‚Alexa, bist du die Zukunft der Kommunikation...
 

‚Alexa, bist du die Zukunft der Kommunikation?‘

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Digitale Assistenten kommen bald auch in Österreich auf den Markt.
Digitale Assistenten kommen bald auch in Österreich auf den Markt.

Der Markteintritt digitaler Assistenten steht in Österreich unmittelbar bevor. Sie können etwa auch per Sprachbefehl Nachrichten vorlesen. Medien reagieren darauf aber noch verhalten.

Seit Alexa in unsere Wohnung gezogen ist, hat sich unser Zusammenleben grundlegend verändert. Morgens informiert die smarte Assistentin über das Wetter und die bevorstehenden Termine und trägt die aktuellen Nachrichten vor, abends spielt sie auf Befehl entspannende Musik. Alexa ist jene Software, die in den smarten Lautsprecher Amazon Echo integriert wurde. In Österreich ist das Gerät noch nicht offiziell verfügbar, zum Marktstart wird es knapp 180 Euro kosten. Der Clou beim Echo: Spricht man ihn mit „Alexa“ an, dann kann man ihm anschließend Befehle geben – dazu gehören die eingangs genannten Funktionen ebenso wie der Einkauf bei Amazon per Sprachbefehl.Im Test funktioniert das mal mehr, mal weniger gut. So erkennt Alexa etwa die meisten Musikwünsche der menschlichen Mitbewohner, doch mit Suchanfragen tut sie sich schwer: „Tut mir leid, ich kann Wien nicht finden“, sagt sie, wenn man sie nach der Bundeshauptstadt fragt, bietet aber anschließend einen Lösungsvorschlag aus der Welt des E-Commerce: „Möchtest du Wien kaufen?“ Unterschiedlich auch die Performance bei der Abfrage des aktuellen Kinoprogramms: Zwar kann Alexa den Kinostart des neusten Star-Wars-Films mitteilen, bei der Frage nach dem aktuellen Film „Fantastic Beasts and Where to Find Them“ muss sie jedoch kleinlaut verkünden, sie könne mit „Fantasti VanDamme“ nichts anfangen. Manchmal hängt die Leistung an der Datenqualität, manchmal an der Spracherkennung.

Boom steht bevor

Das tut jedoch der Tatsache keinen Abbruch, dass das Gerät Erfolge feiert und Marktforscher optimistisch sind. Zwar geizt Amazon mit offiziellen Zahlen; jedoch verkündete CEO Jeff Bezos jüngst, dass sich in den USA bereits „Millionen Nutzer“ einen Echo gekauft hätten. In Deutschland soll es bereits vor dem offiziellen Marktstart 800.000 Nutzer geben, heißt es von Horizont Deutschland. Das Manager Magazin spricht von 8,6 Millionen verkauften Echos im heurigen Jahr, bis 2020 sollen es laut Marktforscher Mizuho 41,4 Millionen sein – bei rund elf Milliarden Dollar Umsatz. Die weltweite Nutzerzahl von digitalen Assistenten allgemein soll laut Marktforscher Tractica von 504 Millionen im Jahr 2016 auf 1,8 Milliarden 2021 steigen. Wohlgemerkt: In diesem Feld ist Amazon nicht allein. „So gut wie jeder große IT-Konzern arbeitet derzeit an einem smarten Assistenten“, sagt Nick Sohnemann, Gründer der Innovationsberatung Future Candy.

Google hat mit Google Home auch einen smarten Lautsprecher präsentiert, der in den USA bereits erhältlich ist, Sohnemann hält einen Marktstart im deutschen Sprachraum Anfang 2017 für realistisch. Vergangene Woche kündigte auch Microsoft neue Schritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz an: Unter anderem kommt in Kooperation mit dem Hi-Fi-Hersteller Harman Kardon im Februar ein smarter Lautsprecher auf den Markt. Apple schließlich gilt mit dem Smartphoneassistenten Siri als Pionier der Entwicklung – hat das Produkt laut Sohnemann aber vergleichsweise wenig weiterentwickelt.

Neuer Kanal für Medien

Für Medienunternehmen eröffnet sich mit den smarten Assistenten ein neuer Nachrichtenkanal. Denn spricht man den Echo mit „Alexa, die Nachrichten bitte“ an, so bekommt man eine Zusammenfassung unterschiedlicher Nachrichtenquellen. Dazu gehört etwa die Audiospur der Tagesschau ebenso wie die gesammelten Podcasts des Economist. Gibt es keine Audiospur, so liest Alexa das geschriebene Wort mit Hilfe eines Text-to-Speech-Converters vor – etwa bei Inhalten von Onlinemedien wie spiegel.de oder n-tv.de. Ähnliche Funktionen kann man laut Sohnemann bei Google Home erwarten.Die Nachrichtenquellen können Alexa-Besitzer in einer dazugehörigen App auswählen. Auffällig dabei ist, dass unter den österreichischen Medien lediglich der ORF mit dem Radiosender Ö3 vertreten ist. Vom VÖZ heißt es auf Anfrage des HORIZONT, dass von den Mitgliedern derzeit keinerlei Pläne bekannt sind. Bei ProSiebenSat.1 PULS 4, dem offiziellen Vermarkter von Amazon Media in Österreich, möchte man die Pläne nicht kommentieren. Allgemein, so heißt es aus der Branche, ist man skeptisch: Dadurch würde ein neuer Kanal eröffnet werden, auf dem Medien ihre Inhalte gratis zur Verfügung stellen – denn derzeit fließt zwischen Amazon und den Medienunternehmen für die Bereitstellung von Inhalten für den Echo noch kein Geld. Bewegung könnte es hierzulande erst geben, wenn das Leistungsschutzrecht geklärt ist, so scheint es.

Investition in die Zukunft

In Deutschland ist man anderer Meinung und sieht den smarten Lautsprecher als einen neuen Verbreitungskanal, der sich in Zukunft bewähren könnte. „Der Aufwand für die Implementierung hat weniger als einen Tag betragen“, sagt Matthias Streitz, geschäftsführender Redakteur bei Spiegel Online. Es musste ein RSS-Feed eingerichtet werden, der an Amazon geliefert wurde. Zusatzkosten entstehen vorerst keine mehr – anders wäre das, wenn man exklusive Inhalte für die Smart-Home-Geräte erstellen oder eine eigene Audiospur produzieren würde. Denn dafür müsste man eigens Sprecher bezahlen.Ein Vorteil des Pionierdaseins ist der Zugriff auf Datenmaterial: Wenn Amazon die Nutzung der spiegel.de-Inhalte auswertet, kann Streitz analysieren, ob sich weitere Investments rentieren. Auch glaubt er, dass sich das Geschäft monetarisieren ließe, wenn eine kritische Größe an Hörern erreicht wird – etwa, indem ähnlich wie bei Podcasts in den Audiofeeds Sponsoren genannt werden. Ähnlich dazu sieht man sich auch bei n-tv als Pionier: Der Echo ist hier der erste Versuch bei Smart Home, weitere Partnerschaften werden geprüft.

Callcenter 4.0

Indes hat Amazon eine weitere Tür geöffnet, nämlich für externe Entwickler von Chatbots. Diese können nun einen kostenlosen Dienst nutzen, bei dem in Sekundenschnelle Text in Sprache oder Sprache in Text umgewandelt wird. Der Chatbot lernt also sprechen: „Und dadurch wird er zugänglicher“, sagt Jakob Reiter, der als Gründer der Chatbot-Schmiede TheVentury unter anderem den Chatbot für Austrian Airlines entwickelt hat.Für Reiter ist es denkbar, dass diese Technologie etwa in Callcentern zur Anwendung kommt. Der Mensch spricht dann mit einem Chatbot, die Übersetzung zwischen beiden übernimmt Amazon. Bleibt nur zu hoffen, dass dann Missverständnisse des „Fantasti VanDamme“-Typs dann nicht mehr vorkommen.

Datenschutz:

„Das Problem mit neuen Technologien ist, dass immer eine Hurra-Mentalität gepflegt wird, ohne dass Rahmenbedingungen hinterfragt werden“, sagt Georg Markus Kainz, Präsident von q/uintessenz – ein auf Datenschutz fokussierter Verein, der unter anderem für die Verleihung der „Big Brother Awards“ bekannt ist. Smarte Assistenten wie der Amazon Echo sind etwa durchgehend eingeschaltet, mit dem Web verbunden und hören Geräusche in der Wohnung mit. Gefährlich kann dies werden, wenn Hacker das Gerät kapern und so die Wohnung belauschen können – auch der Einsatz eines Bundestrojaners wäre laut Kainz auf solchen Geräten denkbar. Und die IT-Konzerne selbst könnten die gewonnenen Daten ebenfalls weiterverwenden.




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