Das Handelsgericht Wien hat ein mit Werbungen gepflastertes Gratis-"Mitteilungsheft" wegen aggressiver Geschäftspraktik verboten
Das Handelsgericht Wien hat ein mit Werbungen gepflastertes Gratis-"Mitteilungsheft", das an 800 Volksschulen in Österreich verteilt wurde, nach einer Verbandsklage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) wegen aggressiver Geschäftspraktik verboten. Gleichzeitig stellte das Gericht in dem nicht rechtskräftigen Urteil klar, dass Volksschulen "generell keine werbefreien Zonen mehr darstellen".
In dem "Mitteilungsheft" war auf einem Drittel von rund 60 Seiten Werbung enthalten. In Werbungen für Nahrungsergänzungsmittel oder Pudding eingebettet waren etwa ein "Freizeitplan" oder ein Stundenplan. Dann wechselten sich Inhalte wie das Alphabet, Karten von Österreich und den Nachbarländern etc. mit Werbungen für Spielwaren, eine Supermarktkette und Zahnpasta ab. Neben frei linierten Seiten in der Heftmitte fanden sich noch Werbekarten für ein Kinocenter sowie eine Anmeldekarte für eine Kinderzeitung. Heuer wurden rund 116.000 Hefte auf Anforderung der Schulen an die Kinder verteilt, zuletzt an immerhin 800 der rund 3.000 Volksschulen in Österreich.
Abgewiesen wurde vom Gericht zwar die Klagsforderung, wonach überhaupt keine werbefinanzierten Mitteilungshefte an Volksschulkinder verteilt werden dürfen. Es sei "realitätsfern, Schulen als werbefreie Zonen anzusehen", so das Gericht. Im konkreten Heft wurde aber offenbar übertrieben: "Allerdings sollte ein gewisses Maß nicht überschritten werden - insbesondere dann, wenn es sich um Volksschulen handelt, da sechs- bis zehnjährige Kinder bekanntermaßen beeinflussbarer sind als ältere Schüler."
Die Einschaltungen im beanstandeten Heft seien beim Benützen bzw. Durchblättern allgegenwärtig und würden sich nicht auf die Heftumschläge oder einen in sich geschlossenen Teil beschränken. "Es ist daher nahezu unmöglich, dass das jeweilige Kind das Heft benützt, ohne die Werbebotschaften wahrzunehmen, ihnen immer wieder ausgesetzt zu sein und von ihnen beeinflusst zu werden."
Auseinandersetzung über Konsumwünsche zumutbarDas Gericht hält dazu unter Verweis auf frühere Urteile fest, dass es Eltern zwar zugemutet werden kann, den Wünschen ihrer Kinder Grenzen zu setzen und eine Auseinandersetzung über möglicherweise unvernünftige Konsumwünsche zu führen. Anderes gilt aber, wenn eine "Belästigung oder unzulässige Beeinflussung" im Sinne des Gesetztes gegen unlauteren Wettbewerb vorliegt. Wenn Kinder durch eine irreführende Geschäftspraktik oder sonst auf unlautere Weise dazu veranlasst werden, ihre Eltern zu geschäftlichen Entscheidungen zu motivieren, die diese sonst nicht getroffen hätten, liege eine "aggressive Geschäftspraktik" vor.
Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit der Eltern werde durch Kaufappelle an die Kinder wesentlich beeinträchtigt: "Die Eltern müssen die durch Werbung veranlassten Fehlvorstellungen widerlegen, was in der Regel mit einem weit höheren Aufwand verbunden ist als ein Gespräch über Konsumwünsche im Allgemeinen."