Der Österreichische Werberat präsentiert seine Bilanz für 2018. Man verzeichnete weniger Beschwerden – wobei die meisten erneut zum Thema Geschlechterdiskriminierung eingingen. TV belegte wieder den Top-Platz bei den betroffenen Medien.
Dieser Artikel ist auch in der Ausgabe 9/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken.
In der heimischen Werbebranche existiert eine zunehmende Bereitschaft zur Kooperation – das lässt die aktuelle Jahresbilanz des Österreichischen Werberates (ÖWR) für 2018 klar erkennen. Insgesamt 316 Beschwerden wurden im vergangenen Jahr eingebracht und in Folge führten sie zu 194 Entscheidungen seitens des ÖWR-Gremiums, das in zwölf Fällen zu einem sofortigen Stopp des Sujets beziehungsweise der Kampagne aufforderte.
Die Jahresbilanz zeigt allerdings auch deutlich: In der Mehrheit der Fälle war der Werberat entweder nicht zuständig, es gab keinen Grund zum Einschreiten oder ein Verfahren war aufgrund nicht eingereichter Unterlagen nicht möglich. Dabei fiel auf, dass die Anzahl der Beschwerden und somit auch der Entscheidungen im Jahresvergleich deutlich rückläufig ist, haben 2017 doch immerhin 504 Beschwerden zu 228 Entscheidungen geführt. Der Grund hierfür, so der Werberat: 2017 hat es einige besonders polarisierende und in den Medien präsente Kampagnen gegeben, die in Folge zu mehr Beschwerden seitens der Öffentlichkeit geführt hätten.
Wöchentlich stellen 214 Vertreter der österreichischen Werbebranche, gemeinsam mit Spezialisten wie Psychologen, Ärzten und NGO-Vertretern, ihre Expertise zur Verfügung und beraten im Beschwerdefall. Wie schon in den Jahren zuvor führte dabei auch 2018 der Beschwerdegrund „Geschlechterdiskriminierende Werbung“ mit 66 Entscheidungen das Ranking an – gefolgt von den Gründen „Ethik und Moral“ (36), „Irrung und Täuschung“ (31), „Gefährdung von Kindern und Jugendlichen“ (15) sowie „Gewalt“ (11). Dabei hat der ÖWR auch 2018 nicht in allen Fällen zwingend ein Stopp der Kampagne oder einen sofortigen Wechsel des kritisierten Sujets empfohlen: In 16 Fällen wurde dazu aufgefordert, „in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen/Sujets sensibler vorzugehen“ und in weiteren 16 Fällen haben die betroffenen Unternehmen ihre Werbemaßnahmen bereits nach der ersten Kontaktaufnahme durch die ÖWR-Geschäftsstelle von sich aus zurückgezogen.
So ähnlich die Gründe für Beschwerden seit Jahren sind, so unterschiedlich hat sich die Gewichtung nach Medien entwickelt: So belegte mit 49 Entscheidungen erstmals wieder TV den Spitzenplatz, gefolgt von Plakaten (32) und Internet (29), das 2018 einen deutlich sichtbaren Rückgang im Vergleich zu 2017 (52 Entscheidungen) verzeichnete. Auffällig: Das Medium Verpackungsmaterial rief im Vorjahr erstaunlich viele Beschwerden seitens der Konsumenten hervor: in zwölf Fällen musste der Werberat über Beschwerden entscheiden – 2017 hingegen waren es lediglich vier gewesen. Die klassische Printanzeige hingegen rief 2018 deutlicher weniger Beschwerden hervor als in der Vergangenheit: Im Vorjahr wurden hier lediglich elf Entscheidungen getroffen, während es im Jahr zuvor noch 28 gewesen waren. ÖWR-Präsident Michael Straberger sieht den Grund dafür auch in einer zusehends funktionierenden Selbstregulierung der Branche.
Horizont: Was sind die größten Veränderungen der Werberatsbilanz im Vergleich zu 2017?
Michael Straberger: Eine besonders erfreuliche Entwicklung ist, dass immer mehr Unternehmen ihre Kampagnen im Beschwerdefall von sich aus ändern oder zurückziehen. Bereits bei der Beschwerdeanfrage, die jedes Unternehmen vorab bekommt, haben 2018 16 Unternehmen von sich aus die Sujets zurückgenommen. Auch nach den Beschwerdeverfahren gibt es viele, die Entscheidungen bezüglich Sensibilisierungen und/oder Stopps hatten und Kampagnen geändert haben. Das ist für mich ein klares Zeichen, dass die Selbstkontrolle mehr und mehr Akzeptanz findet.
Woran liegt diese wachsende Akzeptanz?
Ich glaube, dass die Auftraggeber ebenso wie die Agenturen den Werberat als Serviceeinrichtung erkennen und nicht als Kontrollorgan im Sinne des Abmahnens und Strafens. Wir verstehen uns als Organisation, die die Werbewirtschaft unterstützt und in diesem Diskurs stoßen wir auf immer mehr auf Einsicht.
Gibt es viele uneinsichtige Werbetreibende?
Die Kolleginnen und Kollegen aus der Geschäftsstelle haben immer wieder mit schwierigen Fällen zu tun. Tendenziell sind es kleinere Firmen oder Einzelunternehmen, die man nur mit viel Überzeugungskraft von ihrer Idee abbringen kann. Internationale wie große nationale Unternehmen, die professionelles Marketing betreiben, haben diese Probleme im Normalfall nicht. Das hängt auch damit zusammen, dass erkannt wurde, wie sehr man Unternehmens- oder Produktmarken mit Fällen schaden kann, in denen man versucht, gegen ethische und moralische Standards, wie in unserem Kodex definiert, zu agieren.
2018 war der meistgenannte Beschwerdegrund erneut „Geschlechterdiskriminierung“. Der Werberat hat 2018 auch seinen Ethik-Kodex in diesem Bereich sowie beim Thema Gewalt überarbeitet. Wieso war dies notwendig?
Das haben wir speziell für den Onlinebereich getan, denn 2017 sind die meisten Beschwerden zum Werbemedium Internet eingegangen. Der Bereich der Geschlechterdiskriminierung ist dem ständigen Wandel der gesellschaftlichen Wahrnehmung unterworfen. Hier besteht die Notwendigkeit, den Ethik-Kodex dem aktuellen Status anzupassen und auch internationale Entwicklungen darin zu verankern.
Wie sensibel sind die Mediennutzer mittlerweile, wenn es um Ethik-Verstöße in der Werbung geht?
Unsere Konsumentenstudie vom Sommer 2018 zeigt deutlich, dass die Sensibilisierung zu Ethik-Fragen in der Gesamtbevölkerung stark im Steigen ist, auch durch Bewegungen wie #MeToo. Für mich ist auch ein deutliches Zeichen für diesen Anstieg, welche Relevanz diese Themen für Unternehmen haben. Hinzu kommt, dass Konsumenten auch auf Basis ethischer Grundlagen ihre Kaufentscheidungen für oder gegen eine Marke treffen. Wir wissen aus dem Mitgliederkreis des Markenartikelverbandes, aber auch anderer Unternehmen, dass man sich dieser Verantwortung bewusst sein muss, um keine negativen Effekte für den Absatz von Produkten zu riskieren.
Erst zu Beginn des Jahres hat der Werberat den Ethik-Kodex um das Thema Influencer erweitert.
Man kann es kaum glauben, aber bislang hat es beim Werberat keine einzige Beschwerde zum Thema der Influencer-Werbung gegeben. Wir haben jedoch aufgrund der internationalen Entwicklung, auch in Zusammenarbeit mit der Medienbehörde RTR, vorauseilend dieses Thema aufgegriffen. Denn in Österreich sind zwischen 3.000 und 5.000 Influencer tätig, und sie bekommen wenig Hilfestellung – teilweise auch, weil sie sehr jung sind –, wie sie ihre Werbemaßnahmen auslegen sollen.
Was sind weitere Pläne des Werberates für 2019?
Wir haben als großes Thema die Frage, wie sich Selbstregulierung unter den Vorgaben der EU entsprechend weiterentwickeln kann, dass wir in Österreich möglichst wenig gesetzliche Einschränkungen für das Agieren von Unternehmen haben. Die im Herbst verabschiedete audiovisuelle Mediendienstrichtlinie der EU gibt vor, dass man die Umsetzung auch für die EU-Staaten innerhalb einer Frist gewährleisten muss. Wir stehen deshalb in intensivem Austausch mit der Medienbehörde und dem Bundeskanzleramt, damit wir die Erfolge der Selbstregulierung ausbauen können. Ein weiteres Thema, das wir 2019 als besonders wichtig erachten, ist die Neuausrichtung des bisherigen Anti-Sexismus-Beirates, den wir gemeinsam mit dem Frauenministerium installiert haben und der 2018 ausgesetzt war.
[Sandra Wobrazek]