Die Jugend will das Bild, nicht das Wort
 

Die Jugend will das Bild, nicht das Wort

Wie ticken junge Mädchen und Burschen? Was begeistert, was erschüttert sie? Welche Medien nutzen sie? Diese Fragen beschäftigen Jugendforscher Heinzlmaier, Raiffeisen-Marketingleiter Pruschak und Goldbach-Media-Chef Almer aus unterschiedlichen Motiven

"Die Jugend will lieber angeregt als unterrichtet sein", hat schon Johann Wolfgang von Goethe erkannt. Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier bestätigt: "Was zählt? Die Jugend will unterhalten werden." Das zumindest ist nicht zum Nachteil für die Werbung und ihre vielen Spielarten.


Der Autor und Leiter des Marktforschungsinstitutes tfactory zeichnet einen Weg vor: "Es müssen große Gefühle sein, denn die jungen Menschen sind überstimuliert, schwer zu reizen. Die Luft muss brennen. Inszenierung, Schein, das Spektakel kommt vor Echtheitszertifikaten. Keiner will Argumente hören, jeder will verführt werden."


Aber, "die" Jugend gibt es nicht, das wissen Heinzlmaier und auch Leodegar Pruschak, Marketingleiter Raiffeisen, genau. Trotzdem findet Pruschak einen gemeinsamen Nenner: "Die 14- bis 29-Jährigen blicken unsicheren Zeiten mit schlechten Jobaussichten und negativer allgemeiner Stimmungslage entgegen. Daher bekommen traditionelle Werte wie Fleiß, Familie, Gemeinschaft und Erfolg wieder Hochkonjunktur", ist er überzeugt und ergänzt, "Orientierungspunkte, die glaubhaft Unterstützung anbieten, können als Anker für junge Menschen dienen. Institutionen müssen Jugendliche auf Augenhöhe ansprechen und ernst nehmen."


Klarerweise möchte Raiffeisen junge Menschen von Anfang an in ihrem Geld­leben begleiten. Herausforderung ist dabei die Ansprache, denn, mutmaßt Pruschak, auch Jugendliche seien mit der heutigen Kommunikationsflut großteils überfordert. "Es ist erstaunlich, dass nicht nur alle verfügbaren Kanäle konsumiert, sondern am liebsten alle gleichzeitig aktiv genutzt werden." Womit wir wieder bei der Überstimu­lation wären. Ein vernetztes konvergentes Erlebnis sei jedenfalls Voraussetzung. "Erfüllt man diese nicht, gewinnt man keine Kunden mehr, sondern verliert sie", so der Marketer.


Digital: Nicht mittendrin, aber dabei


Die digitale Technologie ist nicht nur Mittelpunkt der jungen Mediennutzung, sondern auch Enabler, um verbunden zu sein und zu kommuni­zieren, erklärt Josef Almer, Managing Director Goldbach Media Austria. Der Vermarkter mit hausinterner Agentur konzipiert crossmediale Kampagnen für TV, Out-of-Home bis Mobile und Social Media. Dabei ist die Sache sehr einfach, findet Heinzlmaier: Die Jugend will das Bild und nicht das Wort!

"Wir bewegen uns von der diskursiven zur präsentativen Kultur. Instagram statt Facebook. Porno statt Prüderie. Den Sex sehen und nicht darüber reden. Sehen und gesehen werden ist alles, nicht unbedingt leben und tun. Das ist die Faszination der digitalen Kultur - nicht mitten im Geschehen, aber trotzdem dabei", sei das Motto, so der Wahl-Hamburger.

Dazu passt ein junger Trend, der inzwischen enorme Reichweite genießt. Derzeit werden YouTube-Stars sowohl von Betreiber Google als auch von Netzwerk-Agenturen vermarktet und gepuscht. Neben Comedy-Truppen wie Y-Titty oder Doktor Allwissend gibt es auch einige You­Tuber, die sich auf die Vermittlung von News an die junge Zielgruppe spezialisiert haben, allen voran der 26-jährige Berliner LeFloid (Florian Mundt). Sein YouTube-Kanal hat mittlerweile knapp 1,8 Millionen Abonnenten, seine hektisch und subjektiv vorgetragenen Clips zu aktuellen Geschehnissen kommen oft auf mehr als eine Million Views.

Schleichwerbung bei YouTube-Stars

Wo Publikum, da Werber: So schalten Google wie Agenturen vor den Clips dieser und anderer YouTube-Stars Werbespots. Zudem häufen sich Berichte, dass in den Videos der jungen Stars Schleichwerbung stattfinden soll. Ein verdeckter Test des Magazins "Puls" des Bayrischen Rundfunks zeigte kürzlich, dass Videoblogger bei entsprechender Reichweite bis zu Tausenden Euro dafür nehmen, Produkte wie zufällig in ihren Videos vorkommen zu lassen.

Der Vermarkter Mediakraft aus Köln, der sich den Vorwurf der Schleichwerbung in Y-Titty-Clips gefallen lassen musste, hat nun angekündigt, Product Placement nach TV-Regeln zu kennzeichnen. In Österreich ist die Reichweite von YouTube-Sternchen noch geringer. Der Comedian Michael Buchinger, seit Kurzem Partner der ProSieben Sat.1-Puls 4-Gruppe, hält bei etwa 23.000, die Fashion-Bloggerin Kim Lianne bei 68.000 Abonnenten.

Dies bestätigt ein Thema, das Marketer umtreibt, wie Ralf E. Strauß, Keynote Speaker des Point of Marketing, Präsident des Deutschen Marketing-Verbandes und Professor für Digitales Marketing und E-Business, weiß: "Drei Viertel der Marketer sind mit ihren Digitalmarketing-Aktivitäten unzufrieden. Sie erhoffen sich Veränderung durch neue Mitarbeiter der Generation Y, als Stachel im Fleisch, um ihre Marken neu zu positionieren."

Diese zu bekommen und zu halten sei nicht einfach, denn die neue Generation will Freiheit, ist selbstbezogen und weit entfernt von der Denke der alten Generation, die sich nach dem Motto Blut, Schweiß und Tränen in die Arbeit stürzte.

Und wie steht es um Marken und ihre Bedeutung? Laut Marktforschung geht die Markenbindung zurück. Für Almer sind "authentische" Brands die erfolgreichsten. Die quartalsweise gekürten Goldbach Youngstars eruieren das Image von Brands, die gerade mit TV- oder Online-Videokampagnen bei der jungen Zielgruppe präsent sind. Das Ergebnis: Axe, Red Bull und Samsung, alle drei sehr aktive bekannte Marken, waren bereits Jahressieger.

Marken - Lebensbegleiter der alten Kulturen


Auch dazu hat Heinzlmaier eine dezidierte Meinung: "Marken sind Lebensbegleiter der alten Kulturen, der hedonistischen Unterschichten und der karrieristischen Oberschichten. Sie glauben noch an Geschichten. Die Marken der Zukunft sind Marken für Menschen, die an nichts mehr glauben, ästhetische Formen ohne Bedeutung, ohne Tiefe. Sie spielen mit sich und den Konsumenten. Allerdings: Sieht die Jugend etwas Großes, das sich aufbläht und protzt, wie Facebook, so will sie es dekonstrurieren und stürzen sehen. Die Marke, die sich selbst zu ernst nimmt, hat verloren."

Bewegte Zeiten also für Brands, für Agenturen, Vermarkter, die umfassend beraten und konvergent anbieten müssen. Für Medien ist die digitale Welt ohnehin stetige Herausforderung. Die junge Generation entwickelt indessen eigene Lebenskonzepte und damit die Vorgaben für morgen. Allein darum lohnt es sich, an ihrer Entwicklung dranzubleiben.

Dieser Artikel erschien bereits am 16. Mai in der HORIZONT-Printausgabe 20/2014. Hier geht's zur Abo-Bestellung.



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