Er ist seit 40 Jahren im Werbegeschäft – und hat bereits entsprechend viel erlebt. GroupM Austria-CEO Peter Lammerhuber spricht über die Anfangs-„Dramen“ der Privatsender und verrät, welcher Mensch ihn persönlich geprägt hat, wo er sich gefreut hat wie ein „Schneekönig“ und was passiert, wenn man das Werbegeschäft wieder verlässt.
Dieses Interview ist zuerst in bestseller #4 erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken. Peter Lammerhuber spricht bei den 25. Österreichischen Medientagen zum Werbemarkt Österreich - Infos und Tickets unter: www.medientage.at
Ein Jahr vor den ersten Medientagen, 1993, ging es in der heimischen Medienlandschaft rund – das öffentlich-rechtliche Radiomonopol wurde abgeschafft. Zwei Jahre später, 1995, waren mit Antenne Steiermark und Radio Melody, heute Antenne Salzburg, die ersten Privatsender Österreichs zu hören. Hatten die Sender anfangs Schwierigkeiten, Werbeplätze zu verkaufen?
Peter Lammerhuber: Oh, da erinnere ich mich noch an hitzige, zum Teil auch witzige Diskussionen. Als dann mehrere Radios auf dem Markt waren, meinte man, dass wir als Werbewirtschaft jetzt möglichst viel buchen müssen. Da der ORF einen der günstigsten Radio-TKP in Europa hatte, war aber in keiner Weise einzusehen, warum die Werbewirtschaft bei den Privatradios mehr zahlen sollte. Es hat dann doch einige Jahre gedauert, bis die Privatradios verstanden haben, dass es eine Vermarktungsgesellschaft braucht, um flächendeckend ein kompetitives Angebot aufzustellen. Mit dem Fleckerlteppich-Angebot über Österreich hinweg waren die Privatradios zu Beginn schon etwas blauäugig. Erst mit der Gründung der RMS vor 20 Jahren wurde Privatradio für die Werbewirtschaft interessant. Was ich heute noch kritisiere: Die Privatradios haben sich an einem Markt orientiert, der
30 Jahre lang von Ö3 bespielt worden war. Die österreichische Radiolandschaft ist dadurch immer noch „more of the same“.
Woran mangelt es Ihnen zufolge?
Ich hätte immer gerne einen Rock-Sender gehabt (lacht).
Gleiche Herausforderung, andere Baustelle – Fernsehen: 2003 ging mit ATVplus der erste terrestrische Privat-TV-Sender on air.
Das war auch ein Drama, ATVplus war zu Beginn mehr oder weniger werbefrei. Ich habe lange Diskussionen mit der Bawag als Eigentümer und dem damaligen Geschäftsführer über das Pricing geführt. Auch hier, sowie als IP die Werbefenster Österreich einführte, wollte man sich am Pricing des ORF orientieren. Der ORF-TKP war aber im europäischen Vergleich jenseits von Gut und Böse. Und warum sollte man das Gleiche für wenig Reichweite bezahlen?
Hat der Puls-TV-Launch 2004 etwas Schwung in die Sache gebracht?
Nicht wirklich schnell. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis sich die Sender dem Werbemarkt angepasst haben und kompetitiv wurden. Jetzt gibt es mit ServusTV und oe24.tv ein ähnliches Problem – bis ein Sender sich etabliert, dauert es einige Jahre, erst dann wird er zur Money Machine.
Bei den Mediaagenturen hat sich auch einiges getan: 2010 wurde die IGMA gegründet, der Sie vorstehen. Was waren damals die Herausforderungen?
Jene, die es teilweise auch heute noch gibt: Die IGMA muss höllisch aufpassen, was sie als Interessengemeinschaft für die Agenturen in ihrer Gesamtheit tut, um etwa durch einen vermeintlichen Vorteil für die Mediaagenturen nicht in den Verdacht eines Kartells zu geraten. Aber das Hauptthema, das uns seit vielen Jahren beschäftigt, ist das der Auditoren. Hierzu tauschen wir uns regelmäßig aus. Außerdem bewegte uns natürlich die Radiotest-Problematik, wobei wir als Mediaagenturen im Hinblick auf die Kunden eine Strategie entwickelt haben, um mit der GfK und den TV-Sendern einen Marktschaden abzuwenden. Um die Existenz stabiler Rechengrößen für die Mediagattungen kümmern wir uns schließlich besonders.
Ich hätte immer gerne einen Rock-Sender gehabt
Bewegt hat sich in 25 Jahren in der Medien- und Werbelandschaft zwar durchaus einiges. Was brachte aber den größten Einschnitt im Werbemarkt?
Die massivste Änderung sowohl für den Werbemarkt als auch für den Seher zog in den Jahren 2005/2006 die Umstellung der terrestrischen, analogen Senderausstrahlung auf die digitale Terrestrik nach sich. Die Empfangssituation hat sich für die Haushalte extrem verändert. Der User switchte auf digitale Satellit-Empfangsanlagen, auch Kabel wurde auf Digital umgestellt. Zu analogen Zeiten betrug die durchschnittliche Senderanzahl im heimischen Haushalt um die 20, heute sind es um die 110 Sender. Das geschah in der Ära Monika Lindner, mit der Auslagerung der Sendetechnik an die ORF, und führte schließlich zur Fragmentierung der Seherzahlen. Sie können wen auch immer als Generaldirektor auf den Küniglberg setzen – gegen Vielfalt können Sie kaum programmieren. Marktanteile gewonnen haben in dieser Zeit aber nicht nur Puls 4 und Co., sondern die für den österreichischen Markt werblich nicht nutzbaren Spartenkanäle.
Die Österreichischen Medientage begehen 2018 ihr 25-Jahr-Jubiläum. Welche Highlights gab es im vergangenen Vierteljahrhundert?
Das ist eine ganz einfache Frage: der Gewinn des ersten goldenen Cannes-Löwen für Österreich im Jahr 2000, für den Mobilkunden One und „das längste Telefongespräch der Welt“, das zwischen Hary Raithofer, der in einem VW-Beetle von Bregenz nach Wien fuhr, und Robert Kratky im Ö3-Studio neun Stunden lang live auf orf.at übertragen wurde.
Worum ging es dabei?
Es ging um die glaubwürdige Vermittlung der österreichweiten Netzabdeckung von One und es war die erste trimediale Liveübertragung einer Kampagne. Das einzige berufliche Foto, das ich zu Hause stehen habe, ist das Siegerbild gemeinsam mit dem damaligen ORF-Werbechef Franz Prenner – wie wir in Cannes auf der Bühne den Goldenen Löwen in die Höhe halten und uns freuen wie die Schneekönige.
Und an welchen Pitch denken Sie gerne zurück?
An meinen ersten Mediapitch – um den Gesamtetat von Mars im Jahr 1989. Das war keine Präsentation, sondern wir mussten ein schriftliches Konzept abgeben.
Und dann?
Und aus.
Und aus?
Wir haben eine Vision entwickelt, was wir für den Kunden umsetzen möchten. Von diesem Zeitpunkt an haben wir 30 Jahre diesen Kunden ohne Repitch betreut; bis zu diesem Jahr, als Mars global ausgeschrieben hat – und der Zuschlag wiederum an MediaCom fiel.
Abgesehen von diesen prägenden Momenten – gibt es einen Menschen, der Sie beruflich besonders geprägt hat?
Geprägt, vor allem in der Anfangsphase von MediaCom, hat mich Alex Späth, der leider schon verstorben ist (Franz Alexander Späth war unter anderem Mitbegründer der Media-Analyse, Anm.). Er war der Mann, der die Mediaplanung in Österreich etabliert hat, eine beeindruckende Persönlichkeit. Er war ein Medienexperte und ein Vorbild, von dem ich viel gelernt habe.
Kein Rück- ohne Ausblick. Worauf stellen Sie sich für die Zukunft ein?
Auf einen neuen Lebensabschnitt aufgrund natürlicher Gegebenheiten – man wird einfach älter. Im Bereich der Mediaagenturen, in unserem Job, muss man sich stets bewusst sein: Wir arbeiten immer nur mit geborgter Macht.
Bedeutet konkret?
Wenn man aufhört, ist man nicht mehr bedeutend.
Wie lange möchten Sie der Branche denn noch erhalten bleiben?
Wahrscheinlich noch viele Jahre.
Zur Person:
Nach mehreren Jahren im Anzeigenverkauf machte sich Peter Lammerhuber mit der MediaCom-Austria-Gründung 1987 erstmals einen Namen. Zehn Jahre später stieg der mittlerweile 63-Jährige zum CEO der GroupM Austria auf, heute Österreichs größte Mediaagentur-Holding. Zudem fungiert er als Präsident der IGMA sowie als Vizepräsident des Vereins Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse.