Die Rache des JavaScript-Erfinders
 

Die Rache des JavaScript-Erfinders

Stefan Mey
„Zum Start von Firefox wurden wir belächelt, weil der Markt damals vom Internet Explorer dominiert wurde. Mit Brave stehen wir jetzt vor einer ähnlichen Situation“, sagt Brendan Eich.
„Zum Start von Firefox wurden wir belächelt, weil der Markt damals vom Internet Explorer dominiert wurde. Mit Brave stehen wir jetzt vor einer ähnlichen Situation“, sagt Brendan Eich.

Brendan Eich hat JavaScript erfunden und Firefox mitentwickelt. Nun fühlt er sich durch Cookies und Werbung attackiert. Und bläst zum Gegenangriff.

Es ist meine Schuld, dass es JavaScript gibt“, sagt Brendan Eich bei seinem Besuch auf der Innovationskonferenz TEDxVienna in Wien. Im Mai 1995 hatte er die Programmiersprache in nur zehn Tagen entwickelt, unter Zeitdruck und massivem Schlafmangel. „Ich wollte damals innerhalb des Netscape-Teams beweisen, dass es möglich ist, eine einfache und schnelle Programmiersprache zu entwickeln“, sagt er.

Gedacht war JavaScript als Sidekick zu Java; inzwischen ist Java aus der Browser-Welt fast gänzlich verschwunden, während JavaScript von über zehn Millionen Programmierern in aller Welt verwendet wird. „Der Sidekick wurde so zum Superhero, Robin überholte Batman“, sagt Eich. Ganz glücklich ist er mit den Früchten seiner Arbeit dennoch nicht.


Denn laut Eich wird seine Schöpfung heute für viele Dinge verwendet, die ihm selbst nicht zusagen: Third-Party-Advertising, Tracking und Cookies – Dinge, die laut Eich nicht nur lästig für den User sind, sondern auch Bedenken in puncto Datenschutz aufwerfen. „Auf Smartphones kommt hinzu, dass die zusätzlichen Inhalte die Bandbreite des Users belasten und unnötig Strom aus dem Akku ziehen“, sagt Eich.

Zudem sieht er ein Sicherheitsproblem: Unter dem Schlagwort „Malvertising“ könnten Kriminelle als Werbung getarnte Schadsoftware in die Rechner einspeisen. „Das Internet ist kaputt, und wir müssen es wieder reparieren“, lautet Eichs Schlachtruf.


Mutig wie ein Löwe


Die Waffe seiner Wahl hat den Kopf eines Löwen als Logo und trägt den klingenden Namen „Brave“: Ein Browser für Desktop-PCs und mobile Apple- und Android-Geräte, der von Haus aus Cookies und Werbung blockt und jede Website auf ein https-Protokoll umleitet. Dass Eich ausgerechnet einen Browser als sein nächstes Projekt auserkoren hat, liegt auf der Hand: Immerhin war er nach Netscape maßgeblich an der Entwicklung des Browsers Firefox beteiligt.

Im Test des Brave-Browsers durch HORIZONT zeigt sich, dass das Konzept – zumindest für den Endnutzer – aufgeht. Websites laden rasch und lästige Werbebanner werden entfernt; der Browser versorgt den User überdies mit Statistiken zu den geblockten Ads: Der mobile Browser für Android blockte auf orf.at zwei und auf der mobilen Version von derstandard.at vier Werbungen und Tracker.

Sowohl in der Desktop- als auch in der mobilen Version fällt die Schlichtheit der Software auf: Kein Schnickschnack, keine Plug-ins. „Auch Plug-ins sammeln oft Daten und helfen somit dem Anbieter mehr als dem User, zudem sind manche ein Einfallstor für Hacker“, sagt Eich: Die aktuelle Version von Brave erinnere viele User an die „guten Anfangszeiten von Firefox“, als dieser auch noch recht schlicht war.


Naturgemäß nicht erfreut über AdBlocker allgmemein und somit das Aufkommen von Brave ist in Österreich das internet advertising bureau (iab): „AdBlocker sind einerseits eine Bevormundung der User, da ihnen relevante Informationen vorenthalten werden können“, sagt iab austria-Präsidentin Martina Zadina: „Für Publisher stellt sich andererseits die Frage nach dem Umgang mit AdBlockern – es ist durchaus denkbar, dass Content beim Einsatz von AdBlockern nur mehr eingeschränkt dargestellt wird.“ In Österreich nutzen laut einer Studie des Reuters Institute 26 Prozent der Internetnutzer AdBlocker.


Digitaler Klingelbeutel


Eich verweist wiederum darauf, dass er nicht alle Ads blocken will, sondern nur jene, die er selbst als „schlecht“ erachtet: Third-Party-Werbung, die Inhalte auf Basis des Userverhaltens ausspielt. „Oft sind die Inhalte unpassend, und zu viel Geld fließt an die Mittelmänner“, sagt Eich. Direkt zwischen Medien und Werbetreibenden vereinbarte Ads sollen jedoch durchgelassen werden – sofern sie keine Tracker enthalten.


Zudem enthält Brave eine Funktion, mit der User die entgangenen Werbeeinnahmen der Verlage kompensieren, indem sie monatlich einen von ihnen festgelegten Betrag spenden. Der Betrag wird dann an die Website-Betreiber auf Basis des Surfverhaltens ausgeschüttet – völlig anonym, wie Eich versichert. Im Schnitt spenden die User nun fünf Euro monatlich, über 14.000 zahlende User gibt es derzeit.

Das sind zwar noch keine berauschenden Zahlen, doch Eich weiß aus Erfahrung, dass aller Anfang schwer ist: „Zum Start von Firefox wurden wir belächelt, weil der Markt damals vom Internet Explorer dominiert wurde“, sagt er: „Mit Brave stehen wir jetzt vor einer ähnlichen Situation.“

Zur Person

Der 1961 geborene Programmierer Brendan Eich erfand 1995 die Programmiersprache JavaScript, damals noch unter dem Namen „LiveScript“. Bekannt wurde er auch durch seine Arbeit an Netscape und Mozilla. Bei Netscape Communications stieg er im April 1995 ein, Anfang 1998 war er bei der Gründung von Mozilla beteiligt.

Seit August 2005 war er als CTO, vom 24. März 2014 bis 3. April 2014 auch als CEO bei Mozilla tätig. In die Kritik geriet er, weil er für eine homophobe Kampagne und den konservativen Politiker Ron Paul spendete. Er trat somit zurück.
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