Wahl 2017: So wirken die Werbe-Sujets der Par...
 

Wahl 2017: So wirken die Werbe-Sujets der Parteien (Teil 2)

Volkspartei
Neuer Spitzenkandidat, neuer Name, neue Farbe. Das Hauptsujet der Volkspartei zeigt Sebastian Kurz im Gespräch.
Neuer Spitzenkandidat, neuer Name, neue Farbe. Das Hauptsujet der Volkspartei zeigt Sebastian Kurz im Gespräch.

Experten analysieren die Plakate der Parteien zum Nationalratswahlkampf. Teil 2 der HORIZONT-Coverstory mit ÖVP, FPÖ, Grüne und NEOS.

Dies ist Teil 2 der Coverstory aus HORIZONT Nr. 36. Abo-Leser sind früher informiert... Noch kein Abo? Hier klicken!

Liste Kurz: ,Der Newcomer als Strahlemann‘

Die Liste-Kurz-Plakatkampagne würde Max Palla (ehemaliger IAA-Präsident, Gründer und Geschäftsführer zahlreicher Werbeagenturen) mit „Der Newcomer als Strahlemann“ betiteln. Die Sujets dazu wurden inhouse konzipiert und umgesetzt. Gäbe es eine Skala von eins bis zehn, hätte sie ihm zufolge die Zehn verdient, nicht umsonst gelte „neu“ als ein Zauberbegriff der Werbung, findet Palla. Neu sei ja auch die Farbe Türkis, der junge Kandidat im Zentrum, die Bezeichnung „Liste Kurz“. Konkret auf das Kern-Sujet angesprochen, bewertet der Experte den Fotostil als sehr aktuell, aufmerksamkeitsstark und „passend zur (vermuteten) Strategie mit alleinigem Fokus auf die Person Kurz mit der Partei im Hintergrund“. Der Sympathiewert sei hoch, aber auch hier schmälere das „aus-der-Kamera-schauen“ die Anziehungskraft.

Josef Sawetz (Marketing- und Kommunikationspsychologe, Uni Wien) zufolge sei durch den Fokus auf Kurz Augen eine starke Emotionalisierung gewährleistet. Die dynamische Kopfhaltung wirke interaktiv und zeige ein Gesprächsverhalten, welches emotionale Nähe vermittle. Irritiert zeigt sich Sawetz durch „den dunklen Bereich im Vordergrund, der im ersten Moment nicht gleich als Hinterkopf einer Frau erkannt werden kann.“ Bei einer längeren Betrachtung wirke das Foto wie ein Schnappschuss und dadurch authentisch. Die vermittelte Gesprächssituation könne einen „nicht dominanten, vernetzten Führungsstil beziehungsweise die (gemeinsame) Suche nach dem richtigen Weg“ aufzeigen wollen. Die Abwendung der unmittelbaren Gesprächspartnerin wirke hingegen negativ. Bezüglich der Schriftgröße nutze die Aussage „Für Neues“ eine „konservative“ Schrifttype und könne sublim als Versicherung empfunden werden, dass trotz Aufbruch zu Neuem im Grunde alles beim Alten bleibe, so Sawetz.

FPÖ: Deix-ig außer Tritt

Beinahe „Deix-artig“ mute das neue FPÖ-Plakat an, das für Palla „völlig außer Tritt wirkt“. Auch diese Sujets wurden wie bei der FPÖ gewohnt inhouse gefertigt. Es sei weder die sonst übliche provokante „Hau-drauf“-Linie, noch eine Inszenierung des Spitzenkandidaten: „Da durfte wohl ein Praktikant ran.“ Sowohl Palla als auch Sawetz weisen auf die Text-Bild-Schere hin. „Wenn schon dieses Bild, dann muss der ,Speck‘ die Headline sein, nicht ,Fairness‘“, sagt Palla. Für Sawetz lehne sich die Aussage „Der Speck muss weg“ stark an die Teleringkampagne oder die ATV-Serie „Du bist was du isst“ an – das sei nicht sehr eigenständig und originell. „Der Spitzenkandidat ist nur mehr eingefroren und ,museal entrückt‘ in die Wort-Bild-Marke integriert – ähnlich dem Kentucky-Fried-Chicken-Logo im Stil der 50er-Jahre. Damit wird auf die emotionale und aufmerksamkeitsstarke Wirkung eines groß abgebildeten prominenten Gesichtes verzichtet.“ Zudem würden „nicht sehr attraktive Personen die Sympathie reduzieren und gemeinsam mit der Mimik der Anstrengung und Thematisierung der Völlerei vor bewölkt erscheinendem Himmel im ersten Eindruck negative Emotionen erzeugen“, hält Sawetz außerdem fest.

Das Fazit von Palla: „Es vermittelt ein gewisses Themendefizit. Als Opposition muss da mehr kommen.“

Die Grünen: ‚Diffuses Heile-Welt-Szenarium‘

„Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Ulrike Lunacek heiß‘“, resümiert Palla die vermeintliche Botschaft der neuen Spitzenkandidatin der Grünen (Kreativagenturen: JvM und Czerny/Plakolm). Denn wegen des noch nicht sehr hohen Bekanntheitsgrads von Lunacek hätte man den Namen etwas größer schreiben können. Die Bildsprache hingegen sei professionell, die Headline stimmig zur Wählerschaft und provokant. Sawetz erkennt im Sujet durch die Farbstimmung, das Lachen und das Kind einen „zuversichtlichen Blick in eine prosperierende Zukunft“, das sich abwendende Kind und die lachende Protagonistin würden im ersten Eindruck hingegen eher Unverständnis, Irritation und negative Emotionen wecken. Weiters kritisiert er die „nicht schlüssig übereinstimmenden Botschaften“, da einerseits auf die Geschlechterstereotypen hingewiesen würde, die nicht zur Interaktion zwischen Lunacek und dem Kind passen würde. Das Lachen Ersterer wirke zudem unmotiviert, als demonstriere sie, „wie lustig man ihren Scherz finden sollte. Statt einer klaren inhaltlichen Botschaft wird so ein diffuses Heile-Welt-Szenarium entfaltet, das einzig halblustige Scherze zum Thema macht und sie sich selber darüber freut“, urteilt Sawetz.

NEOS: Elitäre Pappfiguren in Grau

Zur Neos-Kampagne (realisiert von Dirnberger de Felice Grüber) meint Sawetz: Wenn auch die spiegelverkehrte Schrift verstörend wirke, so erhöhe sie gleichzeitig das Involvement. „Aus ihrer Sicht sehen die Abgebildeten klar, und haben ihre neue Politik schon vor Augen.“ Aber er ergänzt: „Aus der Perspektive des Betrachters ist die neue Politik aber zuerst noch ein Rätsel.“ Der „Augenbalken“ zerstöre das wichtigste Persönlichkeitsmerkmal zur Herstellung emotionaler Nähe: den offenen, freien Blick. Darüber hinaus wirke „die steife für den Fotografen wie Pappfiguren aufgestellte Körperhaltung inszeniert, distanziert, starr, reserviert und in Verbindung mit der Farbstimmung und dem Verbergen des Blicks hinter einem pseudo-intellektuellen Witz elitär und abgehoben. Die schräggestellten Schriftbalken hingegen wirken wie ein Supermarkt-Sonderangebot“ erklärt Sawetz.

Für Palla wirkt die Botschaft der Plakatkampagne „Weil die Perspektive der Menschen zählt“ sperrig – „als Opposition muss da mehr kommen“. Und: „Die Headline in Spiegelschrift am Sekundenmedium Plakat ist eine grobe Vernachlässigung der Erkenntnisse aus der Kommunikationsforschung.“ Die Partei habe außerdem mit viel Mühe Irmgard Griss ins Boot geholt „und dann wird ihr Gesicht verdeckt und der Name recht klein gehalten. Der Grau-in-Grau-Eindruck des Sujets hingegen verstärke ihr Alter und konterkariere die Partei.

Die Einschätzungen der Sujets basieren auf der Expertise der beiden Werbeprofis Palla und Sawetz. Wie die Botschaften beim Wähler ankommen wird der 15. Oktober zeigen. 

Lesen Sie hier Teil 1 der Coverstory!
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Neos-Spitzenkandidat Matthias Strolz und Irmgard Griss in Grau vor dem CI-Pink und hinter spiegelverkehrten Schriftzug-Augenbalken.
Neos
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