Im Interview kritisiert Andreas Weiss, CEO Central Dentsu Aegis Network, Mediaagenturen für Intransparenz und erklärt, dass Leistung ihren Preis hat. Er äußert sich hart über die ‚langweilige‘ österreichische Medienszene, und mahnt zur Innovation
HORIZONT: Was bedeutet das konkret für Ihre Arbeit?Weiss: Wir haben umstrukturiert. Jan Gorfer wurde bereits im Herbst als Managing Director für Carat geholt. Georg Gartlgruber wird sich stärker um übergreifende Dentsu-Aufgaben im Bereich Business Intelligence kümmern. Ich selbst kann damit wieder mehr reisen. Wenn man Gespür für die Länder entwickeln will, muss man vor Ort sein und die Leute bei der täglichen Arbeit begleiten. Da genügt kein wöchentliches Skype-Meeting. Die Schweiz agiert, wie auch die Länder in Adriatics, sehr autonom. Wir planen aber übergeordnet sehr wohl, Produkte in beiden Märkten auszurollen und neue Geschäftsfelder zu entwickeln – zum Beispiel im Bereich Content Marketing und Sportrechte. Unsere Plattform amnet für Programmatic Buying wird von Herbert Pratter ebenso über die gesamte Region ausgerollt wie auch einige Planungstools. Und mit der Consumer Connection Study haben wir in Österreich die meiste Erfahrung, die wollen wir gern weitergeben. Ich glaube, dass kleine Märkte zusammenarbeiten müssen, um nicht überrollt zu werden. Es gilt Synergien zu heben und Ideen zu entwickeln, sonst kann man schnell zum Anhängsel von einem großen Land werden. Das versuche ich in meinem Verantwortungsbereich, so lange es Sinn macht, zu verhindern.
HORIZONT: Sie sind für die Märkte Kroatien, Slowenien, Bosnien, Albanien zuständig. Wie läuft das Geschäft?Weiss: Die Länder sind sehr heterogen – in Slowenien sind die Marktgegebenheiten ähnlich wie hierzulande, mit gut entwickelter Markt- und Medienforschung. In Albanien oder Bosnien fehlen teilweise die Basics, es gibt nur wenige Marktdaten und diese sind selten vollständig. Seit Jänner sitzt in Kroatien auch lokales Management mit Team, unterstützt von einer Wiener Mitarbeiterin vor Ort. Das ist ein echtes Bekenntnis zu den Märkten, denn wirtschaftlich läuft es im Süden wirklich schlecht. Arbeitslosigkeit und Kostenexplosion wirken sich im täglichen Leben dramatisch aus. Wir haben erlebt, dass Kunden in Naturalien bezahlen wollen – Barter Deals sind keine Seltenheit. Aber natürlich ist das nicht die Regel, weil es für ein Netzwerk nicht tragbar ist. Schön ist wiederum die Dynamik der Märkte. Da arbeiten viele engagierte junge Menschen, es gibt Entrepreneurship, das deutlich ausgeprägter ist als bei uns. Das stimmt mich optimistisch, dass die Länder wieder Boden unter den Füßen bekommen werden.
HORIZONT: Gibt es Kunden, die in allen Ländern betreut werden?Weiss: Einige. Mastercard, Opel, adidas, Lego und viele mehr betreuen wir von der Schweiz bis Albanien. Aber es sind auch ganz viele lokale Kunden – das stärkt die Länder und ist ein strategisch sehr wichtiges Standbein.
HORIZONT: Mediaagenturen stehen häufig in der Kritik – nur ein Beispiel ist Real Time Bidding und Programmatic Buying, ein System, an dem Agenturen sehr gut verdienen …Weiss: Das Abrechnungsmodell bei Programmatic wird leider von einigen Agenturen intransparent gehandhabt. Der Grund? Feigheit, für die eigene Leistung auch einen Preis zu verlangen. Statt Kunden darzulegen, dass der technische und personelle Aufwand durchaus beträchtlich ist und dafür einen Preis festzulegen, wurden undurchschaubare Medien-Bundles verkauft. Das war nicht nur marktschädigend, sondern eine haarsträubende Dummheit. Warum nicht Offenheit pflegen? Warum sind wir die einzige Branche, die glaubt, dass sie alles kostenlos hergeben muss? Die Automatisierung durch Programmatic Buying ist eine brillante Idee und eines der transparentesten Systeme, die es gibt. Es bietet standardisierte Abläufe und schafft Mehrwert, ohne dabei das persönliche Gespräch zu ersetzen. Wenn Agenturen versuchen, ein bisschen Kleingeld für ihr Monats-Reporting zu machen, erweisen sie der Branche und dem Kunden keinen Dienst. Unser Zugang bei Dentsu ist simpel: Je nachdem, welche Leistung du willst, dementsprechend kostet es. Das ist Klarheit und ich kann nur meine Mitbewerber aufrufen, dass auch sie diese Klarheit und Mut an den Tag legen.
HORIZONT: Wie wird es mit der Branche weitergehen, wenn Technologien sich rasch entwickeln, Abläufe vereinfacht werden und Google und Co. am Markt Fuß fassen?Weiss: Heute ist kaum Manpower und Investment notwendig, um Großes zu ...
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... bewirken. Nehmen Sie die Taxibranche, eine Idee und eine App haben genügt. Oder im Hotelbusiness: Eine Idee und eine App und Airbnb verändern die Welt. Werden Entwicklungen dieser Art auch in unserer Branche passieren? Ja, ganz bestimmt. Es werden kluge Menschen mit innovativen Ideen kommen und die Branche überrollen. Das gilt übrigens für alle, für die Medienbranche, die Kreativen, Mediaagenturen. Es braucht heute nicht viel, um eine Branche zu revolutionieren. So gehe ich davon aus, dass wir bei Dentsu Aegis 2020 rund 80 Prozent des digitalen Inventory programmatic einkaufen werden, derzeit sind es rund zehn Prozent.
HORIZONT: Welche Strategien gibt es, um zu überleben? Netzwerke kaufen sich zum Beispiel Technologieschmieden. Gibt es andere Wege?Weiss: Entweder du bist ein Start-up oder ein Turnaround-Unternehmen mit Spirit, das sich neuen Gegebenheiten rasch anpasst. Erfindergeist, Innovation, neue Wege sind gefragt.
HORIZONT: Was macht Dentsu Aegis konkret?Weiss: Bei uns gibt es Projektgruppen zu verschiedenen Themen. Da sitzen erfahrene Planer, Einkäufer, junge digitalaffine Kollegen beisammen und denken nach. Wir arbeiten zum Beispiel an einem intensiven und schmerzhaften Prozess, um Planung und Einkauf neu zu strukturieren, und es geht da nicht nur um eine neue Teamzusammensetzung. Anleihe nehmen wir teils bei anderen Branchen. Warum konnte sich easyJet etablieren? Warum wird für die Business Class mehr bezahlt? Wir beobachten, was Google und Facebook machen, denken über neue Geschäftsmodelle nach. Wir müssen aufhören, in unserem kleinen Garten still zu verharren. Was, wenn in Indien ein smarter Softwareentwickler ein Tool erfindet, wo Kunden ihre Pläne super easy eingeben können? Muss ich dann 40 Mitarbeiter entlassen? Das will ich nicht. Also muss ich nachdenken, wie wir dem Kunden Mehrwert bieten können. Auch und vor allem dann, wenn automatisiert wird. Das ist unaufhaltsam. Das ist eine Gefahr, also hinterfragen wir alles und suchen die Chance.
HORIZONT: Ich erinnere mich, dass Sie in der MediaCom gern Mitarbeiter und ihre Kenntnisse prüften, ungemütliche Fragen stellten. Ist das heute noch so?Weiss (lacht): Seltener, aber ich mache das nicht aus Bösartigkeit, sondern, weil ich will, dass die Leute denken, verstehen und innovativ sind. Ich brauche keine Administrierer.
HORIZONT: Das Media-Business ist auch heute noch sehr stark vom Medienvolumen getrieben …Weiss: Ja, der Income kommt zu 90 Prozent aus Media, aber Non-Media in Form von Research, Mobile, technischen Dienstleistungen, Beratung, kreativen Angeboten bietet neue Einkommensquellen.
HORIZONT: Die Fusion mit Dentsu ist jetzt eineinhalb Jahre alt, wie profitiert die Agentur vom Netzwerk? Weiss: Der Austausch ist intensiv und inspirierend. Kürzlich war der globale CEO für Innovation in Wien und hat anschließend bei den Marketing Rockstars gesprochen. Wir haben regelmäßig japanische Kollegen im Haus. Dentsu hat stark entwickelte Bereiche wie das Geschäft mit Sportrechten. So hat die Gruppe die Rechte für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio gekauft. In Japan wird auch extrem viel Geld in digitale Forschung investiert. Dentsu setzt auch auf Filmformate, geht ins Risiko, produziert und verkauft die Rechte – das könnte auch für den österreichischen Markt interessant werden.
HORIZONT: Zurück zu Österreich und seinen Medien. Sie haben den Ruf, sehr hart zu verhandeln – ist da was dran?Weiss: Ich hoffe, wir haben den Ruf, die Unbequemsten zu sein. Das ist okay. Sind wir die Billigsten, wie manche gerne behaupten? Nein, denn dann würden wir jeden Pitch gewinnen. Mir ist ein ordentliches Preis-Leistungs-Verhältnis einfach wichtig. Was soll daran schlecht sein?
HORIZONT: Wie sehen Sie die Medienlandschaft?Weiss: Es ist eigentlich unfassbar langweilig.
HORIZONT: Das müssen Sie jetzt näher erklären.Weiss: Sehen Sie sich an, was in UK oder in Skandinavien oder in Japan passiert. Selbst in Deutschland ist Aktivität spürbar. Aber hier warten nur alle, dass etwas passiert. Nennen Sie mir eine tatsächliche Innovation oder Neuausrichtung. Es wird immer nur reagiert.
HORIZONT: Und was sollte Ihrer Meinung nach passieren?Weiss: In Österreich hat jeder seinen kleinen Schrebergarten, der gehegt und gepflegt und auf Biegen und Brechen verteidigt wird. Man heftet sich dann auch noch auf die Fahnen, angeblich dem Medienstandort Österreich zu helfen. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall und ich meine nicht: „Lasst uns alle mit Google, Facebook et cetera eine glückliche Allianz eingehen und uns aufgeben.“ Ich meine vielmehr, dass die Medienhäuser endlich verstehen müssen, dass sie sich gemeinsam in ihren Interessen finden müssen. Wir können uns nicht versperren, aber wir können uns intelligent bewegen. Es geht darum, neue, auch ungewöhnliche Ideen zu entwickeln. Und Mut zu haben.
HORIZONT: Aber die Tageszeitungen und der ORF arbeiten zum Beispiel zusammen, wollen Content teilen …Weiss: Das ist nicht weltbewegend, innovativ oder neu. Ehrlich gesagt halte ich es für einen genialen Schachzug des ORF: Er gibt seinen Content weiter, die anderen verkaufen diesen für ihn und er verdient daran. Zuerst wettern alle gegen den ORF, dann tun sie sich zusammen. Das verstehe ich nicht. Warum agieren die Printmedienhäuser nicht gemeinsam und entwickeln etwas Eigenes? Oder nehmen Sie den Media Server, seine Implementierung dauert nun schon fünf Jahre. Die AGTT macht seit Jahren ein Geheimnis rund um die Ausweisung und Methodik von Hybridquoten, von der Erfassung von YouTube ist keine Rede. Netflix wurde kaum beachtet und jetzt sind sie da. Jetzt sind alle aufgewacht und machen eigene Angebote. Das ist reaktives Tun. Es ist langweilig. Und das ist letztlich wirklich gefährlich für den Medienstandort.
HORIZONT: Was heißt das jetzt konkret?Weiss: Wir müssen unbequemer werden, auch wir Mediaagenturen. Wir müssen Kunden und Medien mehr herausfordern. Wir sind andererseits gefordert, Klarheit zu schaffen, unsere Dienstleistungen ihrem Wert entsprechend zu verkaufen – auf der ganzen Welt ist es anerkannt, für Leistung entlohnt zu werden. Mediaagenturen dürfen ihre Arbeit nicht umsonst tun. Die Kunden wollen Transparenz. Wir sollten dafür geradestehen, dass unsere Arbeit relevant ist.
HORIZONT: Fad wird es wie es scheint nicht bei Dentsu Aegis ...Weiss: Ich mag es, Dinge zu verändern und zu managen. Das Ausmaß an unternehmerischer Freiheit ist in kleinen Ländern wie Österreich oder auch der Schweiz sehr groß. Die Situation gleicht oft einem Innovation Lab – manches läuft einfach unter dem Radar, auch wenn wir natürlich einen Businessplan einhalten müssen. Das ist eine große Chance und das schätze ich sehr.
Veränderungen im Dentsu Aegis Network EuropeAndreas Bölte lenkte bis Ende 2014 und als Nachfolger von Aleksander Ruzicka die Geschicke der Region des Dentsu Aegis Networks (DAN) bevor er, wie zuletzt zu erfahren war, fristlos gekündigt wurde. Zu diesen Entwicklungen läuft aktuell ein von Bölte initiiertes Gerichtsverfahren. An seine Stelle rückte bei DAN der Däne Lars Bo Jeppesen und bisher CEO von DAN Nordeuropa mit Verantwortung für Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland. Nun führt Jeppesen den neu formierten Cluster für Skandinavien, Zentral- und Südeuropa. Für Zentral- und Südeuropa ist Andreas Weiss zuständig, der zusätzlich zu Österreich und Adriatics seit Kurzem die Schweiz mitverantwortet und an Jeppesen reportet. Der russische Markt, in dem DAN inzwischen 1.100 Mitarbeiter alleine in Moskau beschäftigt der und bis dato von Bölte mitverantwortet wurde, wird Teil des eigenständigen Clusters Russland/GUS mit Kirill Matveev als CEO von DAN Russia. Die Türkei wird wiederum in die Region Südosteuropa integriert und von CEO Giulio Malegori geführt.