interessante Experimente im Magazinbereich gesehen. 'Sports Illustrated' oder 'Wired' haben großartige Produkte gebracht, die den technischen Stand der Dinge in einer wirklich atemberaubenden Art und Weise abgebildet haben“, sagt Andreas Eisendle, Geschäftsführer der Bundesländerinnen (Moser Holding). „Nur stellte sich heraus, dass technisch Machbares nicht immer nutzerfreundlich ist und vor allem Mehrwehrt für Leser erzeugt. Der Trend geht daher wieder in die andere Richtung: Bild und Text werden zu großartigem Storytelling verbunden, oft auch unter bewusstem Verzicht auf überbordende Interaktivität.“ Auch Claudia Volak, Verlagsleitung des auto-touring-Verlags, meint: „Es gibt wenig erfolgreiche Umsetzungen für Tablets und mobile Geräte, aber einige vielversprechende Ansätze.  Wir glauben, dass ein Produkt für digitale Endgeräte ganz neu gedacht werden muss, das heißt journalistisch, die Art der Informationsaufbereitung aber auch technische Umsetzung müssen zu einem neuen digitalen Lese- und Erfahrungserlebnis werden.“

Trotz einiger Ernüchterung will die Branche das Tablet-Geschäft im Besonderen und das Mobile-Geschäft im Allgemeinen aber nicht abschreiben. „Das Abenteuer Tablet fängt gerade erst an“, sagt Malte von Trotha, CFO der Styria Media Group und Ressort­vorstand für die Magazingruppe Styria Multi Media. „Wichtiger ist aber, dass sich das eigentliche Abenteuer, nämlich das ‚Abenteuer Medien‘, mit dem Smartphone noch vergrößert hat. Print wird weiterhin – aufgrund seiner Stärke – eine große Bedeutung haben.“ Dass von Trotha gerade im Smartphone-Bereich großes Potenzial sieht, hat übrigens seinen Grund: Die letzten Apple-Finanzzahlen zeigten, dass im zweiten Quartal 2014 um 16 Prozent weniger iPads als im Vergleichszeitraum 2013 verkauft wurden, während das iPhone weiter boomt. Allerdings wachsen die Absätze von Android-Tablets, die Hersteller wie Samsung oder Medion teilweise sehr günstig auf den Markt werfen.

Verlage lassen sich nicht in die Karten schauen

Wie gut oder schlecht es digitalen Magazinen in Österreich nun geht, ist derzeit aber auf Zahlenbasis nicht zu erfahren. Weder die am Magazinmarkt führende Verlagsgruppe News (profil, News, Format und viele mehr) unter ­ihrem neuen Geschäftsführer Horst Pirker noch die Styria (Sportmagazin, Motorradmagazin, Wiener, Wienerin und viele mehr) oder andere Verlage wollten oder konnten konkrete Kennzahlen zu Nutzern und Aboumsätzen und Werbeeinnahmen ihrer digitalen Magazine nennen. Bei der Styria befindet sich das digitale Magazingeschäft noch in der „Entwicklungs- und Aufbauphase“ (von Trotha), bei den ÖAMTC-Medien liege man „in allen Bereichen unter den Erwartungen“ (Volak). Auch Media-Analyse (MA) oder die Österreichische Auflagenkontrolle (ÖAK) erheben nicht, wie viele Österreicher zu ­digitalen Magazinen greifen.

Beim großen Nachbarn Deutschland erhebt die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) immerhin bei einigen Wochen- und Monatsmagazinen auch die verkauften E-Paper-Ausgaben (nicht zu verwechseln mit den nicht öffentlichen Paid-Content-Zahlen, die auch Abos von Premium-Apps, In-App-Käufe et cetera beinhalten können). Hier jedenfalls ist Der Spiegel mit fast 47.000 verkauften E-Papern (immerhin 5,4 Prozent der verkauften Auflage) mit Abstand führend. Bei anderen Magazinen wie Focus (0,5 Prozent), Cosmopolitan (0,5 Prozent), GQ (1,3 Prozent), Auto Bild (0,4 Prozent) oder Vogue (0,9 Prozent) dümpeln die E-Paper-Verkäufe im ganz niedrigen vierstelligen Bereich dahin. Einzig das Apple-Fachmagazin Mac Life, das mit seinen Inhalten sehr nah an der Zielgruppe iPad dran ist, schafft 8,1 Prozent.

Schwaches Anzeigengeschäft

Dass die Branche ob der ernüchternden Zahlen nun an die Post-Tablet-Ära denkt und wieder rein aufs Print-Geschäft fokussiert, wäre aber auch die falsche Schlussfolgerung. Nach wie vor wittert man Potenzial für digitale Magazine. „Die Zahlungsbereitschaft von mobilen Usern ist grundsätzlich höher als von Usern im stationären Internet. Dies ist eine positive Entwicklung, die wir aber nur dann nützen können, wenn die Kunden für diese Zahlung auch einen wahrnehmbaren Wert erhalten“, sagt etwa von Trotha von der Styria. „Die Zahlungswilligkeit von Menschen ist vorhanden“, meint auch Eisendle von den Bundesländerinnen. „Sie sind bereit, für einen Espresso mehr zu bezahlen als für eine 40-seitige Zeitung. Und das jeden Tag. Die He­rausforderung, die sich uns stellt, ist nicht die Form, Technik oder Ausge­klügeltheit unserer Verkaufsmodelle. Die Herausforderung lautet nach wie vor, Produkte zu kreieren, die unseren Nutzern ‚schmecken‘ und nach denen ihnen täglich der Sinn steht.“ Dass es Bedarf an der passenden Software gibt, mit der man schmackhafte Digitalmagazine einfach erstellen kann, hat etwa das Wiener Start-up alice interactive erkannt und erst diese Woche frisches Kapital im sechsstelligen Bereich von den Medien-Managern Michael und Gabriel Grabner sowie den Gründern der international erfolgreichen Fitness-App-Schmiede Runtastic erhalten.

Um die Digitalmagazine aus der E-Paper-Ecke zu holen, sieht die Branche aber vor allem am Werbemarkt großen Aufholbedarf. „Statt vielen mit Gimmicks ausgestatteten digitalen Magazinen finden sich vermehrt wieder blätterbare PDFs in den App Stores. Die Werbewirtschaft hat hier leider sehr verhalten reagiert“, sagt Christian ­Lengauer, Geschäftsführer des Weekend Magazins. „Alle Stückerl spielende E-Magazine sind sehr aufwendig in der Produktion und damit sehr kosten­intensiv. Die Werbewirtschaft ist hier nicht auf den Zug aufgesprungen, und daher zahlt es sich nicht aus, digitale Magazine mit allen technischen Spielereien zu produzieren. Blätterbare PDFs sind wieder angesagt.“ Dabei hätte gerade diese Form der Werbung – etwa eine interaktive Anzeige für ein neues Auto, in der der Leser per Touch-Befehl die Farbe ändern kann – sehr hohen Nutzen für den User. „Solange die Werbewirtschaft aber nicht bereit ist, solch innovative Werbeformen zu unterstützen, sprich für die Umsetzung zu zahlen, werden wir leider nur wieder in PDFs blättern dürfen“, sagt Lengauer. „Es gibt aus meiner Sicht kein eigenes Geschäft für digitale Magazine.“

Werber sind weiter zurückhaltend

„Offenbar ist die Branche noch nicht kreativ und umsetzungsstark genug. Beispiele aus anderen Ländern wie etwa Norwegen zeigen, dass es hier viel Potenzial gibt und die User anscheinend gerne über neue Formen der Werbung, etwa in Form von Gami­fication, angesprochen werden beziehungsweise darauf reagieren“, zeigt sich Styria-Finanzchef von Trotha etwas positiver. „Die Styria beschäftigt sich derzeit jedenfalls intensiv mit diesem Themenkomplex. Als führender Mobile-Vermarkter wollen wir Zeichen für unsere Anzeigenkunden und User setzen.“ Auch Volak vom auto touring- Verlag hofft auf ein Umdenken bei den Werbern: „Noch sind weder die Kunden noch die Agenturen auf den Zug aufgesprungen. Unserer Meinung nach führt kein Weg an aufmerksamkeitsstarker, segmentierter und interaktiver Werbung vorbei.“

Dass man den Lesern mittelfristig mehr bieten muss als die erwähnten „blätterbaren PDFs“, ist für Patricio Hetfleisch, dem Geschäftsführer der Moser-Holding-Tochter New Media Online GmbH, klar: „E-Paper sind Transit-Produkte, die dem Leser im digitalen Wandel die digitale Nutzung unserer Angebote erleichtern. Doch irgendwann wird dies zu wenig sein, weil es eine Lernkurve gibt, die zunehmend auch beim älteren Publikum sichtbar wird. Gerade am iPad ist das Durchschnittsalter unsere Leser überraschend hoch.“

Dieser Artikel erschien bereits am 20. Juni in der HORIZONT-Printausgabe 25/2014. Hier geht's zur Abo-Bestellung.



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