Viel zu verhandeln gibt es im EU-Parlament in Brüssel.
Die Verbreitung von Desinformation soll sich nicht mehr lohnen. Ein freiwilliger Verhaltenskodex blieb bisher zahnlos – das soll sich nun ändern.
Es ist die derzeit einzige Möglichkeit, die Pandemie zu einem Ende zu bringen und dennoch hat die Akzeptanz von Impfungen in ganz Europa mit Skeptikern zu kämpfen. Befeuert werden sie durch zahllose Desinformationskampagnen, die sich auf Onlineplattformen weltweit ausbreiten. Die EU-Kommission will dem nun Einhalt gebieten und die Schrauben bei den Plattformbetreibern anziehen. Konkret soll sich die Verbreitung von Werbung, die Desinformation enthält, für Plattform wie auch Verbreiter nicht mehr lohnen und demonetarisiert werden. Eigentlich gibt es dafür bereits seit 2018 einen freiwilligen Verhaltenskodex. Der Erfolg ist aber überschaubar. Bisher setze kein Unterzeichner den Kodex vollständig um, sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
Deswegen will Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova einen neuen Kodex, der 2022 in Kraft treten soll. Dieser könnte für Techunternehmen teuer werden, denn ihr Vorschlag sieht eine Verknüpfung des Verhaltenskodex mit dem Digital Services Act (DSA) vor. Details zum DSA werden derzeit zwischen den EU-Staaten und dem EU-Parlament verhandelt. Jourova hofft auf ein erfolgreiches Ende der Verhandlungen dazu im Frühjahr kommenden Jahres. Wenn die Vorschläge zum DSA umgesetzt werden, könnten Unternehmen mit Strafen in der Höhe von bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes belangt werden, wenn sie illegale Inhalte nicht entfernen und ein Schaden nachgewiesen werden kann.
Darüberhinaus könnte der neue Verhaltenskodex – bisher rein freiwillig – verpflichtend werden, seine Einhaltung könnte damit auch geprüft werden. Dass Plattformen sich selbst überwachen und mit Desinformationen Geld verdienen, müsse ein Ende haben, fordert Jourova. Für die EU-Kommission ist es ein schwieriger Balanceakt: Desinformationen seien häufig nicht illegal, aber gefährlich. Schiedsrichter über die Wahrheit wolle man aber nicht spielen. Vielmehr setzt man auf Transparenz. Im neuen Verhaltenskodex sollen Plattformen verpflichtet werden, Nutzern die Kriterien offen zu legen, warum ihnen bestimmte Inhalte angezeigt werden. Außerdem soll es die Möglichkeit geben, Algorithmen individuell anzupassen. Darüberhinaus soll die Rolle von Faktencheckern gestärkt werden. Zuletzt sollen auch Forscher verbesserten Zugang zu Daten der Plattformen für Forschungszwecke erhalten – auch das ist in der schon jetzt gültigen freiwilligen Selbstverpflichtung eigentlich vorgesehen, an der Umsetzung hapert es allerdings gewaltig.
Ausweitung auf Messenger
Damit die zahlreichen Maßnahmen greifen, soll der Verhaltenskodex auch ausgeweitet werden. Derzeit gehören Unternehmen wie TikTok, Microsoft oder Twitter zu den Unterzeichnern. Viele Desinformationen verbreiten sich aber insbesondere auf Messengerdiensten wie WhatsApp oder Telegram. Auch Bezahldienste stehen auf der Wunschliste der Kommission für den Verhaltenskodex. Damit könnten die Zahlungsflüsse an Verbreiter von Desinformation unterbrochen werden.