Markus Kienberger: Nicht nur das Mediengeschäft befindet sich in einem Transformationsprozess, sondern alle Wirtschaftsbereiche durchleben einen massiven Wandel, davon ist die Gesellschaft als Ganzes betroffen. Konsumenten haben heute mehr Information, mehr Transparenz und mehr Auswahl als je zuvor, Wechselkosten sind niedrig oder gehen gar gegen null. Daher ist es wichtiger denn je, genau zu verstehen, was Konsumenten wollen, was relevant für sie ist und was ihnen einen echten Mehrwert bietet. Das gilt für die Medienwirtschaft genauso wie für alle anderen Wirtschaftsbereiche. Auf Medien bezogen bietet vor allem die Onlinewelt die Chance, mehr Reichweite zu erzielen beziehungsweise Reichweiten, die man in traditionellen Kanälen verloren hat, zurückzugewinnen. Darüber hinaus bietet Online aber auch die Möglichkeit, permanent direkt Feedback durch Nutzer beziehungsweise von Konsumenten zu bekommen und auf dieser Basis Angebote laufend weiterzuentwickeln. Letzteres zu beherrschen ist eine Kernkompetenz der Gegenwart und der Zukunft.
HORIZONT: Und wie lautet hier Ihr persönlicher Befund? Ist davon ausreichend vorhanden?Kienberger: Oft scheint die Skepsis zu überwiegen, und es werden viele Worte darauf verwendet, welche Herausforderungen und Schwierigkeiten der Wandel, der durch das Internet entstand, für Medien mit sich gebracht hat. Viel wichtiger erscheint mir aber der Fokus darauf, welche Möglichkeiten das Internet für neue Vertriebs- und Geschäftsmodelle bietet. Information ist heute praktisch für jedermann von jedem Ort zu jeder Zeit über eine Vielzahl von Kanälen zugänglich. Es gibt viele Experten in der Branche in Österreich, die sehr gute Ideen haben, wie man diese großartigen Möglichkeiten nutzen kann, ich glaube aber auch, dass diese Innovatoren eine lautere Stimme brauchen.
HORIZONT: Innovation wird oft nur als Optimierung des Althergebrachten missverstanden. Wie definieren Sie persönlich Innovation, insbesondere bei Medien?Kienberger: Aus der Sicht von Google funktioniert Innovation nach dem Motto: „Put the user first and trust that the rest will follow.“ In der digitalen Welt gibt es weniger Barrieren, was beispielsweise das Timing oder die Distribution betrifft. Es gibt aber auch weniger Barrieren, Partnerschaften einzugehen – die Kernidee des Internets ist es ja, aufeinander zu verlinken, Netzwerke zu bauen. So entstehen neue Ökosysteme, die Nutzen und Wert stiften, und solche Partnerschaften sind oft ein Beschleuniger für Innovation.
HORIZONT: Innovation braucht auch Raum zur Entwicklung – für welche regulatorischen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Initiativen plädieren Sie im Sinne der Medienzukunft?Kienberger: Ich glaube, wir leben in einem Land, in dem es schon genug Regulative gibt (lächelt). Ich bin ernsthaft der Überzeugung, dass wir ein Umfeld brauchen, das nicht innovationshemmend ist, ein Umfeld, in dem neue Businessmodelle und Start-ups florieren können.
HORIZONT: Die Zukunft der Medien hängt sehr stark auch vom kreativen Nachwuchs ab. Wie kann es Medienunternehmen gelingen, kreatives Talent für sich zu begeistern?Kienberger: Kreativität ist sehr wichtig für den Erfolg von Unternehmen, aber genauso wichtig sind Leute mit analytischen Fähigkeiten. Ohne zu verstehen, in welchen Kanälen sich die Kunden bewegen und wie die Customer Journey aussieht, ist es schwierig, gute Kreation erfolgreich zu machen. Aber unabhängig davon, ob wir von kreativen Köpfen oder von Mitarbeitern mit analytischen Fähigkeiten sprechen – was meiner Erfahrung nach gerade junge Leute wollen, ist ein Umfeld, in dem man sich entfalten kann, ein Umfeld, in dem es eine Fehlertoleranz im Sinne einer Innovationskultur gibt. So können neue Ideen entstehen, die wiederum Kunden begeistern – und das ist es, was Mitarbeiter motiviert.
HORIZONT: Im Gefüge aus Auftraggeber, Agentur und Medium geht es vielfach nur mehr um die günstigsten Konditionen. Wie lassen sich qualitative Gesichtspunkte in der Mediaplanung in den Fokus rücken?Kienberger: Am Ende des Tages zählt nur das Ergebnis, der Return on Investment. Ein guter Rabatt für den falschen Kanal bringt aber oft gar nichts. Daher ist es essenziell, eine gute Messung für die Performance der gesetzten Aktivitäten zu haben. Nur so hat man ein Cockpit, in dem man sehen kann, welche Creatives in welchen Kanälen funktionieren, und nur so kann man laufend optimieren. Der Aufbau eines solchen Cockpits kostet Zeit und Geld, ist aber notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
HORIZONT: Welche internationalen Medienunternehmen und/oder -projekte sind für Sie persönlich zukunftweisend?Kienberger: Ich persönlich finde sehr spannend, was Red Bull aufgebaut hat –eigenen Content auf einer globalen Skala in unterschiedlichen Kanälen. Interessant finde ich auch, dass Online eine große Rolle spielt, aber auch Projekte zum Beispiel im Magazinbereich erfolgreich sind – eine faszinierende Mischung aus Digital und Klassisch.
HORIZONT: Was kann eine Initiative wie der Medien-Zukunftspreis tatsächlich für einen Beitrag für die gesamte Branche leisten?Kienberger: Der Medien-Zukunftspreis wird hoffentlich ein Vehikel dafür sein, der Wichtigkeit von Innovation und vor allem auch der Wichtigkeit
von Partnerschaften Nachdruck zu verleihen.
HORIZONT: Wie definieren Sie die Zukunftsvision für Google Österreich?Kienberger: Google Austria wird weiterhin ein Partner für alle Unternehmen inÖsterreich sein, die am lokalen Markt und global wachsen wollen. Heute sind weltweit zirka 2,2 Milliarden Menschen online, in ein paar wenigen Jahren werden es fünf Milliarden sein. Diese Entwicklung birgt ein riesiges Potenzial für österreichische Unternehmen, am globalen Markt noch erfolgreicher zu sein.
Die gesamte HORIZONT-Interviewserie mit Mitgliedern des Zukunftsforums finden Sie hier - sie wird laufend erweitert.