‚Stellen Sie sich die sozialen Medien wie ein...
 

‚Stellen Sie sich die sozialen Medien wie eine Cocktailparty vor‘

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Der PR-Spezialist Paul Holmes spricht im Interview über Chancen und Risiken der Branche und darüber, wo Europa im Vergleich zu den USA und Asien steht

HORIZONT: Herr Holmes, Sie sind CEO der renommierten Holmes Group, die Sitze in New York und London hat. Was macht das Unternehmen genau, welche sind Ihre wichtigsten Produkte?

Paul Holmes: Die Holmes Group bietet Einblick und Analyse des globalen PR-Marktes. Die wichtigsten Produkte sind ein wöchentlicher Newsletter, Jahresberichte über das PR-Agentur-Geschäft in Nord- und Südamerika, Europa und Asien, der globale Wettbewerb Sabre Awards für PR-Kampagnen sowie Veranstaltungen wie beispielsweise unser PR Summit, der jedes Jahr im Oktober in Miami stattfindet.

HORIZONT: Was waren die bisher wichtigsten Meilensteine in Ihrem ­Leben?

Holmes: Ich arbeitete als Journalist für die PRWeek in London, das war 1985. Zwei Jahre später zog ich nach New York, wo ich beim Launch der PRWeek geholfen habe. 1989 gründete ich dann mein eigenes Unternehmen, welches sich dann über die Jahre hinweg in die Holmes Group entwickelte. 2001 habe ich geheiratet und letztes Jahr haben meine Frau und ich eine Teenagerin adoptiert, auch das sind Meilensteine.

HORIZONT: Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Holmes: Ich bin ein Optimist, sowohl im privaten als auch im beruflichen ­Bereich. Meine wohl wichtigste Eigenschaft ist die, dass ich sehr gut im ­Improvisieren bin. Gerade als Unternehmer muss man das gut können. Die Realität zeigt einem immer wieder, dass nicht alles so läuft, wie man das ursprünglich geplant hatte, oft ist man gezwungen, im Moment zu handeln und schnell umzudenken. Natürlich bin ich nur so gut im Improvisieren, weil ich ein ganz furchtbarer Planer bin (lacht).

HORIZONT: Am 3. Juni findet der ­Österreichische Kommunikationstag statt, wo auch Sie vor Ort sein werden. Worum wird es in Ihrer Keynote gehen?

Holmes: Ich glaube, für das Marketing haben die digitalen und sozialen Medien alles verändert. Heute ist die Marke nicht nur das, was das Unternehmen selbst darüber sagt, sondern auch das, was andere Leute darüber sagen – online und offline. Das Marketing hat die Kontrolle über die Marke verloren. Aber für PR-Leute oder zumindest gute PR-Leute hat sich eigentlich sehr wenig geändert. Die Dinge, die immer wichtig waren, wie Transparenz, Authentizität, Integrität, Glaubwürdigkeit, Unterhaltung, Engagement, sind auch heute noch wichtig. Die größte Änderung ist bloß, dass Fehler viel schneller entdeckt und härter bestraft werden als früher.

HORIZONT: Wo sehen Sie eine Chance für die PR?

Holmes: Ich denke, die Dinge, die PR wirklich gut kann, nämlich authentische Geschichten erzählen, werden immer wichtiger. Stellen Sie sich die sozialen Medien wie eine Cocktailparty vor: Die Werbung ist der Gast, der in der Mitte am Tisch steht und schreit: „Hört mir zu, ich habe etwas Wichtiges zu sagen!“ PR würde sich eher daneben hinsetzen und versuchen, einen angenehmen Dialog aufzubauen, wo sowohl zugehört als auch kommuniziert wird. Es geht nicht nur darum, die Menschen mit Schlüsselbotschaften zu bombardieren. Unternehmen unterliegen der Kontrolle von Regierung, NGOs und Medien mehr denn je. Sie müssen aktiv ihre eigenen Geschichten erzählen und imstande sein, sofort und glaubwürdig auf Kritik zu reagieren.

HORIZONT: Was muss sich also verändern?

Holmes: Vieles. Ich kann nicht meine komplette Keynote verraten, aber soviel: Wir müssen verstehen, dass PR, also die Fähigkeit, Beziehungen zu managen, viel mehr ist als Kommunikation. Es geht um Kulturen, Werte und Verhaltensweisen von Organi­sationen. Wenn eine Lücke zwischen dem ist, was die Organisation sagt und dem, was sie tatsächlich tut, dann verabschieden sich die Konsumenten. ­Außerdem müssen die PR-Leute einfach besser werden. Sie müssen das Business besser verstehen.

HORIZONT: Wo sehen Sie negative Entwicklungen?

Holmes: Am offensichtlichsten ist die Entwicklung, dass PR immer wichtiger und damit immer lukrativer wird und immer mehr Menschen auf den Markt strömen. Werbeagenturen werden PR-Services anbieten, genauso wie Digitalexperten und sonstige Beratungsfirmen. Die PR muss beweisen, dass sie unverzichtbar ist, und sie muss ihre Rolle verteidigen.

HORIZONT: Ein bekannter Output der Holmes Group ist der Holmes Report. Worum geht es da?

Holmes: Mit dem Holmes Report wollen wir PR-Betreibenden helfen, das Business besser zu verstehen. Wir zeigen Best-Practice-Beispiele der Branche genauso wie No-Gos auf.

HORIZONT: Seit mehr als 25 Jahren beschäftigen Sie sich nun mit PR. Was hat sich in diesem Zeitraum verändert?

Holmes: Nicht genügend. Manche Themen, über die ich schon vor 25 Jahren geschrieben habe, wie beispielsweise der Impact der PR auf gewisse Kennzahlen, werden heute noch diskutiert, weil es da noch immer keine Antworten gibt. Auf der anderen Seite gibt es Entwicklungen wie Big Data und Social Media, Dinge, die die PR natürlich verändern.

HORIZONT: Worin unterscheidet sich PR in Europa von jener in den USA oder in Asien?

Holmes: Da gibt es einige Unterschiede. Wenn es darum geht, Forschungsdaten zu benützen, um die PR mit wichtigen Informationen zu versorgen, haben die englischsprachigen Märkte und Nordeuropa, Skandinavien und Deutschland die Nase vorne. Ähnliches gilt für Messungen der PR. In Südeuropa und in Teilen Asiens werden immer noch Presse-Clippings, also Zeitungsausschnitte, gezählt, um Ergebnisse einzuordnen. Auf der anderen Seite ist Europa kreativer und nicht so risikoscheu, vor allem Osteuropa produziert eine Menge großer und mutiger Ideen.

HORIZONT: Was würden Sie jungen Menschen raten, die eine Karriere in der PR anstreben?

Holmes: Anders als früher werden heutzutage ganz unterschiedliche Leute gebraucht, weil sich die Tätigkeitsbereiche erweitert haben. Einerseits benötigt es natürlich Nachwuchs, der gut schreiben und texten kann, genauso wie designen, Inhalte animieren oder Videos produzieren. Auf der anderen Seite brauchen wir Leute, die ein gutes Zahlenverständnis haben und hinter Statistiken blicken können. Auch Verhaltensforscher und Ethnologen werden benötigt. Sie sehen also, die Möglichkeiten sind enorm gewachsen.


Dieses Interview erschien bereits am 30. Mai in der HORIZONT-Printausgabe 22/2014. Hier geht's zur Abo-Bestellung.
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