Am Wiener Campaigning Summit, den die Agentur Campaigning Bureau von Philipp Maderthaner veranstaltete, widmeten sich internationale Experten dem Potenzialen des Social Web, Crowdfunding - und natürlich "Obamas Geheimwaffe"
„Die Menschen bewegen und mitreißen“, „Anhängerschaft um klare Positionen bilden“, „Verhalten verändern“. So umriss Philipp Maderthaner, seines Zeichens Geschäftsführer der Wiener Agentur Campaigning Bureau und Initiator des nicht ganz zufällig ähnlich betitelten „
Campaigning Summit“, Wirkung und Ziel von Kampagnen im digitalen Zeitalter. Die Veranstaltung, die zum dritten Mal in Wien stattfand und einen Ableger in der Schweiz – und vielleicht bald auch in Berlin und nordischen Ländern – vorweisen kann, holte vor ausverkauftem Haus internationale Experten auf die Bühne.
"Veränderung erzielen"
„Campaigning ist eine wirksame Methode für Wirtschaft und Politik, um Veränderungen in Unternehmen und Organisationen zu erzielen“, sagte Maderthaner auch gleich bei seiner Eröffnungsrede, um deutlich zu machen, dass es nicht nur um Wahlkampf geht. Klar: Das Beispiel Obama, in dessen Team auffallend viele Datenwissenschaftler werkten, ist auch 2014 ein Vorzeige-Exempel dafür, wie neue Technologien gezielt im Rahmen groß angelegter Kampagnen eingesetzt werden können. Maderthaner selbst hat nicht umsonst einen Deal mit dem Softwareanbieter
Blue State Digital abgeschlossen, der es ihm erlaubt, „Obamas Geheimwaffe“ in Europa zu lizenzieren beziehungsweise damit zu arbeiten.
Goliaths brauchen Davids
Doch Daten und Software, das wurde am Campaigning Summit auch klar, alleine sind es nicht, die Kandidaten zu Präsidenten und Produkte zu Premiummarken machen. Grundlegend sei die Haltung, mit der man ins Rennen geht, meint Maderthaner, und da dürfe man sich nicht wie ein Goliath aufführen. „Wir leben in einer Welt voller Davids, mit Steinschleudern in Form von sozialen Netzwerken“, sagte der Kampagnen-Profi, der einst als ÖVP-Kommunikationschef unter Josef Pröll diente. Frank Stronach („Wer das Gold hat, macht die Regeln“) etwa sei einer dieser Goliaths, die trotz – oder gerade wegen – ihres Machtgehabes und ihrer Millionen gestrauchelt wären. Stattdessen hätte man in Österreich mit der Neupartei Neos und Sebastian Kurz parallel zu Stronach zwei digital getriebene Kampagnen gesehen, die Erfolg hatten, weil sie der Anhängerschaft „auf Augenhöhe“ begegnet wären. „Daten stehen im Zentrum von Mobilisierungskampagnen“, sagt Maderthaner.
In der Daten-ZwickmühleDas meinte auch sein spannendster Gast, der US-Journalist
Sasha Issenberg, der sich mit neuen, sehr digitalen Formen von Wahlkämpfen in Buchform („The Victory Lab“) auseinandergesetzt hat. Allerdings dürfe man die Power von datengetriebenen Kampagnen nicht überschätzen. „Digitale Kampagnen verwandeln schlechte oder unpopuläre Parteien oder Kandidaten nicht in Sieger“, so Issenberg im Gespräch mit HORIZONT. Immerhin aber: „Daten helfen Kampagnen, nicht nur zu verstehen, wen man ansprechen muss, sondern auch wie.“ Man könne individuelle Wähler, nicht nur Wahlbezirke, Altersgruppen oder Einkommensschichten herausfiltern und herausfinden, wie man mit den Menschen am besten kommuniziert. In der Obama-Kampagne hätte es sich etwa bewährt, alleinstehende Menschen per Telefonat aufzufordern, wählen zu gehen, während das bei Familien nicht so gut gelaufen sei. Auch die Art der Ansprache sei wichtig: Man hätte messen können, dass ein Brief mit der Information, dass die Nachbarn bei der letzten Wahl zur Urne geschritten wären, die Wahlbeteiligung signifikant gehoben hätte (weil so sozialer Druck aufgebaut wurde).
Crowdfunding für Low BudgetPraktische Tipps gab es bei der Veranstaltung auch von Katie White, die unter anderem als European Campaigns Director von ONE, einer von U2-Sänger Bono initiierten Kampagne zur Bekämpfung von Armut und Krankheit in Afrika, einige Erfahrung auf dem Gebiet gesammelt hat. „Klare Botschaft“, „Koordination“, „Personalisierung“, „unerwartete Botschafter“ (zum Beispiel Stars) und „Erlaubnis zur kreativen Denke“ nannte sie als Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Kampagne. Etwas vage blieb der Vortrag der Schweizerin Maggie Haab, Kommunikationsverantwortliche des Zürcher Mieterinnen- und Mieterverbandes, die über die Vorzüge des Crowdfunding für Low-Budget-Kampagnen referierte. „Man muss den Menschen das Gefühl geben, dass ihre Stimmen wertvoll sind. Und man muss die Kontrolle über die Inhalte und wie kommuniziert wird, zu einem guten Stück abgeben“, verriet sie immerhin. Und: „Die Köpfe, die gezogen haben, waren vor allem Politiker.“
NSA-Skandal schafft BedenkenDass sich die US-Methoden aufgrund strengerer Datenschutzbestimmungen nicht so einfach nach Europa exportieren lassen, ist Maderthaner klar. Zusätzliche Erschwernis: „Politiker haben nach dem NSA-Skandal sicher mehr Bedenken bezüglich solcher Kampagnen, aber das wird die Entwicklung in diese Richtung nicht aufhalten.“ Denn schließlich könne man die Menschen immer noch um die ausdrückliche Erlaubnis zur Verwertung ihrer Daten bitten. Beeindruckt ist er aber vor allem von der „Behavioural Science“, die mit Datenauswertung möglich wird. „Das hat nichts mit Technologie zu tun, sondern damit, wie sich Menschen ganz grundlegend verhalten – also die Frage, wie man das Verhalten von Menschen ändern kann.“
Datenwissenschaftler als KampagnenleiterOb im Erfinderland USA der NSA-Skandal der datengetriebenen Kampagnenführung einen Rückschlag verpassen wird, ist sich Issenberg nicht sicher. „Vor dem letzten Sommer hatten die Amerikaner eine sehr relaxte Einstellung bezüglich Privatsphäre. Ich weiß zwar nicht, wie das die Einstellung der Amerikaner ändern wird, aber es ist das erste Mal, dass es überhaupt eine Diskussion über Datensammlung und Datenverkauf gibt.“ Dass es sich um einen nicht umkehrbaren Trend handelt, dessen war sich die Abschluss-Sprecherin Sara Taylor Fagen sicher, die von 2005 bis 2007 – also unter George W. Bush – Director of Political Affairs im Weißen Haus war und vom Wall Street Journal bereits 2004 als Daten-Genie bezeichnet wurde: „Künftige Kampagnen-Chefmanager werden die Datenwissenschaftler sein und nicht mehr die TV-Experten."