7 Challenges für Österreichs Digitalbranche
 
Fotolia/lassedesignen
Brand Safety, Online-Werbeabgabe oder Datenschutz. Die Digitalbranche birgt Chancen und Herausforderungen.
Brand Safety, Online-Werbeabgabe oder Datenschutz. Die Digitalbranche birgt Chancen und Herausforderungen.

Von 3. bis 5. Juli treffen sich Entscheidungsträger aus der nationalen wie internationalen Digitalbranche zum Werbeplanung.at-Summit 2017 in der Orangerie Schönbrunn. HORIZONT sprach vorab mit Experten über die wichtigsten Brennpunkte des digitalen Wandels.

Von 3. bis 5. Juli treffen sich Entscheidungsträger aus der nationalen wie internationalen Digitalbranche zum Werbeplanung.at-Summit 2017 in der Orangerie Schönbrunn. Dabei werden Chancen, aber auch Herausforderungen der Branche von hochrangigen österreichischen und internationalen Experten diskutiert. Auf rechtlicher und politischer Ebene werden Branchendiskussionen zum Beispiel derzeit von den Vorbereitungen auf die EU-Datenschutz-Grundverordnung und die Diskussionen rund um die geplante Werbeabgabe auf Onlinemedien geprägt. Zugleich entwickelt sich auch die digitale Kreation, deren Denken und Herangehensweise, kontinuierlich weiter. Insbesondere beim Thema Adblocker kommt der Kreation eine besondere Beachtung zu: Die Herausforderung einer umfeld- und nutzerattraktiven Gestaltung ist eine der wichtigsten Aufgaben für die Digitalagenturen der Zukunft.

Weiters wird die Digitalisierung auch das Personal- und Recruitingwesen nachhaltig verändern. Die Schnelllebigkeit der digitalen Welt wird Fähigkeiten von Mitarbeitern und Führungskräften fordern. Ein teils fehlendes Ausbildungsangebot ist eine weitere Problematik, die es im digitalen Bereich zu bewältigen gilt. Technologische Entwicklungen sind für die Unternehmen der Digitalbranche Fluch und Segen zugleich: Einerseits bieten Innovationen rund um Künstliche Intelligenz, Chatbots und Virtual Reality neues Potenzial für kreative Köpfe – andererseits ist schwer vorherzusehen, was bloß Hype ist und was Bestand hat. Ressourcen müssen hier intelligent eingesetzt werden. Und schließlich ist es noch essenziell, dass Onlinewerbung trotz der verlockenden Möglichkeiten in einem gepflegten Umfeld stattfindet. Stichwort: Brand Safety.

1. Werbeabgabe Online

Die Ausweitung der Werbeabgabe auf Online wird wegen der politischen Situation wohl nicht mehr vor der Wahl verwirklicht. Eine „neue Bundesregierung“ wird sich damit beschäftigen, vermutet man im Fachverband Werbung und Marktkommunikation der WKO. Die Werbeabgabe ist ein Unikat im internationalen Vergleich und würde laut WKO einen weiteren Nachteil im Standortwettbewerb bedeuten – auch weil die Einhebung nur bei Unternehmen in Österreich erfolgt. Es ist für Kunden dann also günstiger, auf internationale Player auszuweichen. Kritisch sieht dies Alexandra Vetrovsky-Brychta, Geschäftsführerin Purpur Media: „Eine österreichische Werbesteuer wird bei internationalen Medien, die keinen Sitz in Österreich haben, sehr schwer administrierbar sein.“ Beim VÖZ heißt es, dass man generell für eine Abschaffung der Werbeabgabe ist: „Wenn dies aus budgetären Gründen nicht erreicht werden kann, dann sollten jedenfalls alle Mediengattungen gleich besteuert werden“, sagt VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger: „Fairness sollte im Vordergrund stehen.“

2. Personal und Ausbildung

Die Digitalisierung stellt Firmen auch hinsichtlich Personal und Recruiting vor neue Herausforderungen. Insbesondere in der Digitalbranche werden IT-Fachkräfte, Berater und Projektleiter wichtiger, die auch mit Kreativen erfolgreich kooperieren. Jedoch werden sich Menschen nicht mit der Schnelligkeit entwickeln, wie es in der digitalen Welt der Fall ist. „Die Liste an Dingen, in denen Computer die menschlichen Fähigkeiten übertreffen, wächst von Tag zu Tag. Insofern werden – radikal formuliert – die Maschinen in den nächsten Jahren einen gewichtigen Teil unserer Arbeit übernehmen, von der Kampagnenplanung bis zur Einbuchung“, so Tunnel23-Geschäftsführer Michael Katzlberger, der sich auch mit künstlichen Intelligenzen auseinandersetzt, die ein Hauptgrund für inhaltliche und organisatorische Veränderungen im Bereich des Personalwesens sind. „Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden wohl tiefgreifend sein“, ergänzt er. Bezüglich kreativen Tätigkeiten dauert es laut Katzlberger allerdings noch mehrere Jahre, bis Computer uns Menschen übertreffen könnten. Bei der Ausbildung gibt es viele Ansätze: Tunnel 23 setzt etwa auf interne Workshops mit externen Experten. Ausbildungsangebote vor allem für hochspezialisierte Tätigkeiten fehlen oft. „Gute Ausbildungsmöglichkeiten für die digitale Marketingbranche sind in den letzten Jahren gerade erst im Entstehen. iab austria bietet seit 2014 kompakte Basis- und Vertiefungskurse an – aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, so Lilian Meyer-Janzek, Geschäftsführerin des iab austria. 

3. Technische Veränderungen

Technische Neuerungen werden Wirtschaft und Gesellschaft auch in Zukunft prägen –damit ergeben sich Chancen, aber auch Herausforderungen. Einen Boom prognostiziert der Marktforscher IDC etwa bei Virtual- und Augmented-Reality-Brillen: Verkauften sich davon im Jahr 2016 noch zehn Millionen Stück, so soll der Absatz auf 100 Millionen Geräte im Jahr 2021 wachsen. Dafür werden neue Inhalte gebraucht, Kreative können ihr Potenzial voll ausschöpfen. „AR/VR entführt den Werbekunden in neue Welten und virtuelle Assistenten werden den User durch Produktpaletten führen“, sagt Michael Katzlberger, Geschäftsführer Tunnel23, über neue Technologien, die die Branche prägen werden. Großes Potenzial sieht er im Bereich Künstliche Intelligenz: „KI ist ja bereits Realität und ein mächtiges Hilfsmittel, von der Planung über datengetriebene Kampagnen bis hin zur Auslieferung – sie sorgt bereits jetzt für eine effiziente und präzise Abwicklung. Schneller und effizienter, als es der Mensch jemals könnte“, sagt er: „Aus meiner Sicht wird jedes Unternehmen eine KI-Strategie benötigen.“ Es brauche jedoch neue Denkweisen und Prozesse, „damit keine künstliche Dummheit entsteht.“

4. Brand Safety

Die Kritik gegen YouTube und Google ist erst wenige Wochen alt: Werbemittel von Unternehmen waren teils neben imageschädigenden Videos ausgespielt worden. Kunden kündigten den Abzug von Werbegeldern an, Google beschwichtigte und sah nur einen winzigen Anteil betroffen. Auch in Österreich wurden solche Fälle registriert. Peter Lammerhuber, CEO der GroupM Austria, beschwichtigt gegenüber HORIZONT: „Hierzulande waren es nicht 100.000 Ad Impressions, sondern zehn oder 15, also Einzelfälle. Hat es unsere Kunden betroffen, haben wir sie umgehend informiert.“ Für diese Situationen habe die GroupM etwa eine Prüfsoftware im Einsatz. Google würde in Österreich zudem vorwiegend auf Whitelists setzen, die dortige Einbuchung klassischer Werbeformen stelle „überhaupt kein Problem dar. Das ist bei YouTube schon anders. Es handelt sich hier ja um user-generierten Content, der ist schwer zu prüfen.“ Die GroupM als größter Mediaagentur-Verbund Österreichs arbeitet großteils mit Whitelists, also innerhalb geschlossener Publisher-Netzwerke. Die Wahrscheinlichkeit, dass Werbung innerhalb von Closed Market Places auf betrügerischen Seiten ausgespielt würde, sei gleich null. Gleichzeitig nutzen viele Agenturen Blacklists. „Bei uns sind etwa 255.000 Seiten blackgelisted, und die Liste wird laufend erweitert“, so Lammerhuber. Das Problem: Fraud-Seiten können erst nachdem bereits die Werbung ausgespielt wurde auf die Liste gesetzt werden. „Wir als Agenturen sind verpflichtet, unsere Auftraggeber zu warnen. Aber hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit“, so Lammerhuber.

5. Agenturen-Workflow

Das Zusammenspiel von Kreation und Media bei digitalen Werbemitteln ist essenziell – oft kam es in der Vergangenheit zu qualitativen und technischen Problemen. „Es wurden teilweise fehlerhafte Sujets an die Mediaagenturen geliefert, die diese dann fünf vor zwölf, kurz vor Kampagnenauslieferung, selbst reparieren mussten“, wie Peter Lammerhuber feststellt. Ein Umstand, der Mediaagenturen womöglich unabhängiger von der Kreation gemacht hat. Um den Arbeitsprozess zu erleichtern, ist eine Prüfplattform für digitale Werbemittel vonseiten des VÖZ gemeinsam mit dem iab und der IGMA in Planung. Auf dieser sollen die fertigen Sujets hochgeladen und auf Erfüllung der technischen Anforderungen getestet werden. Erst dann sollen die Werbemittel an die Mediaagenturen gehen. Indes weichen die Grenzen von Media- und Werbeagenturen immer mehr auf, wie zahlreiche Agenturvertreter bestätigen. Mediaagenturen bauen durch Zukäufe oder neue Abteilungen oftmals eigene Kreativabteilungen auf, Digitalagenturen fischen im Revier der Mediaagenturen mit und buchen teils selbst ein, um den Überblick über eine Kampagne zu haben oder den Workflow zu erleichtern.

6. Datenschutz

Im Mai 2018 tritt die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft, welche die nationalen Datenschutzregeln der EU-Mitgliedsstaaten ersetzt und den Umgang mit Kundendaten innerhalb der EU harmonisiert – mit Ausnahmen: Denn in 69 sogenannten „Öffnungsklauseln“ dürfen die Mitgliedsstaaten sehr wohl eigene Adaptierungen vornehmen. In Österreich hätte es in diesem Kontext zu einer Neufassung des Datenschutzgesetztes kommen sollen – nun haben sich ÖVP und SPÖ auf eine abgespeckte Novellierung des bestehenden Gesetzes geeinigt, da das von der Regierung geschnürte Gesetzespaket an der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Nationalrat zu scheitern drohte. Geregelt ist in der DSGVO unter anderem die Ernennung eines Datenschutzbeauftragten: Demnach müssen etwa öffentliche Behörden und Stellen, die Datenverarbeitungen durchführen, sowie Unternehmen, in denen Datenverarbeitungen zur Kerntätigkeit zählen, in jedem Fall einen Datenschutzbeauftragten benennen – für alle anderen ist dies trotzdem ratsam, da die neuen Regeln komplex sind und eine Missachtung hohe Strafen mit sich bringt: 20 Millionen Euro oder vier Prozent des globalen Umsatzes können fällig werden. Unternehmen sollten daher schon jetzt die richtigen Maßnahmen treffen, um das ab Mai 2018 geltende Recht nicht zu verletzen.

Parallel zur DSGVO wird in Brüssel an der ePrivacy-Verordnung gearbeitet, welche unter anderem den Einsatz von Cookies im Browser regeln soll – diese sind für die Onlinewerbebranche, etwa in Hinblick auf Re-Targeting, essenziell. 

7. Digitale Kreation

Der Kreation von zahlreichen Werbemittelformaten kommt eine hohe Bedeutung zu: Sie dürfen den Nutzer nicht verärgern und sollten dennoch auffällig im idealen Blickfeld sein. Für Harald Winkelhofer, Geschäftsführer IQ mobile, ist etwa eine Verkleinerung eines Desktopwerbemittels für Mobile kein Kardinalfehler mehr. Vor allem native Formate sowie Anzeigenformate im „Look & Feel“ der jeweiligen Website seien hilfreicher, um erfolgreich Werbung im Web zu platzieren. Ebenso wie Anzeigen, die intent-driven gestaltet sind, der Nutzer die Anzeige also im Kontext dessen sieht, was er gerade nutzt. Allgemein werde es immer wichtiger, die verschiedensten Werbemittel an die Inhalte und auch an die Bedürfnisse der User anzupassen, dabei spielt auch stärkere Personalisierung in der Ausspielung eine große Rolle. Agenturen setzen beispielsweise verstärkt auf Geo- und Wetterdaten. Nicht zu vergessen sind Bewegtbild-Ads, die sich laut verschiedener Prognosen künftig verstärkt in Onlinewerbemitteln finden werden. Die Nachfrage steigt, auch nach Vertical Videos explizit für die Mobile-Kommunikation, wie Branchenexperten erkennen. Eine Herausforderung in der digitalen Kreation sind Ad-Blocker. „Wichtig ist es, dass Werbung gut gestaltet ist, und somit weniger als Werbung, sondern mehr als Service beim Endkonsumenten ankommt“, sagt etwa Winkelhofer. Er rechne damit, dass die Ad-Blocker-Nutzung in Österreich, so wie auch weltweit, steigen wird. Für die Branche und explizit Vermarkter eine drohende Gefahr, da im schlimmsten Fall Einbußen im zweistelligen Prozentbereich drohen.
stats