Liken heißt weder mögen noch wählen
 

Liken heißt weder mögen noch wählen

Pete Souza
President Barack Obama is photographed during a presidential portrait sitting for an official photo in the Oval Office, Dec. 6, 2012. (Official White House Photo by Pete Souza)
President Barack Obama is photographed during a presidential portrait sitting for an official photo in the Oval Office, Dec. 6, 2012. (Official White House Photo by Pete Souza)

,World Leaders on Facebook‘ ist eine Studie über Aktivitäten und Beliebtheit von Politikern auf Facebook. Sie zeigt aber auch die Grenzen des Mediums auf

Dieser Artikel erschien bereits am 22. Jänner in der HORIZONT-Printausgabe 3/2016. Hier geht's zur Abo-Bestellung.

Nach einer neuen Studie von Burson-Marsteller, einer weltweit führenden Agentur für Public Relations und Public Affairs, haben fast 90 Prozent aller Regierungen der Welt, nämlich jene von 169 der 193 UN-Mitgliedsstaaten, eine offizielle Facebook-Seite. Dazu sammeln weitere 87 Staatsoberhäupter, 82 Regierungschefs und 51 Außenminister auf persönlichen Seiten Likes der User und kommunizieren dort mehr oder weniger intensiv mit ihren Bürgern. Diese – so die Initiatoren – „erste Studie über die Facebook-­Nutzung von Regierungen“ liefere wertvolle Erkenntnisse über die Kommunikationspraktiken politischer Führer, von welcher Unternehmen und NGO viel lernen könnten. 

Geht es bloß nach der Anzahl von „Likes“, so überrascht die Reihung der Politiker kaum: US-Präsident Barack Obama hat über 46 Millionen davon, Indiens Premierminister Narendra Modi über 31 Millionen, gefolgt von den Präsidenten der Türkei, Indonesiens und Ägyptens. Bei diesem Ergebnis zählt also offenbar eine Art Mix aus politischer Bedeutung, Einwohnerzahl und Internet-Aktivität des Landes. Entsprechend der Größe Österreichs unter „ferner liefen“ reihen sich daher die heimischen Spitzenpolitiker ein: Bundespräsident Heinz Fischer vereinte am Stichtag der Erhebung 76.166 Likes auf sich, Kanzler Werner Faymann 22.150. Klar übertroffen wurden beide von Außenminister Sebastian Kurz (102.731), dessen Ministerium überdies 47.393 Mal gelikt war. 

Johannes Mak von Ecker & Partner, dem österreichischen Exklusiv-Netzwerkpartner von Burson-Marsteller: „Damit liegen unsere Politiker auf Facebook in etwa auf dem Niveau von vergleich­baren Ländern wie Belgien und Tschechien.“ Eine wichtige Erkenntnis ist für Mak, dass die Auseinandersetzung mit den Bürgern via Social Media stetig an Bedeutung gewinnt. E&P hatte für sein internationales Netzwerk jene am Facebook-aktivsten heimischen Polit-Proponenten erhoben, die dann in die Analyse von global 512 Politiker- Facebook-Profilen einbezogen wurden.

Man fragt den Inder 

Etwas aufschlussreicher als eine bloße Reihung nach Likes ist eine Betrachtung nach Interaktivität: Da schneidet Indiens Premier Modi mit 200 Millionen Likes, Kommentaren und geteilten Beiträgen im Jahr 2015 in absoluten Zahlen am besten ab. Relativ am interaktivsten ist weltweit Argentiniens neuer Präsident Mauricio Macri, der im Verhältnis von Likes (3,5 Millionen) zu Interaktionen eine Rate von zwölf Prozent aufweist. Die aktivsten Seiten (gemessen nach Beiträgen pro Tag) sind überraschenderweise jene der Präsidenten oder Regierungen der Dominikanischen Republik (27 tägliche Beiträge), von Botswana und der Philippinen.

Diese letzteren, doch kuriosen, Ergebnisse sind wohl der Varietät des Facebook-Gebrauchs durch Politiker geschuldet: Während die einen bloß die tägliche Agenda der Politiker posten, beantworten andere Facebook-Profile die ebendort gestellten Anfragen, hat Burson-Marsteller erhoben.

Populäre Albaner und Rumänen

Am meisten Interaktivität wird mit ­jenen Posts generiert, wie sie auch der durchschnittliche Facebook-User pflegt: Geburtstags- und Kinderfotos, und möglichst Privates. Deswegen war das meistgelikte Politiker-Foto von 2015 jenes von Barack Obama und Familie mit den Osterwünschen. Auch Familienbilder der Royals als formale Staatsoberhäupter im United Kingdom, in den Niederlanden und in Schweden waren starke Like-Generatoren. Die Terror-Attacken von Paris bescherten wiederum den französischen Politikern die meisten Likes. 

Dass die Anzahl der Likes in der „World Leaders on Facebook“-Studie wohl wenig mit tatsächlicher Beliebtheit oder Bedeutung zu tun hat, offenbare auch die vielen Detailergebnisse, etwa jene nach Regionen: Das Europa-Ranking führt ausgerechnet Recep Erdogan aus der Türkei an, gefolgt von der Britischen Königsfamilie und Rumäniens Staatspräsident. Es folgen Angela Merkel, Russlands Premier Dmitri Medwedew und Albaniens Edi Rama, wohlgemerkt als Europas populärste Politker. Und in Lateinamerika ist es Mexikos Enrique Peña Nieto vor Argentiniens Mauricio Macri und Brasiliens Dilma Rousseff. Peña und Rousseff verzeichnen gleichzeitig in ihren Ländern bei Meinungsumfragen jeweils historische Tiefstwerte bezüglich „Beliebtheit amtierender Staatsoberhäupter“. Social Media machen noch lange keinen Präsidenten, so könnte eine Lektion für Österreich und seine Polit-Berater aus der Studie lauten. 
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