Der vernetzte Kühlschrank mag noch nicht der Renner sein. Das Internet of Things wird dennoch alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche erobern.
Dieser Artikel erschien bereits in der HORIZONT-Ausgabe 17/2016 vom 29. April. Hier geht's zum Abo.
Seit der Jahrtausendwende geistert der mit dem Internet verbundene Kühlschrank durch Consumer Shows: LG brachte das erste Modell auf den Markt, sein Erfolg war bescheiden. Die Koreaner blieben aber dran, das bei der CES in Las Vegas Anfang 2016 vorgestellte Modell bestellt zwar noch nicht von selbst zur Neige gehende Lebenmittel, erlaubt aber bei Berührung mittels transparenter Tür einen Rundumblick ins Innere, spart so Energie und hat ein System, das Gerüche wegfiltert. Ein Siemens-Modell macht im Innenraum Bilder, die aufs Handy kommen und beim Einkauf helfen sollen. MasterCards "Grocery-App" für ein heuer auf den Markt kommendes Samsung-Modell (das auch eine Art Tablet an der Tür hat) verbindet die Fehlstands-Info gleich mit dem Onlineshop von Handelsketten.
Smart Home als Umsatztreiber
Kühlschränke, dazu vernetzte Waschmaschinen, Backöfen oder Kaffeemaschinen: Der Haushalt scheint ein bevorzugtes Aufmarschgebiet des Internet of Things (IoT). Letztlich wird aber der Markt entscheiden, ob alles, was bald möglich ist, auch gewünscht wird – die Marktforscher von IDC (International Data Corporation), haben im Auftrag der Europäischen Kommission eine Studie verfasst, zu dem "neuen Zeitalter der Hyper-Konnektivität der Gesellschaft", also der Rolle von Cloud, Big Data und IoT als Treiber für Innovation. Auch demnach ist das IoT kein Hype, sondern dauerhaft: es gebe schon jetzt ausreichend Anwendungen in den EU-Ländern, und der bisher technologiegetriebene angebotsdominierte Markt wird bald von Nachfragekräften dominiert sein, etwa durch soziodemografische Trends. Das IoT als disruptive Innovation ändert Geschäftsabläufe radikal, "Smart environments" erzeugen neue Dienstleistungen, auch in Verbindung mit Robotertechnik.
In Zahlen: Die Umsätze, die sich aus dem IoT ergeben, werden in den EU 28 von etwa 400 Millionen Euro im Jahr 2015 bis 2020 auf 1.818 Milliarden Euro anwachsen (Hardware, Software und Services eingerechnet). Neben Smart Manufacturing, Smart Health sowie auch Smart Customer Experience böten Smart Homes beste Geschäftschancen: Bei letzterer sind es Applikationen zu Sicherheit, Energie und für den Haushalt im engeren Sinn. Bis 2010, so die IDC-Prognose, wird die Anzahl der in der EU pro Person mit dem Internet verbundenen "Geräte" (vom TV über Autos bis zu Nutztieren) fünf bis zehn Mal so groß sein, wie die Anzahl der PCs. Man rechnet mit 6 Milliarden IoT-Verbindungen. 2013 waren es schon 1,8 Milliarden.
Risikofaktor Wachstum
Der Anteil des Handels an der in etwa erwarteten Versechsfachung der IoT-Umsätze in der EU bis 2020 beträgt dabei immerhin 11 Prozent, in Euro ausgedrückt: 124,4 Milliarden. Das Risiko der IoT-Umsatzprognosen, für Handel wie auch für Industrie, wäre ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum als vorhergesagt (jährlich EU-weit 1,7 Prozent). Die südeuropäischen Länder liegen diesbezüglich in der letzten von vier Gruppen (sehr geringes Wachstum), Österreich nur in der dritten Gruppe (geringes Wachstum). Ganz vorne, und damit auch die potenziell besten IoT-Märkte für die Analysten der IDC, sind Skandinavien, UK und Deutschland.