'Verbrüderung ist Signal': Wien Nord und Serv...
 

'Verbrüderung ist Signal': Wien Nord und Serviceplan fusionieren

Wien Nord
Das Geschäftsführungs-Team der neuen Holding, v.l.: Markus Mazuran, Edmund Hochleitner (beide Wien Nord), Markus Noder (Serviceplan International) und Eduard Böhler (Wien Nord). Mediaplus etwa wird weiterhin von Ronald Hochmayer und Bernhard Redl geleitet.
Das Geschäftsführungs-Team der neuen Holding, v.l.: Markus Mazuran, Edmund Hochleitner (beide Wien Nord), Markus Noder (Serviceplan International) und Eduard Böhler (Wien Nord). Mediaplus etwa wird weiterhin von Ronald Hochmayer und Bernhard Redl geleitet.

Schritte wie diese tut der heimische Agenturmarkt nicht oft: Wien Nord und Serviceplan fusionieren unter einem Dach zu Wien Nord Serviceplan. Die Geschäftsführer-Hälfte Eduard Böhler und Markus Mazuran spricht mit HORIZONT über ihre "Alternative" zu Networks und Unternehmensberatern, Behauptung im D-A-CH-Raum und die Flexibilitäts-Frage.

Das Interview erscheint auch in der Ausgabe 5/2020 des HORIZONT. Noch kein Abo? Hier klicken.

Noch ist es eine Baustelle, im März soll es bezugsfertig sein und Mitte des Jahres, nach kartellrechtlicher Genehmigung, findet man dann das „Haus der Kommunikation Österreich“ in der Wiener Gumpendorferstraße. Serviceplan (Anteil 51 Prozent) und Wien Nord (49 Prozent) schließen sich zu Wien Nord Serviceplan zusammen. Mit Eduard Böhler, Edmund Hochleitner und Markus Mazuran stellt Wien Nord drei Geschäftsführer, Serviceplan mit Markus Noder, Geschäftsführer Serviceplan International, einen.

Noder sieht auf HORIZONT-Nachfrage die Fusion als klares Investment in die Zukunft. Für die weltweit vertretene Serviceplan Gruppe sei das österreichische Modell „bis dato einzigartig für uns, aber Fusionen dieser Art sind sicher auch in Zukunft sehr interessante Optionen, um die lokalen Häuser der Kommunikation weiter auszubauen.“


HORIZONT: Warum der Zusammenschluss? Bitte ohne Buzzword-Sätze wie „Dann können wir alles aus einer Hand anbieten und das Beste für den Kunden tun“. 
Eduard Böhler:
Das ist schwierig, weil es stimmt (lacht). Der Kommunikationsmarkt hat sich geändert. Für Auftraggeber wird es schwieriger zu differenzieren, welche der vielen Agentur-Schnittstellen welche Verantwortung hat. Daher stellen wir uns in einer Breite auf, die eine Gesamtverantwortung ermöglicht. Die schwierige Abstimmung verschiedener Agenturdienstleister entfällt. 

Weshalb mit Serviceplan? 
Markus Mazuran:
Serviceplan ist inhabergeführt und unserer Kultur sehr ähnlich. Uns beide leiten kein Shareholder-Value und keine negativen Konzern-Richtlinien. Nun haben wir noch mehr die Chance, stärker auf die Kundenanforderungen einzugehen. Marketingabteilungen müssen oft fünf, sechs Agenturen managen, gleichzeitig stehen sie unter größerem Kostendruck als früher. Um Gesamtverantwortung zu gewährleisten, ziehen wir alle unter ein Dach. Somit sitzt ein Mediaplaner neben einem Kreativen und einem Digitalen. 

Aber warum die Fusion mit einer Agentur, die Teil einer internationalen Holding ist? 
Mazuran:
Der deutsche Markt mit Sitz in München hat ja Ähnlichkeit zum österreichischen Markt. Die D-A-CH-Region wird immer wichtiger, was man auch zunehmend an der Etat-Vergabe sieht – der Austrian-Airlines-Etat liegt in der Hand einer Berliner Agentur. Man sollte sich darauf vorbereiten, bei diesem Trend mitzumischen. Es kann nicht sein, dass sich österreichische von deutschen Agenturen ihr Geschäft wegnehmen lassen. Diese Verbrüderung ist auch ein Signal für konstruktives Miteinander. 

Haben Sie Herrn Noder in München einfach angerufen und angefragt?  
Böhler:
Man führt ja innerhalb der Branche immer wieder Gespräche und daraus haben sich gemeinsame Perspektiven entwickelt.  

Ist Geld geflossen – von wem an wen? Und warum hält Serviceplan die Mehrheit?
Böhler:
Die Anteilsverteilung ist Konsolidierungsthemen geschuldet, gibt aber auch die ungefähre Werteverteilung der beiden Unternehmensgruppen wieder, sodass die Fusion ohne Zahlungsflüsse funktioniert.

Serviceplan hält 51 Prozent an der neuen Holding, Wien Nord 49 Prozent. Drei Geschäftsführer stammen aber von Wien Nord und mit Markus Noder nur einer von Serviceplan. Wie passt dieses Verhältnis zusammen? 
Böhler:
Das soll die Nähe zum heimischen Markt widerspiegeln. 

Und wie wird sich die Fusion auf die jeweiligen Kunden auswirken? 
Mazuran:
Da es kein Kauf ist, wird nicht eine von der anderen Agentur geschluckt. Die Kundenteams bleiben außerdem dieselben.

Für uns ist das ein Gegenmodell zu den großen Agentur-Networks.


Was passiert mit den bisherigen Geschäftsführern von Serviceplan Austria, Christian Gosch und Dominic Köfner?
Böhler
: Aktuell möchten wir noch keine Personalia kommentieren.

Die Geschäftsführung von Wien Nord Serviceplan besteht nur aus Männern, bei Wien Nord sitzt mit Stella Biehal nur eine weibliche Partnerin. Wieso?
Mazuran
: Das gefällt uns natürlich auch nicht. Selbstverständlich hätten wir gerne mehr Frauen. 
Böhler: Das ist historisch gewachsen. In der Agentur sind Frauen in puncto Gesamtverantwortung jedoch sehr präsent. Generell betrachten Frauen die Branche, denke ich, etwas kritischer als Männer und wenden sich nach einigen Jahren manchmal einfach anderen Bereichen zu. Uns sind viele herausragende weibliche Mitarbeiter abhanden gekommen, weil sie sich neu orientiert haben. Eine wurde Psychotherapeutin, eine hat einen Interior-Laden eröffnet, eine andere wird Biologie studieren.

Auf die bleibenden Mitarbeiter wirkt sich eine Agenturfusion meist aus, zumindest im Back Office. 
Mazuran:
Dass wir unter ein gemeinsames Dach ziehen, wird kaum Einfluss haben. Natürlich ist es allerdings möglich, dass sich künftige Etatwechsel und -veränderungen schon auf das Team ­auswirken. Intern werden wir manche Servicebereiche neu strukturieren.

Wie viele Mitarbeiter müssen somit gehen?
Mazuran:
Von 78 Mitarbeitern werden wahrscheinlich 75 bei uns bleiben. Da gleichzeitig Mediaplus aufstocken wird, wird es sich langfristig ausbalancieren.

Auf der Website definiert sich Wien Nord etwa dadurch, eigentümergeführt zu sein, auf schnelle Abläufe zu setzen und niemandem verpflichtet zu sein; Serviceplan durch Flexibilität und Schnelligkeit. Geht das nicht ein wenig verloren?
Böhler:
Hundertprozentige Unabhängigkeit kann es rein firmenrechtlich nicht geben, aber wir können eigenverantwortlich agieren. Serviceplan folgt ebenso keinen hierarchischen Ketten bis in irgendeine Hauptstadt. Für uns ist das ein Gegenmodell zu den großen Agentur-Networks. Mit letzteren könnten wir die Flexibilität nicht aufrecht erhalten, mit Serviceplan schon. Ob es nun 30 oder 75 Mitarbeiter sind – das ändert nichts am System, außer, dass man mehr abdecken kann. 

Das integrative Zusammenarbeiten für den Kunden wird von vielen Agenturen schon länger beschworen. Warum erfolgt dieser Schritt erst jetzt?
Böhler:
So etwas braucht Zeit, und die Zuordnung von Kompetenzen verändert sich laufend: Digitalagenturen etwa werden immer mehr zu Technik-Dienstleistern. Das Kommunikationsgeschäft dieser Agenturen wandert international zurück zu den Kommunikationsagenturen. Mit Wien Nord Now haben wir unsere eigene Digitalkompetenz bereits aufgebaut. Aber die weiteren Schritte können wir nicht mehr alleine gehen. 

Beobachten Sie diese „Rückwanderung“ auch in Österreich?
Böhler:
Ja. Digitalagenturen versuchen entweder, zur Kommunikationsagentur zu werden oder ziehen sich auf die reine Technikebene zurück. Die sogenannten Full-Service-Digitalagenturen sind so alt wie der erste Macintosh-Computer. 
Mazuran: Früher wurden unter Digitalagenturen Online-Etats gepitcht, das hat sich total reduziert. Nachdem aber diese Agenden mittlerweile in vielen Werbeagenturen verinnerlicht wurden und viele junge Mitarbeiter als Digital Natives technisches Know-how mitbringen, braucht man keine eigene Online-Agentur mehr, um einen Online-Banner zu erstellen.

Ist so ein Agentur-Zusammenschluss wie Ihrer das neue Alternativmodell zu Agenturkäufen von Riesen wie Accenture und Co? 
Böhler:
Ganz genau, es ist das Alternativmodell, in dem aber echte Kommunikationskompetenz steckt. Unternehmen wie Accenture kommen von der anderen Seite und kaufen sich die Kompetenzen zu. Trotzdem ist das schwer für sie, weil es auch um Kultur geht. Landet Datengetriebenheit und Performance irgendwann auf einem einheitlich hohen Niveau, zählt nur, worauf es immer schon ankommt: das Kommunikationskonzept und die Kreativität. 

Accenture und Co werden jetzt unsere direkten Mitbewerber, nicht Agenturen.


Indem Accenture Werbeagenturen aufkauft, etwa mit Kolle Rebbe oder Sinner Schrader, haben sie doch die Kompetenz genauso. 
Böhler:
Natürlich, wenn sie alle Agenturen aufkaufen, sind sie theoretisch irgendwann selbst die beste Agentur.
Mazuran: Unternehmen wie Accenture werden durch unseren Zusammenschluss unsere direkten Mitbewerber – während es viele andere Agenturen nicht mehr sind. Im Kampf um das zeitgemäße Konzept wollen wir ganz vorne dabei sein. Unser Vorteil ist die Big Idea, diese Kernkompetenz haben Unternehmensberatungen nicht.

Werden Sie Ihre Kompetenzen mit Serviceplan ausdehnen?
Mazuran:
Wir bieten künftig mit „Now Serviceplan“ unter der Leitung von Kurt Kaiser (Co-Geschäftsführer Wien Nord Now, Anm.) eine neue Säule an. Hier geht es um Markenpartnerschaften, die die Unit von Wien aus für den gesamten europäischen Markt bedienen wird. Projekte mit Red Bull und KTM laufen bereits. 

Ist ein weiteres Wachstum, etwa mit einem weiteren Partner, denkbar, wenn dieses hier gut läuft? 
Mazuran: Zuerst führen wir diesen Schritt durch, der Rest ist noch schwer absehbar. Größe ist aber nicht das Ziel der Sache, sondern Qualität sowie das Dienstleistungsangebot. Und wer weiß, wie die Branche in fünf Jahren ausschaut.




stats