Barri Rafferty, Global CEO der PR-Agentur Ketchum, im Interview über die Top-Trends vom Weltwirtschaftsforum Davos, den Einfluss von Programmatic und Robotik auf die PR-Branche sowie die strukturelle Verdichtung am weltweiten Agenturmarkt.
Seit Jänner 2018 ist Barri Rafferty in ihrer Rolle als CEO und President der weltweit Top fünf Communications Consultancies, Ketchum, Herrin über 3.000 Mitarbeiter. Als eine der wenigen Frauen hält sie seit 2012 Vorträge beim Weltwirtschaftsforum in Davos über die Gleichstellung der Frau in der Wirtschaft und Herausforderungen der PR-Branche im 21. Jahrhundert. HORIZONT traf sie und Österreich-Partnerin Saskia Wallner im Wiener Büro, um über die Impacts der digitalisierten Welt, die Trends aus Davos und die künftige Rolle der PR zu sprechen.
Horizont: Sie sind gerade vom Weltwirtschaftsforum in Davos zurück. Das Forum stand heuer unter dem Motto Globalisierung 4.0. Welche Learnings nehmen Sie für sich und die Kommunikationsbranche mit?
Rafferty: Einer der Top Trends dieses Jahr war die Klimaveränderung und wie das Thema Marken beeinflussen kann. Dieses Jahr ging es darum, wie das Problem schnellstmöglich in den Griff zu bekommen ist. Einige unserer Kunden beschäftigen sich deshalb stark mit Verpackungsmaterialien und wie man diese wiederverwenden kann. So brachte Nestlé einen Metallbehälter für die Eiscreme Häagen Dazs auf den Markt. Konsumenten können die Eiscreme nach Gebrauch wieder im Geschäft auffüllen lassen. Auch waren Zero-Waste-Städte ein großes Thema. Für mich sind diese Entwicklungen gute Nachrichten, da sich speziell große Marken, die mitverantwortlich an der Klimaveränderung sind, Gedanken machen und auch Aktionen setzen.
Welche anderen Trends sehen Sie?
Rafferty: Was ich noch sehe, ist die Kombination aus linker und rechter Gehirnhälfte in unserer täglichen Arbeit als Agentur – also die Folge der Verschmelzung vom Kreativen mit der Analyse. Während vergangenes Jahr noch Blockchain und Künstliche Intelligenz das Thema waren, ist dieses Jahr mehr von KI in Kombination mit Kreativität zu hören. Dieser Trend ist auch bei Ketchum angekommen, denn wir nutzen zum Beispiel KI, um Influencer für eine Marke oder Botschaft zu finden. Dabei braucht es auch den menschlichen Einfluss, um zu entscheiden: Ist der Content des jeweiligen Influencers, die Tonalität der Sprache richtig für eine Marke? Das ist eine der neuen Aufgaben der Branche. Ich habe einen Begriff in Davos gehört, den ich hier erwähnen möchte - den Begriff der hybriden Jobs. Durch die Verbindung der traditionellen Skills mit der Kombination aus Kreativität und Automatisierung sollen diese Jobs in Zukunft besser bezahlt werden, so die Erwartung.
Der dritte Trend, den ich sehe und was mich besonders freut, ist, dass es um die Mitarbeiter ging. Denn wenn man die eigenen Mitarbeiter auf seiner Seite hat, ist mehr Produktivität, mehr Engagement das Ergebnis. Und das führt zu einem gesünderen und größeren Unternehmenswert. Der CEO von PayPal sprach über den Fokus auf deren Mitarbeiter, um Produkte zu verbessern. Unilevers neuer CEO sprach von einer Einbettung der Mitarbeiter in deren Unternehmensleitbild. Der Fokus lag auf dem Trend, wie wir als Unternehmen, aber auch als Manager, unsere Mitarbeiter führen und wie sich das auf die Produktivität und das Engagement innerhalb des Unternehmens auswirkt.
Bleiben wir bei den Trends. Technologie und PR gehen künftig Hand in Hand. Von Sprachassistenten bis Virtual Reality ist alles möglich. Wie sieht die Zukunft der datenbasierten Kommunikation aus?
Rafferty: Technologie hat schon längst einen großen Einfluss auf unser Business. Dabei werden die interne Weiterbildung und das fachkundige Personal immer wichtiger. Wir bilden unsere Mitarbeiter darin weiter, wie sie Kreativität und Technologie vereinen. Gerade im vergangenen Jahr nahmen 200 Mitarbeiter, davon einige aus dem Wiener Büro, an einem Influencer-Relations-Weiterbildungsprogramm der Ketchum University teil. Auch stocken wir unseren Personalbestand auf. In unserer New Yorker Agentur arbeiten derzeit 15 Mitarbeiter nur im Bereich Influencer, das Video Team in Washington D.C., New York und Los Angeles besteht aus mittlerweile 13 Vollzeit-Mitarbeitern.
Ein anderer Bereich, in dem datenbasierte Kommunikation eine Rolle spielt, ist das Gesundheitswesen. Heutzutage trägt jeder eine Smartwatch oder Smartphone, wo man die Schritte und Distanzen messen kann, manche messen sogar das EKG. Wenn nun all diese Daten leicht und prompt verfügbar wären, falls einmal etwas auf einer Auslandsreise beispielsweise passiert, denken Sie daran, wie viel schneller wir Krankheiten heilen könnten. Das zukünftige Thema wird also sein, wie wir diese Daten smart und für einen guten Zweck einsetzen. Für unser Business heißt das eine Beratungsfunktion aufrecht zu erhalten, wie unsere Kunden Endverbraucher targeten und wie sie mit den Informationen über deren Kauf- und Informationsverhalten umgehen.
Auf der Ketchum International Webseite steht, dass Sie pausenlos nach Trends im Digital-, Social- und Influencer-Marketing Ausschau halten. Wie bleiben Sie den Trends voraus?
Rafferty: Durch furchtloses Zuhören. Wir geben täglich eine Liste mit Trends heraus, auf die auch unsere Kunden zugreifen können. Wir schauen uns dabei an, welche Themen gerade trendy sind oder welche neuen Social Innovationen in sind. Das alles geschieht mit unserem Konzept Storyworks, das wie ein moderner Newsroom funktioniert und Content aus allen möglichen Ressourcen integriert, um zu sehen, welchen Themen sich die Menschen verstärkt widmen. Deshalb raten wir unseren Kunden circa 20 Prozent ihres Budgets freizuhalten. Wenn man eine Story dann erzählt, wenn sie auch relevant für User ist, kann man dadurch leichter und mehr Aufmerksamkeit und damit Engagement generieren. Ohne Zweifel sind visuelle Inhalte der Trend schlechthin. In unserem New Yorker Büro beschäftigen wir deshalb Vollzeit-Trickfilmzeichner und Video-Spezialisten. Diesen Trend sehen wir weltweit. Unser Business in China ist ein reines Social First Business. Wir intensivieren hier das Social Commerce und ich denke, das wird einen großen Einfluss auf andere Märkte weltweit haben. Auch testen wir die Auswirkungen einzelner Influencer auf die endgültige Kaufentscheidung.
Wallner: Im Wiener Büro bekommen wir zum Beispiel aus Deutschland eine Liste mit Trends aus Bereichen wie Gesundheit und Ernährung oder digitale Innovationen, die gerade aufpoppen. Manchmal sind diese Trends ein guter Gesprächsstarter für ein Meeting. Es kann aber auch ein guter Ankerpunkt für eine Story sein, die wir in der Agentur finden. Es dreht sich alles um die Inspiration. Eines der Dinge, auf die wir auch im Wiener Büro zugreifen können, ist der Ketchum Idea Shop. Vereinfacht gesagt, ist es ein interner Online-Shop für Ideen, die für einen Kunden gepitched, aber nicht verkauft wurden. Auch haben wir eine Creativity School und ein Creativity Kit und alle möglichen andere Technologien und Techniken, um uns anders denken zu lassen. Wir nehmen zu Kundenmeetings manchmal Karteikarten mit, auf die wir große Markennamen wie beispielsweise Disney schreiben. Dann ist die Frage: was würde Disney tun, um diese Herausforderung zu meistern? Unsere Kunden sind so in ihrer täglichen Routine drinnen, dass sie dankbar sind, aus dieser manchmal auszubrechen.
Ein internationaler Trend zeigt, dass Programmatic Einzug in die PR Branche hält. Wie kann die PR von einem globalen programmatischen Werbemarkt der, laut einer Studie auf PRNewswire, 2026 die jährliche Wachstumsrate von 90 Mrd. US Dollar übersteigen soll, profitieren?
Rafferty: Wenn wir über Programmatic als computerbasierte Plattform für Kauf und Verkauf sprechen, sehe ich nicht, dass wir das in naher Zukunft übernehmen. Aber was wir tun, ist das so genannte Channel Management. Es geht darum, zu verstehen, was Programmatic zu tun vermag, das heißt den Endkonsumenten zu erreichen und zu verstehen, wo dieser seine Informationen herbekommt. Ein Beispiel: Wenn man für einen Autohändler arbeitet, fragt man sich, wie Konsumenten sich über den Autokauf informieren, sie suchen Online, sie besuchen verschiedene Autohändler. Die Frage ist, wie wir diese Kanäle nutzen, zu dem Zeitpunkt, wenn sie potenzielle Kunden auch nutzen. Programmatic kann dabei helfen, Endkonsumenten zum richtigen Zeitpunkt aus dem Ökosystem der Kanäle zu identifizieren.
Internationale Konsolidierungen innerhalb der PR-Branche machten Schlagzeilen, wie der Merger von WPP Burson-Marsteller mit Cohn & Wolfe. Ist das ein Trend, der sich halten wird, und wie wirken sich diese Mega-Merger auf den Markt aus?
Rafferty: Am Markt sieht man derzeit eine Verdichtung, das stimmt. Nicht nur M&A sind ein Thema, auch die Kombination der Disziplinen, wie beispielsweise bei Ogilvy. Was dieses Jahr interessant wird, zu beobachten, ist, wie sich diese Zusammenschlüsse auf die interne Unternehmenskultur der Firmen auswirkt. Ich denke nicht, dass solche Merger einfach durchzuführen sind, und bis alle in eine Richtung rudern, das kann viel Zeit und Energie kosten. Von der Kundenperspektive aus kann ich sagen, dass solche Zusammenschlüsse durchaus Sinn machen, da Kunden immer mehr alles unter einem Dach suchen. Ich denke, wir werden mehr solcher Merger sehen, allerdings wird man abwarten müssen, was wirklich funktioniert und was nicht.
Eine Studie der Oxford University und von Deloitte besagt, dass bis zum Jahr 2035 rund ein Drittel der Marketing Jobs von Robotern gemacht werden. Ist PR von dieser Entwicklung durch die Beraterrolle der Disziplin geschützt? Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich?
Rafferty: Ich denke, das ändert sich bereits heute. Roboter machen die Wetterprognosen in China oder während der Olympischen Spiele werden bereits Sportergebnisse durch Roboter angegeben. Was wir allerdings nicht vergessen dürfen, ist, was wir vorhin besprochen haben: die Kombination aus der linken und rechten Gehirnhälfte. Also die Kombination aus Kreativität und Analyse. Genau deshalb wird PR künftig an Relevanz nicht verlieren. Ich denke, es wird länger als bis 2035 dauern, dass Roboter die Überhand gewinnen. Was sich allerdings bald ändern wird, ist das Schulsystem und damit die Lehrpläne. Meiner Meinung nach ist das Schulsystem und sind auch wir zu abhängig vom geschriebenen Wort versus visuelle Inhalte. In den USA findet bereits ein solcher Wandel statt, einige Schulen richten Studios ein und so weiter. Für unsere Disziplin gesprochen, denke ich, wird der Bildungsprozess künftig weltweit mehr und mehr auf die Analyse und die Marketingtools für visuelles Storytelling umgestellt.
Die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl 2016 stehen unter dem Verdacht, unter dem Einfluss von Social Media gewonnen worden zu sein. Dieses Phänomen bedingt den Begriff der Filterbubble. Was ist die Rolle der PR innerhalb der strategischen politischen Kommunikation im digitalen Wandel?
Rafferty: Durch die Art, wie wir Nachrichten konsumieren, sperren wir uns wortwörtlich in einen eigenen kleinen Cyber-Raum ein. Wir lesen nur das, was uns interessiert, und von wem es uns interessiert. Diese Opt-in-Mentalität zu Inhalten, die man auch konsumieren will, wird sich fortsetzen. Was wir als Disziplin allerdings beachten sollten, sind zwei Dinge: Erstens, wie kann ich diese einzelnen Räume besser verstehen und in andere – auch meine eigenen - Dialoge und Diskussionen integrieren und zweitens, wie finde ich Gemeinsamkeiten, die mir erlauben, in diese Räume vorzudringen, um zu sehen wem diese Menschen folgen und woher sie ihre Informationen beziehen.
Ich wünschte die Globalisierung würde mehr bedingen, dass wir die Herausforderungen, die vor uns liegen, gemeinsam lösen, anstatt uns – durch die Möglichkeiten, die Social Media uns bietet - in virtuelle Räume zurückziehen und uns isolieren.
Ketchum steht derzeit auf Platz vier im weltweiten PR-Agenturen-Ranking (Holmes Report) mit Gebühreneinnahmen von rund 550 Millionen US-Dollar im Jahr 2017. Ein Jahr zuvor waren es noch 562 Millionen. Wie ist das vergangene Jahr gelaufen, und was sind die Ziele für 2019?
Rafferty: Wir dürfen keine Zahlen herausgeben, aber was ich immer sage: Wir sind eine der Top fünf Communications Consultancies in der Welt. Ich denke, wir haben die Agentur neu erfunden und intensivieren den Ausbau unserer Bereiche Social und Visual Storytelling, Social Commerce und Influencer. Als CEO weiß ich um die Veränderungen, die uns bevorstehen und deshalb brauchen wir neue Talente, wir müssen unsere bestehenden Mitarbeiter für die Zukunft wappnen. Ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg. Zurück zu den Konsolidierungen über die wir vorhin gesprochen haben: Einige Agenturen schließen sich zusammen, andere nicht. Ich denke, wenn man lange genug in unserer Branche gearbeitet hat, und sich bisher nicht unwohl gefühlt hat, ist es nun vielleicht Zeit dazu.
Einst waren die großen Netzwerkagenturen die größten Konkurrenten. Heute arbeiten viele Unternehmen ihre PR-Agenden intern ab. Wie können Agenturen heute Kunden davon überzeugen, mit ihnen zu arbeiten?
Rafferty: Ich denke, wir sehen diese Entwicklungen schon seit Jahrzehnten. Für mich besteht eine Kombination aus beidem, wobei nur in-house zu arbeiten für ein Unternehmen mit der Zeit zu einseitig werden kann. Die Vorteile, mit einer Agentur zu arbeiten, ist auf alle Fälle die Vielfalt an Erfahrung, die wir mitbringen. Schließlich arbeiten wir mit vielen Kunden zusammen, und wir können die Erfahrungen und Learnings von P&G, von BMW, von Nestlé nehmen, und dank dieser Erfahrungen eine neue Perspektive in das Projekt eines Kunden fließen lassen. Auch lassen wir unsere Mitarbeiter an verschiedenen Projekten mitarbeiten, sodass sie mit verschiedenen Themen in Berührung kommen. Das wiederum resultiert in einer breiteren und tieferen Branchenexpertise in Einzelhandel, Wellness, Lebensmittel, Landwirtschaft, Snacks und Getränke et cetera. Also wenn ein Kunde die tiefe Branchenexpertise in der Vertikalen und gute Producer und Experten in Bereichen wie Influencer und Visuelles hat, dann ist das ein Win Win. Ich denke wir sind ein Hybrid-Modell – mit zum Teil Spezialisten und einer breiten Branchenexpertise.
Wallner: Diese Tendenz ist auch für Österreich erkennbar. Die Unternehmen stocken ihre Ressourcen auf und arbeiten viel in-house. Für konventionelle Medienarbeit ist das ja auch okay. Aber um eine Story zu finden, den strategischen Blickwinkel zu betrachten und etwas mit anderen Trends zu verbinden, worüber die Menschen sprechen, hier wollen unsere Kunden uns als den vielzitierten Sparring-Partner.
Um einen Kunden aus seinem täglichen Denkprozess herauszuholen, ist die Zusammenarbeit mit einer Agentur wichtig. Wir arbeiten zum Beispiel gerade an einem großen Projekt der öffentlichen Hand zum Thema Digitalisierung und auch hier sehen wir, dass unsere breite und tiefe Branchenexpertise, die wir durch Kunden wie IBM oder T-Systems sammeln durften, gefragt ist. Kunden wollen frische Ideen, und wenn man sie dann noch beim Meeting ein wenig unterhält, verlassen sie die Besprechung inspiriert.
Die globale Medienlandschaft wird heute durch rückgängige Anzeigenverkäufe beeinflusst. Diese Entwicklungen lassen die Redaktionen schrumpfen. Welche Rolle hat PR in einer Welt, in der Medienunternehmen immer mehr unter Druck geraten?
Rafferty: Unser Job besteht darin, Journalisten dabei zu helfen, Content zu finden, um den sie ihre Story erzählen können. Dabei kommt unsere eigene Glaubwürdigkeit ins Spiel, Fakten zu recherchieren um mit Medien zu kooperieren. Wenn wir keine gründlichen Informationen liefern, kann das negativ auf uns zurückfallen. Was wir als Disziplin nicht vergessen sollten, ist, dass Journalisten nicht nur ihre Story veröffentlichen wollen, sondern auch ihre persönlichen digitalen Kanäle bedienen möchten, wie Twitter oder LinkedIn. Sie interessiert der Dialog und die Diskussion, die zu ihrer Story stattfinden. Wir sollten anders über Journalisten denken, heute geht es nicht nur darum, die Story zu bekommen, sondern auch darum, eine hohe Interaktion für eine Story zu bekommen.
Eine der größten Herausforderungen in der PR ist die Verschmelzung der einzelnen Disziplinen. Wo hören Journalismus, Marketing und Werbung auf, wo beginnt PR?
Rafferty: Wir konkurrieren mit jedem. In unserem Business konkurrieren wir gegen Social Media und Digitalagenturen, weil wir auch eine Social und digitale Präsenz haben. Diese Entwicklung sehe ich gerade auch bei Influencer-Agenturen, die wie Pilze aus dem Boden schießen – auch gegen sie konkurrieren wir. Werbeagenturen präsentieren nicht nur ein Produkt oder ein Service – sie stellen ihren Content und ihre Werbung auch auf YouTube. Die Grenzen der einzelnen Disziplinen verschwimmen und bleiben verschwommen. Aber das scheint das Daily Business wenig zu beeinflussen, denn was wir sehen, ist, dass die beste kreative Idee gewinnt. Und dem Kunden ist es egal, ob die Idee von einer Digital-Agentur oder PR- oder Werbeagentur kommt. Meine Philosophie bei Ketchum ist: Wir werden die besten im Bereich Earned Media sein, also bei traditionellen und Online Impressions, aber auch Influencer Relations. Wir werden eine Kommunikationsberatung sein, die die besten im Change Mangement, Social, Visuellem Content und Storytelling sind. Damit weiten wir die Definition einer Kommunikationsberatung aus.
Wallner: In der Vergangenheit haben wir von PR gesprochen, heute sprechen wir von Kommunikation, wenn wir über die Branche reden. Manchmal arbeiten wir mit BBDO gemeinsam an Projekten und wir pitchen auch zusammen. Dabei sehe ich immer wieder, dass wir als PR-Agentur von der Earned Seite von der Story, dem Content, der Relevanz kommen. Deshalb verstehen wir es auch, mit Influencern zusammenzuarbeiten, weil es hier um Vertrauensaufbau und ein Verständnis für die andere Seite geht. Die andere Seite ist die, dass es sich bei PR um interne Kommunikationsprozesse, Leadership und CEO-Positionierung dreht. Hier stocken insbesondere Unternehmensberatungen personell auf. Das ist ein sehr interessanter Bereich. Jemand hat einmal gesagt, dass wir wie Unternehmensberater denken und wie Werbeagenturen präsentieren müssen.
Seit einem Jahr sind Sie CEO und President der Ketchum weltweit. Was hat sich in dieser Zeit innerhalb der Agentur verändert?
Rafferty: Meine Top Drei sind: Wir haben uns als Kommunikationsagentur repositioniert, unser externes Gesicht, und wie wir unser Business sehen haben sich verändert. Wir haben unsere Expertengebiete auf zwölf Branchen gestrafft, und damit sind alle weltweiten Büros Teil einer vertikaleren Expertise, die schnell verfügbar ist. Das heißt, wir haben so einen breiteren Pool an Spezialisten, die zu verschiedenen Projekten hinzugezogen werden können. Das heißt, dass kleinere, agilere Teams an Projekten arbeiten.
Jüngst fand der SuperBowl in den USA statt, Kunden brauchten Spezialisten für Sport, Video und auch Trickfilmzeichner, Medienleute und so weiter. Man kann diese Experten für zwei bis drei Wochen für ein Projekt einsetzen. Die Idee dahinter ist es, als Organisation agiler zu sein. Dafür muss man mehr in die Infrastruktur und ins Management investieren. Wir intensivieren auch Bereiche wie Storyworks und Influencer, um sicherzustellen, dass wir global konsistent arbeiten. Auch spielt die Philosophie der linken und rechten Gehirnhälfte eine große Rolle – das ist eines der Ziele, die ich für die Agentur verfolge – sodass beide Komponenten gleichgestellt sind.
Wallner: Was sich verändert hat, kann ich als Ketchum Global Partner sagen, ist die Kommunikation zwischen den Büros. Barri macht alle paar Monate einen weltweiten All-Employee-Broadcast auf workplace, was von den 100+ Teams und knapp 3.000 Mitarbeitern sehr gut angenommen wird. Außerdem pflegen wir einen guten Austausch unter uns Partnern, sowohl online als auch persönlich. Und schließlich hat jedes Land immer im Herbst ein Planning Meeting mit dem Global Executive Committee zum Beispiel in London, was für mich persönlich immer sehr motivierend ist.
Sie sehen sich als Sprachrohr für Frauen in der Branche und haben sich ganz der Gleichstellung von Frauen innerhalb der Branche verschrieben. Wie können Frauen mehr PR für sich und ihre Skills machen?
Rafferty: Zu allererst müssen Frauen sich des schlechten Gewissens entledigen, das sie oft begleitet. Wenn Sie sich für einen Weg entschieden haben und sich damit arrangieren, und sich selbst und ihren Zielen treu bleiben, ist schon viel erreicht. Frauen müssen mehr aus sich herausgehen und mehr für sich eintreten.
Als Agentur habe ich mich der Lohngerechtigkeit verschrieben. Manchmal müssen das Mitarbeiter zwar selbst in die Hand nehmen, aber schlussendlich ist es ein Muskel, den man trainieren kann.
Wir Frauen müssen genau überlegen, wie wir unsere Zeit investieren. Es gibt auch im Business-Leben informelle Situationen, aus denen Frauen sich oft zurückziehen. Ich denke aber, es ist die richtige Zeit für Frauen, in Führungspositionen zu sein. Allerdings ist das nur dann erfolgreich, wenn man sich selbst und seinem Führungsstil treu bleibt. Ich treffe schwerwiegende Entscheidungen, aber ich tue es human und mit Empathie. Die Ketchum-Partner – etwa 70 - bestehen derzeit 50 zu 50 aus Männern und Frauen – wir arbeiteten Jahre darauf hin. Ich stehe hinter der Einbindung aller Faktoren und denke, wenn man sein ganzes Ich zur Arbeit mitbringt, ist das Ergebnis mehr Produktivität.