Überglückliche Welt
 

Überglückliche Welt

Editorial von Birgit Schaller, Chefredakteurin (HORIZONT 44/2015)

Es kann nicht genug über dieses Thema philosophiert werden. Ist es doch jenes, das Antrieb für alles Tun und Sein der Menschen ist, selbst wenn das Streben danach nur selten von Erfolg gekrönt ist: das Glück. Nicht ohne Grund hat der Song „Happy“ von Pharrell Williams auf YouTube knapp 800 Millionen Klicks. Und doch, so scheint es, leben wir in einer Zeit des Übermaßes an Happiness. In einer von Euphorie zu Euphorie getriebenen Gesellschaft, die sich an ihrer eigenen Sehnsuchtsbefriedigung kaum erfreuen kann, winkt doch schon an der nächsten Ecke, so dünkt es, die noch größere Glückserfüllung. Der noch attraktivere Mann, die noch elegantere Handtasche, der erfüllendere Job. Und die Jüngsten unter uns? Die Suche nach dem wahren Glück ist ganz offenbar ihr Lebensmotto: denn nichts ist wichtiger als die perfekte Work-Life-Balance zu erreichen und sich dabei noch selbst zu verwirklichen.

Dazu greift die digitale Smiley-Invasion um sich – auch Stefan Sagmeister verwehrt sich gegen den Vergleich seiner in gelb-schwarz gehaltenen Happy Show mit dem Massenphänomen der ebenso gelb-schwarzen lachenden Gesichter. Und Werbung ist ohnehin das Paradebeispiel des wahren Glücksbringers, denn bekanntermaßen ist dieses ja käuflich und mit dem guten Gefühl wird unsere Geldbörse am liebsten umschmeichelt. Kaum eine Kampagne, die nicht trommelt wie wundersam glückselig das von ihr präsentierte Produkt doch macht. Schrei vor Glück, sagt Zalando. Coca-Cola hat das Glücklichsein ohnehin zu seiner zentralen Strategie erhoben. Und erinnern Sie sich an die Damen, die ob der geilen Schuhmodelle im Kasten einer Freundin in Freudengeheul ausbrechen, nur übertrumpft von den Männern nebenan, denn sie waren noch glücklicher. Was hatten die gefunden? Richtig, gekühltes Heineken Bier lachte sie aus dem Eisschrank an. Wobei gerade diese Werbung macht deutlich: erstens lachen macht glücklich, denn wer hat nicht bei der Erstausstrahlung dieses Spots herzlich gelacht und zweitens, manchmal sind es die kleinen Dinge des Lebens, die unser Herz erfreuen. Das kühle Blonde erhellt den Feierabend. Glücklich macht die Wiener Städtische aktuell in ihrem Spot den armen Paul Pech, der wirklich oft Pech hat, aber am Ende dank seiner Versicherung eben doch viel Glück. Wir alle sind auf der Suche nach diesem Gefühl, das das Herz aufgehen lässt und die Glücks­droge Dopamin im Gehirn freisetzt; auf der Suche nach noch mehr Sinn, noch mehr Liebe, noch mehr Erfüllung, ja, noch mehr Glück. Doch wie heißt es in einem Sprichwort so wahrhaftig und schön: Das Glück ist ein Schlingel, ein frecher Patron. Zieht keck an der Klingel und läuft dann davon.
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