Herbert Rohrmair-Lewis, Managing Partner Zum goldenen Hirschen, und Hirschen Group-CEO Martin Blach über Geschäftsführerwechsel, Synergien mit Deutschland und dem Potenzial der Customized Agency.
Dieser Artikel ist zuerst in Ausgabe Nr. 25/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
Die Agenturbranche in Österreich befinde sich im Umbruch. „Es ist wichtig, wach zu sein und ein Agenturmodell zu haben, das sich nicht überholt“, begründet Herbert Rohrmair-Lewis, Managing Partner bei Zum goldenen Hirschen, im Gespräch mit HORIZONT den Umbruch seiner eigenen Agentur. Und der hat es in sich: Gerhard Martinek, geschäftsführender Gesellschafter und Alexander Zelmanovics, geschäftsführender Gesellschafter Kreation, haben schon mit Ende Mai das Unternehmen verlassen, wie nun bekannt wurde. Rohrmair-Lewis indes wird zum Managing Director ernannt und vertritt als geschäftsführender Gesellschafter von Zum goldenen Hirschen und 365 Sherpas das gesamte Leistungsportfolio in Österreich.
Markus Zauner (J. Walter Thompson, eine WPP-Tochter, die seit Dezember mit den Hirschen unter einem Dach agiert) übernimmt die Kreativleitung von Zum goldenen Hirschen Campaigning. Und auch bei der politisch-strategischen Kommunikationsberatung 365 Sherpas, die Rohrmair-Lewis 2017 am Wiener Standort ins Leben gerufen hatte, tut sich etwas an der Spitze: die Leitung selbiger übernimmt Joachim Kurz.
Welchen Weg Zelmanovics und Martinek einschlagen, weiß Rohrmair- Lewis offiziell nicht, aber „wir sind dankbar, dass sie Zum goldenen Hirschen aufgebaut haben“. Beide waren in den letzten Jahren unter anderem für Kunden wie Baumax, Nöm, Generali und Raiffeisenbank International verantwortlich gewesen. Die flexible Ausdehnung auf mehr Marken als Zum goldenen Hirschen dürfte wohl auch zur personellen Umstrukturierung beigetragen haben.
‚Gut Ding braucht Weile‘
Die Hirschen Group zähle zu den erfolgreichsten Agenturen, mit über 750 Mitarbeitern im deutschsprachigen Raum, meint Rohrmair-Lewis: „Dieses Wachstum, das die Gruppe hingelegt hat, haben wir in Österreich nicht geschafft. Mit den Umstrukturierungsarbeiten am Wiener Standort werden wir versuchen, diese Blaupause wesentlich besser nachzuzeichnen.“ Die Hirschen Group in Deutschland habe schließlich ebenfalls mitbekommen, „dass wir Blut geleckt haben und uns auch breiter aufstellen wollen“. Das weiß auch der Gründer und Co-CEO der Hirschen Group, Martin Blach. Das „Eingeständnis“ Rohrmairs des zu geringen Wachstums hierzulande will er auf Nachfrage von HORIZONT nicht gelten lassen: „Die Hirschen Group ist in Deutschland über 23 Jahre entstanden und gut Ding braucht Weile. Die klassische Kreativagentur hat aber keine Zukunft mehr, weshalb wir uns in Österreich weiterentwickeln und integriert aufstellen.“
Man wolle einiges investieren: Den Roll-out der in Deutschland tätigen Multichannel-Agentur ressourcenmangel zum Beispiel kann sich Rohrmair- Lewis durchaus als nächsten österreichischen Schritt vorstellen. Auch wolle man sich im Strategiebereich verstärken. „Der gemeinsame Nenner und die zentrale Ressource aller Marken ist Kreativität, das ist die Grundlage unserer DNA. Wir befinden uns in einem Kulturwechsel. Und wir glauben an maßgeschneiderte Teams und agile Prozesse“, führt Rohrmair-Lewis aus. „Dazu gehört nun auch, verstärkt mit den deutschen Kollegen zu kooperieren. Ob sie von Köln nach Berlin fliegen oder von Hamburg nach Wien – das ist ja dasselbe. Es wird alles vernetzter und wir brechen damit Mauern nieder.“
‚360-Grad braucht kein Kunde‘
Auch das Thema Customized Agencies könnte, wie in Deutschland, zu einem in Österreich werden, lässt Rohrmair- Lewis anklingen. Maßgeschneiderte Agenturen gebe es hier noch zu wenige. Die hiesigen Hirschen seien schließlich bereits Teil einer deutschen Customized Agentur für einen internationalen Handelskunden. Die Hirschen in Deutschland sind mitunter auch bekannt für ihre „Hirschen- Töchter“, Zum roten Hirschen; eine Customized Agency exklusiv für den Großkunden MediaMarkt. Zwar gibt es Blach zufolge unterschiedliche Customized-Modelle und der Aufbau einer Agentur hänge vom Volumen ab, „aber die Bedeutung von Customized Agencies oder Teams wird in Österreich klar zunehmen“. Der Begriff „360-Grad-Kommunikation“ sei missverständlich: „Das braucht kein Kunde dieser Welt. Manche brauchen 117 Grad, manche 122 – nur eben auf der anderen Seite der Kompasses.“
In Deutschland würden zahlreiche Kunden punktuell oder dauerhaft durch Teams unterschiedlicher Agenturmarken betreut, darunter Das Erste oder das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, erklärt Blach. Das liefere „die Blaupause für die Aufstellung am Wiener Standort. Wir sind uns sicher, dass auch österreichische Kunden vom unkomplizierten und schnellen Zugriff auf alle für sie relevanten Gewerke und Expertise profitieren.“ Sprich: Wesentlich mehr Austausch zwischen beiden Ländern.
Geplant sei das nicht von langer Hand gewesen, resümiert Blach: „Das Ganze hat auch mit Opportunity und Timing zu tun.“ In Deutschland sei man zu einer der großen inhabergeführten Agenturen aufgestiegen, „das wollen wir natürlich in Österreich nachbauen. Abgesehen davon existiert für mich die Grenze zwischen Deutschland und Österreich gar nicht mehr.“ Die Synergieeffekte sollen in beide Richtungen stattfinden, Blach abschließend: „Die Zeiten von Cordoba, als man den großen deutschen Bruder noch blöd fand, sind lange vorbei.“