Von Drohnen bis hin zu neuen Medienangeboten: Bei der Digitalkonferenz DLD in Tel Aviv skizzierten Experten den Alltag der Zukunft.
Dieser Ort war immer schon einer des Umbruchs. Wo früher Siedler am Aufbau einer neuen Heimat schufteten und Züge unter Getöse ein- und ausfuhren, wird heute über die Zukunft des Digitalbusiness diskutiert: über neue Technologien, Geschäftsmodelle und Absatzmärkte.
Die DLD Tel Aviv machte das Gelände des stillgelegten Bahnhofs HaTachana für zwei Tage zum Treffpunkt für Innovationshungrige. Etablierte Unternehmer trafen auf neue Gründer, reiche Investoren auf arme Kreative. Bei 31 Grad waren unter der israelischen Sonne Firmen wie Volkswagen, die deutsche Telekom oder Burda auf der Suche nach Ideen, die sie fördern oder an denen sie sich beteiligen wollen. So möchten sie vom Innovationsgeist der jungen Gründerszene profitieren.
Volkswagen etwa zeigte das bereits vor ein paar Monaten durch ein Investment von 267 Millionen Dollar an der israelischen Taxi-App Gett. Sie soll 2017 auf den Markt kommen – mit dem Fokus auf Deutschland. Die österreichische Delegation zur DLD Tel Aviv wurde von Martin W. Drexler geleitet, Digital Media Strategist und Professor für Multimedia, Kommunikationsdesign und Medienwirtschaft an der Graphischen in Wien.Während in den Zelten auf dem Gelände Geschäftsanbahnungen stattfanden, spielte sich die Branche in anderen Hallen mit Gadgets wie per Hand gesteuerten Drohnen oder Virtual-Reality-Brillen.
Alles nicht neu, aber immer wieder aufregend – und ein kleiner Ausblick auf unsere Welt von morgen. Wie die genau aussehen kann, darüber diskutierten Experten auf der DLD bei den Panels. HORIZONT hat wesentliche Aspekte davon gefiltert.
1. Die Drohnen kommen„Die Menschen sind faul“, attestiert Limor Schweitzer, CEO von RoboSavvy. Pakete per Drohnen auf Dächer zuzustellen oder in Hinterhöfen abzuwerfen, ist zwar noch nicht mal Alltag, doch er denkt schon an die Zeit danach. Die Menschen würden ihre Post eines Tages direkt in die Hand zugestellt bekommen. Eigentlich sollte diese Vision den Gründer und CEO von „Iron Drone“ freuen, doch der bremst ein.
„Ich liebe Drohnen“, sagt Matan Melamed, „aber wir müssen die Sicherheit ernst nehmen. Drohnen sollen nur dort fliegen, wo sie auch wirklich fliegen sollen.“ Er verweist auf zwei Probleme: auf unausgreifte Technik und auf Menschen, die diese missbrauchen könnten, indem sie die Drohnen etwa gezielt in Menschenmengen oder Gebäude steuern könnten.
Für „No-Fly-Zones“ spricht sich auch Yariv Bash aus. Der Co-Gründer und CEO von Flytrex Aviation erklärt: Heutzutage werden mehr als 25 Millionen Pakete weltweit zugestellt, die meisten von ihnen wiegen weniger als ein Kilo. Großes Potenzial sieht er in der Lebensmittelzustellung und auch den Transport von Menschen schließt er nicht aus, in den nächsten 15 bis 20 Jahren könne es soweit sein. Dafür aber müsse der Luftraum in neue Zonen eingeteilt werden, in denen die Drohnen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fliegen dürfen.
Ein Radarsystem könne den Flugverkehr überwachen. Und das Problem der letzten Meter? Bash glaubt an eigene „Dropping-Zones“, die geschaffen werden – sowohl im öffentlichen Bereich wie einem Park, wie auch auf privaten Gebieten wie einem flachen Hausdach. Eine solche Landezone für Drohnen werde so normal werden wie die Garage für das Auto.
2. Start-ups für neue WirtschaftUnter den Jungunternehmern macht sich Unmut breit. In Gesprächen abseits der Panels diskutieren sie untereinander über die Systeme. Es geht um Förderungen, die ausgeschüttet, aber in den Augen mancher nicht genug kontrolliert würden. So würde Trittbrettfahrern Tür und Tor geöffnet, Geld verpuffe, das in engagierten neuen Firmen Wertschöpfung generieren und erschaffen könnte.
Zu diesem Thema sagte Investor Hansi Hansmann im bestseller zuletzt: „Bei staatlichen Förderungen ist das ein Problem.“ Und betonte zudem: „Was privates Geld betrifft, besteht das Risiko, dass Privatinvestoren, die viel Geld haben, leichtfertig investieren. Das geht meistens schief. Weil von 100 Start-ups nur ein ganz kleiner Prozentsatz wirklich investierbar ist. Start-up-Investor zu sein, ist wie jeder andere Job, den man lernen muss, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.“
Vor 15 Jahren habe es bei der Dotcom-Blase genug Personen gegeben, die viel Geld verloren hätten – und diese Leute seien dann leider „verbrannt für die nächsten fünf bis zehn Jahre“.Umso mehr geht es Unternehmen – aber auch ganzen Ländern – darum, jene Talente zu gewinnen, die die neue Wirtschaft ankurbeln. Frankreichs Digitalministerin Axelle Lemaire kam deshalb zur DLD, weil sie an „eine historische Gelegenheit“ glaubt, „die Zusammenarbeit mit Israel zu intensivieren“. Sie besuchte auch Haifa, Nazareth und die palästinensischen Gebiete und sagt im Gespräch mit DLD-Schirmherr Yossi Vardi, dass die Gespräche, die dort stattgefunden haben, und die geknüpften Kontakte „analysiert und verfolgt werden“, sobald sie wieder in Paris ist.
Um Talente zu gewinnen, wurde das „Französische Tech-Ticket“ entworfen – es soll junge Menschen ermutigen, in Frankreich zu gründen. „Israel bietet eine hohe technologische Stärke“, sagte Lemaire bei der DLD. „Was mich hier beeindruckt, ist die Fähigkeit der Israelis, auf das Unbekannte und die Risiken einzugehen und diese zu integrieren. Einige Bereiche, in denen Frankreich noch viel lernen kann.“
3. Neue Ansätze für MedienDie digitale Entwicklung erfordert auch bei Medienhäusern ein Umdenken. Für Sameer Deen, Senior Vice President von Univision Interactive Media, geht es künftig darum, den Fokus noch stärker auf den Content zu legen. Nur wer eine Geschichte gut erzählen und auf den entsprechenden Kanälen unterschiedlich aufbereiten kann, werde Chancen haben.
Für Aroon Purie, Chefredakteur von India Today, geht das aber noch nicht weit genug. Es gehe um mehr als die Phrase „Content is King“. Heutzutage müsse man mit den Nutzern in verschiedenen Arten in Kontakt treten. Für Printmedien eröffnen sich dadurch völlig neue Wege, nicht nur in der Distribution, sondern auch in der Monetarisierung. Es gehe um das Nutzen der Daten, das sei der Weg der Zukunft.
Die India Today Group habe das vorgezeigt und sich zu einem multimedialen Unternehmen entwickelt – von Print über TV, Online bis hin zu Radio. Inhaltlich müsse sich Journalismus in Zeiten von User-generated Content und ständig abrufbarer Nachrichten noch stärker auf das „Warum“ und das „Wie“ fokussieren – statt nur auf das Stattfinden von Ereignissen.
Es ist eine aufregende Zeit für Journalimus, sagt Purie. „Weil sich alles in der Branche verändert.“Rene Rechtman von Disney brachte in der Diskussion noch einen Aspekt ein: Authentizität. Und wenn die traditionelle Industrie versucht, die neue Art des Contentproduzierens zu verstehen, gebe es eine große Zukunft für alle. Was die neue Generation von der alten lernen könne, sei etwa, wie Marken integriert werden können. Die traditionelle Welt habe unter anderen Voraussetzungen gezeigt wie effiziente Modelle entstehen können. Wenn dieses Know-how mit der Kreativität der neuen Welt zusammengebracht wird, würden sich viele neue Chancen ergeben.
4. Neue Technologien in der Medizin Es klingt noch sehr futuristisch: Geht es nach Ido Bachelet von Augmanity, werden Nanoroboter im Körper eingesetzt, die, mit speziellen Programmen ausgerüstet, ein Leiden von innen heilen. Die „Nanobots“ sollen miteinander interagieren und logische Operationen ausführen können. Für Bachelet ist das auch eine Revolution in der Krebstherapie.
An einer Küchenschabe wurde bereits getestet, Testreihen mit Menschen könnten innerhalb der nächsten Jahre beginnen. Alon Wolf, Direktor des Biorobotics & Biomechanics Lab am technischen Institut von Israel, glaubt zudem an den Durchbruch des 3D-Drucks. In der Robotikforschung sei es ein Muss, mit dieser Technologie zu arbeiten. Es sei nichts mit der Möglichkeit vergleichbar, „die verrückte Idee der letzten Nacht am nächsten Morgen bereits in Händen zu halten“.