Joachim Feher, CEO der in Österreich marktführenden Mediaagentur MediaCom, über den Medien- und Media-Markt Anno 2012, den Claim der MediaCom ,people first“ in dreifacher Bedeutung, on- und offline-Expertise und Best-Preis-Bidding – und die Notwendigkeit Media-Server.
HORIZONT: Wie wird das Werbejahr 2012?Feher: Meine Prognose für 2012 ist aber, dass es netto im österreichischen klassischen Medienmarkt ein einstelliges Minus geben wird.
HORIZONT: …was die klassischen Budgets angeht…Was ist der Grund?
Feher: Das kommt meines Erachtens schlicht aus der reinen Orientierung an Gewinnmaximierung der Unternehmen. Und der mangelnden Bereitschaft oder Freude, Investitionen langfristig oder mittelfristig zu tätigen.
HORIZONT: Also Kurzfristigkeit über alles?Feher: Ja. Entscheidungen hängen extrem stark vom generellen Klima ab. Wir haben weniger eine Thema mit Marktsättigung, sondern vielmehr eine Verunsicherung – Jeder spekuliert, was denn alles noch passieren könnte, und die Spekulationen sind in der Regel eher dunkel, negativ und ohne Aufwärtstendenz. Dies zieht so eine Schwere, eine Lustlosigkeit nach sich.
HORIZONT: Wie geht der Marktführer mit stagnierenden beziehungsweise schrumpfenden Budgets um?Feher: Wenn ich mit meinem Basisgeschäft von Mediaplanung und Mediaeinkauf, das nach wie vor gekoppelt ist an das Volumen des Kunden, stabil bleibe oder gar rückläufig bin, kann ich nur mit neuen Angeboten und Services antworten und das Geschäftsfeld erweitern. Beratung, sehr stark Research und alle Möglichkeiten, die der digitale Bereich bietet.
HORIZONT: Das ist also die Stunde der Berater, Chancen zu eröffnen?Feher: Auf jeden Fall Chancen! Einmal ist Österreich ja nach wie vor eine Insel der Glücklichen, wenn ich mir den Privatkonsum ansehe. Selbst dort, wo es ein bisschen rückläufig ist, findet das auf extrem hohem Niveau statt. Es geht uns ungebrochen gut in Österreich – die Arbeitslosigkeit ist gering, auch im europäischen Vergleich, die Kaufkraft ist intakt. Die Leute haben die Bereitschaft und die Neugierde für neue Dinge. Wenn ich mir aber ansehe, wieviele neue Produkte auf den Markt kommen, welche Innovationen getätigt werden, so ist das über die letzten zwei, drei Jahre extrem überschaubar geworden.
HORIZONT: Das ist seitens des medialen Angebots nicht ganz so – Stichwort Servus in Stadt und Land und Terra Mater oder die wachsenden Special-Sender Angebote wie zuletzt ATV II oder SIXX…zuletzt W24 in Wien?Feher: Vor allem TV hat extrem Fahrt aufgenommen. In den letzten Jahren war TV getragen von der Euphorie, den Marktanteil vom Fernsehen endlich dorthin zu bringen, wo er hingehört. Aus gutem Grund ist in West- und auch in Osteuropa der TV Werbe-Marktanteil zwischen 40 bis 50 Prozent, und das steht dem Medium Kraft dessen, was es leistet, durchaus zu. Wenn dann Österreich nur 25 Prozent hat, ist der logische Schluss: Das kann nur bergauf gehen. Getragen von diesem Zug zum Fernsehen als attraktivem Werbekanal plus steigenden Marktanteilen für die Privatsender, entstand eine begrüßenswerte Investitionsfreudigkeit – also Angebotserweiterung bei den Privatsendern. Allein: Die Buchungssituation 2012 ist schon nicht mehr so wie noch 2011. 2011 hatte zu absurden Entwicklungen geführt: Da TV tatsächlich ausgebucht war, die Auftraggeber aber Bewegtbild unterbringen wollten, wurden Online Bewegtbild TKPs (Tausend-Kontakt-Preise, Anm.hs) verlangt – und bezahlt, bei denen man den Eindruck kriegen konnte, das Controlling sei doch wieder abgeschafft. 2013 erwarten wir sowohl für TV, wie auch für Online Bewegtbild ein moderates Pricing.
HORIZONT: Also in etwa 20 Euro brutto im klassischen TV versus dem Doppelten bis Dreifachen bei Pre-Rolls-Online… Feher: Das hatte auch etwas mit Anfangseuphorie und natürlich dem Bedürfnis von Auftraggebern und Agenturen zu tun, First-Mover zu sein in dem neuen Feld, da wurde dann nicht ganz so streng gerechnet. Ich gebe schon zu, dass der Konsument in Erwartung seines gewählten Contents voll konzentriert vor dem Screen sitzt und daher auch die Aufmerksamkeit für den Werbespot sehr hoch ist. Das rechtfertigt einen Preisaufschlag – aber wie hoch darf der denn sein? 200 Prozent oder doch nur 25 Prozent?
HORIZONT: Wohin also bewegt sich die Brutto-Netto-Schere…?Feher: Ich glaube sagen zu können, dass die MediaCom durchaus dafür bekannt ist, mit den Medienpartnern zwar hart, aber fair zu verhandeln. Wir wollen uns auf gute Deals für alle Seiten einigen. Das haben wir all die Jahre gemacht und machen das auch weiter. Natürlich gilt dabei, ein bissl was geht immer‘ aber die Positionen sind im Wesentlichen ausgereizt. Wir haben in Österreich nach wie vor die Situation, wie in allen kleinen Märkten: Das Preis-Leistungsverhältnis ist auf einem höheren Niveau als in größeren Märkten, denn die Gestehungskosten auf Medienseite sind weitgehend unabhängig von Marktgrößen. Dass das in kleine Märkten schneller zu ruinösen Preiskämpfen führen kann, ist auch klar.
HORIZONT: Naja, Marktbereinigungen gibt es aber bisher kaum…?Feher: Das bringt mich zur Vermutung: So schlecht kann es den Medien nicht gehen.
HORIZONT: Dieses Preis-Bidding System hat ja auch seit 2009 die Mediaagenturen extrem erreicht, als Wettbieten die Bestpreisgarantieen…
Feher: Sehr viele Auftraggeber haben mittlerweile das Dritte oder Vierte Effizienzprogramm hinter sich. Und da Media ein wesentlicher Spend-Pool ist haben Procurement und Controlling auch darauf einen intensiven Fokus gesetzt. Nach meiner Beobachtung ist da aber wieder etwas Ruhe eingekehrt und die Marketing- und Werbeleute haben wieder einigermaßen die Oberhand gewonnen: Sie konnten klar machen, dass der Aufwand eines Pitches oder gar Agenturwechsels, das gegenseitige Kennenlernen und Einspielen des Teams ebenfalls Effizienzverluste bringt und dies mit den ein, zwei Prozentpunkten vermeintlicher Media-Spending-Ersparnis in Relation zu setzen ist. Außerdem ist den Auftraggebern auch klar geworden: Agenturen sind keine Banken. Unser Geschäft ist nach wie vor ,Kommunikationsinvestment‘. Wir – zumindest bei der MediaCom – sagen doch seit Jahr und Tag unseren Kunden: Deine Kommunikationsinvestition ist lohnend – und wir belegen Dir das auch! Wir sorgen für die Effizienz und Effektivität Deiner Investition.
HORIZONT: Wie definiert sich also im Szenario Anno 2012 die mit Abstand volumensstärkste und mit fast 100 Mitarbeitern auch mit Abstand personalstärkste Mediaagentur Österreichs, MediaCom, aus Sicht ihres CEO?
Feher: Mehr denn je mit unserem Claim ,people first, better results‘! Über die letzten Jahre hinweg haben die technischen Systeme und Tools nicht an Bedeutung verloren, sind aber zum Allgemeingut geworden, das jeder voraussetzt. Dass wir TV auf dem höchsten Level optimieren können ist die Basis, über die man nicht mehr redet. Wir kümmern uns im Modell ,people first‘ um eine Dreiteiligkeit: Erstens unsere Mitarbeiter, die den Spirit der MediaCom ausmachen. Dass wir den Leuten ein kreatives Arbeiten ermöglichen, dass wir diverseste Initiativen setzen, dass sie out-of-box denken, dass wir ihnen Möglichkeiten geben, auch einmal in den Fußstapfen ihres Kunden zu gehen, den Kunden besser zu verstehen. Dann steckt in diesem ,people first‘ das Zweite „People“ drinnen, nämlich den Konsumenten zu verstehen. Dadurch, dass - Stichwort ,multioptionaler Konsument‘ - die Markentreue zurückgegangen ist, Leute heute das tun und morgen etwas anderes, ist das Dranbleiben am Konsumenten und ihn in der Tiefe zu verstehen noch einmal wichtiger geworden, um effektive und effiziente Mediapläne zu machen, die aus klassischen Medien bestehen und einer Fülle von anderen Kommunikationstools. Das Dritte in ,people first‘ sind unsere Kunden: Sie und ihre Anliegen zu verstehen, die Herausforderungen zu erfassen und mit den richtigen Angeboten zu antworten und ihnen auch die richten Services anzubieten. Dass wir dies wohl ganz gut hinbekommen, zeigt unsere sehr hohe Kundentreue, viele unserer Kunden sind seit Jahren und Jahrzehnten bei uns, oftmals ohne dass wir sie in einem Re-Pitch verteidigen mussten.
HORIZONT: Neue Herausforderungen und Services heißt…Feher: Worum wir uns zunehmend kümmern ist die ,Consumer Decision Journey‘. Was passiert denn alles vom ersten neutralen Standpunkt des Konsumenten bis zum tatsächlichen Kaufakt? Hier spielen Massenmedien nach wie vor eine große Rolle – sie sind wichtig zum Imageaufbau, sie sind wichtig für Awareness und so weiter. Aber durch die Digitalisierung unseres Alltags sind in dieser ,Journey‘ weit mehr Abzweigungen und Einflussnahmen drinnen, die sich früher auf Empfehlungen von Freunden und Bekannten im persönlichen Gespräch beschränkt haben. Heute ist über Empfehlungsseiten und Angebotsseiten der Zugriff auf die Meinung von Gleichgesinnten oder all jenen, die einen ähnlichen Bedarf haben, jederzeit möglich. Wir beraten und begleiten unsere Kunden mehr und mehr in diesem ganzen Prozess. Denn zunächst muss man überhaupt einmal verstehen, wie heute Kaufentscheidungen fallen, dann daraus lernen und dann für Auftraggeber nutzbar machen. Beispielsweise: Was ist der Stellenwert einer App? Wann rechnet sich die Investition in eine App? Was ist der KPI dabei? (Key-Performance Indicator, Anm.hs). Auf wieviel GRPs in Magazinen kann man deshalb verzichten (GRP steht für Gross-Rating-Points, Bruttokontakte, Anm.hs). Das sind Fragen, die uns beschäftigen. Denn die Budgets teilen sich heute auf so viele Kommunikationsinstrumente auf wie noch nie zuvor.
HORIZONT: Deren Zahl nach wie vor wächst…Feher: Nehmen Sie den ,Second Screen‘: 40 Prozent der Menschen, auch in Österreich, nutzen beim Fernsehen auch einen zweiten Screen – ihr Smartphone, ihr Tablet, ihren Computer… . Da werden auf der einen Seite Tätigkeiten ausgeführt, die vom Fernsehen ablenken – wie etwa Mails beantworten-, aber auf der anderen Seite ist es auch eine Chance, tatsächlich etwas Verstärkendes zu tun. Eine ganz einfache Empfehlung, die wir unseren Kunden geben, ist: Wenn Du AdWord-Kampagnen machst, dann mache es bitte auch auf mobilen Endgeräten. Was ist das erste, was Menschen tun, wenn sie unterwegs sind und an etwas interessiert sind oder etwas wissen wollen? Sie googeln – und da muss das Angebot präsent sein! Das ist eine ganz einfache Maßnahme, die den ,Second Screen‘ nutzt.
HORIZONT: Das ist nur Google, oder gibt´s da auch die Yahoos oder Bings…?Feher: Österreich ist ein Google-Land.
HORIZONT: Das sind allesamt Überlegungen und Beratung, die weit vor dem eigentlich tradierten Geschäft einer Mediaagentur, der Planung und dem effizienten Einkauf von Medialeistung kommt…Feher: Ja. Beratungsleistungen werden immer wichtiger, zu großen Teilen stammt dann aber auch die Umsetzung von uns, beispielsweise Ambient mit Magic Moments. Außerdem haben wir mit der GroupM Interaction auch eine Organisation, die im digitalen Bereich das ganze Leistungsspektrum abdecken kann.
HORIZONT: Das setzt ein multidimensionales Planen voraus, auch die entsprechende Zusammenführung und Bewertung sehr unterschiedlicher Leistungsnachweise der unterschiedlichen Kanäle…
Feher: Die MediaCom hatte schon immer eine starke Research-Lastigkeit. Wir leisten uns Psychologen und weitere Mitarbeiter, die sowohl quantitative wie auch qualitative Marktforschung beherrschen. Uns ist es extrem wichtig, dass wir diese Expertisen Inhouse haben. Der zweite wichtige Bereich ist auf jeden Fall die Aufhebung der Trennung von on- und off-line. Was natürlich nicht bedeutet, dass es keine Digital-Experten mehr gibt. Wir haben auch TV-Experten, genauso wie Print-Experten. Wenn ich aber heute eine Strategie oder eine Planung für einen Kunden aufsetze, dann fliessen on- und offline zusammen. Der Konsument unterscheidet ja auch nicht im Sinnes von ,Jetzt bin ich ein anderer, wenn ich digital bin‘. Daher haben wir über die letzten Jahre – und stecken noch immer mitten in dem Prozess – viel investiert und trainiert, um dieses Zusammenwachsen und das gemeinschaftliche Planen zu ermöglichen.
HORIZONT: Wie stell´ ich mir das vor: Gemeinschaftliches Planen?Feher: Das heißt vor allem, dass unsere Mitarbeiter heute Know How in allen Kommunikationsformen haben. Online ist ja wie Offline – nur ein bisschen anders. Das verankern wir gerade in den Köpfen.
HORIZONT: Diese Integration von klassischer und digitaler Welt bei Planung und Budgetierung, die Ihr offensichtlich anstrebt – wie stellt sich das auch Kundenseite dar?Feher: Die digitale Kompetenz ist in den letzten Jahren auf allen Seiten immens gestiegen. Dazu kommt das wachsende Bedürfnis der Auftraggeber, in dieser sich immer mehr zersplitternden digitalen Welt in Kombination mit der offline Welt einen Sparringpartner zu haben, der den Gesamtüberblick hat. Jemanden der weiß und berechnen kann, wie einzelne Kanäle aufeinander einzahlen.
HORIZONT: Dafür gibt´s auch frisches Geld – Stichwort Werbedruck laut Focus, der wächst ja noch immer?
Feher: Nicht alles, was es an neuen Kommunikationsmöglichkeiten gibt, wird notwendigerweise aus den klassischen Werbebudgets bedient. Performance Marketing oder Affiliate (Vertriebspartnerschaften, Anm.hs) werden bei vielen Kunden zumindest teilweise aus dem Sales-Budget gedeckt. Wenn sich eine Firma einen Social-Media-Auftritt, eine Facebook-Seite gönnt, dann kommt das auch nicht unbedingt aus dem Werbebudget, sondern kann auch teilweise aus dem PR-Budget gedeckt werden. Es kommt also nicht alles, was in die neuen Kanäle fließt, aus dem klassischen Werbetopf.