Anthony Guedes (Filmfactory), Obmann der Werbefilmer in der „Film und Musik Austria“, über die Probleme der Branche und das Entstehen eines neuen Gütesiegels.
Anthony Guedes: Absolut. Erstens haben wir ein grobes Imageproblem. Uns wird als ausführende Lieferanten begegnet, unser Know-how wird nicht mehr geschätzt. Wir werden einfach nicht mehr als kreative Partner angesehen. Film entsteht im Kopf, der Regisseur macht aus dem Konzept den Film. Das wird von den Kunden oft nicht mehr respektiert. Sie haben neben der Geschichte auch gleich den Regisseur und alles weitere im Gepäck. Unser Knowhow ist nicht gefragt. Das zweite Problem ist der Preisdruck, was in seinen Spitzen bis hin zu Internetversteigerungen geht. Man ersteigert vielleicht Büromaterialien, nicht aber Produktionen! Das sind auch die Gründe dafür, die uns vom Fachverband der Film- und Musikindustrie dazu gedrängt haben, uns etwas zu überlegen.
Guedes: Wir halten im Verband, obwohl wir Konkurrenten sind, zusammen, da die Probleme einfach immer gravierender werden. Mit der CAFP, der Certified Austrian Filmproducer, wollen wir ein Gütesiegel schaffen und gemeinsame Anliegen öffentlich machen und durchsetzen. Die Zertifizierung kommt vom Fachverband, nur Mitglied zu sein, ist ja allein noch kein Qualitätskriterium. Mit an Bord sind alle großen österreichischen Produktionsfirmen wie Close Up, FFP, Film Factory, Filmhaus, Neue Sentimental Film, PPM, Seven, Tale Filmproduktion und die Wiener Klappe. Neben Medienarbeit entsteht gerade ein gemeinsamer Viralspot, der unsere Anliegen transportieren soll.
HORIZONT: Eine geschlossene Gesellschaft der Großen also? Guedes: Wir sind neuen CAFP-Mitgliedern gegenüber offen, jedoch müssen sie gewisse Kriterien, wie einen Mindestjahresumsatz, erfüllen.
HORIZONT: Was fordern Sie konkret? Guedes: Agenturen und Werbefilmer sollen zusammen am Markt auftreten, allerdings nicht in Konkurrenz zueinander, sondern mit einem gemeinsamen Commitment zu mehr Qualität und Transparenz. Das ist derzeit nicht der Fall und auch ein Grund dafür, dass sich der Status der österreichischen Werbefilmproduktionen in den vergangenen Jahren verschlechtert hat. Die Preisunterschiede zwischen den einzelnen Werbefilmern sind für die Kunden sehr schwer nachzuvollziehen, gerade weil wir bislang kaum die Chance hatten, vor den Agenturen und Kunden zu präsentieren und unser Angebot darzulegen und zu erklären. Warum verwende ich in diesem Fall eine günstige Kamera wie die Canon 5D und wieso in einem anderen eine teure Alexa? Warum benötigt die eine Produktionsfirma für diesen Dreh vier Tage, eine andere aber zwei Tage? Wir müssen als Fachleute direkt argumentieren können, ansonsten entscheidet nur mehr der Preis.
HORIZONT: Wie läuft die Angebotslegung momentan ab? Guedes: Wir bräuchten eigentlich nur mehr einen Preisvorschlag abzugeben, denn unsere mehrseitigen Angebote liest schon seit Jahren niemand mehr. Das ist ein Grund dafür, dass Werbespots aus Österreich immer schlechter werden. In den vergangenen Jahrzehnten ist preislich alles gestiegen, nur unser eigener Verkaufspreis nicht. Es ist traurig, dass das alles so weit gekommen ist. Unfassbar, eigentlich.
HORIZONT: Wer oder was ist schuld an der schlechten Situation der Werbefilmproduzenten? Guedes: Da spielen mehrere Faktoren mit. Zum einen sind die Kostenunterschiede zwischen den einzelnen Produktionsfirmen für die Kunden und Agenturen nicht nachzuvollziehen, wenn wir sie ihnen, wie vorhin erwähnt, nicht direkt erklären können. Dann gibt es auch noch die Kreativagenturen, die immer öfter auch im Filmgeschäft mitmischen möchten. Jeder glaubt, filmen zu können, auch einige Kreativdirektoren in Agenturen. Und den Job des FFFProducers, der den Film-, Funk- und Fernsehbereich einer Werbeagentur betreut, gibt es kaum mehr. Wenn es ihn gibt, ist er oft zu unerfahren oder unterqualifiziert. Nur Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky einzusetzen, ist ein bisschen zu wenig. Wir sind dauernd auf der Suche nach passenden Regisseuren für unsere Kunden. Das ist der Unterschied.
HORIZONT: Was haben die Kunden von Ihrer Initiative? Guedes: Erstens wüssten sie, wenn wir direkt vor ihnen präsentieren dürften, besser über die Angebote der einzelnen Werbefilmproduktionen bescheid und sähen nicht nur die nackten Zahlen. Zweitens garantieren die Mitglieder der Initiative ja noch dazu für eine ganze Reihe von Qualitätsmerkmalen, die sie einhalten und von denen die Kunden klar profitieren. Dazu gehören beispielsweise Zuverlässigkeit, Multitasking und Skalierbarkeit, wirtschaftliche Standfestigkeit, Track Record, internationale Vernetzung sowie rechtliche Beratung und Absicherung.
HORIZONT: Seit wann greifen Kreativagenturen selbst zur Filmkamera? Guedes: Dass Agenturen überhaupt inhouse produzieren, hat so vor eineinhalb Jahren begonnen. Im Moment sind es aber noch sehr wenige, der Schaden ist noch nicht sehr groß.
HORIZONT: Trägt die immer billigere Technik dazu bei, dass Agenturen selber zu Filmern werden? Guedes: Natürlich, es ist einfach geworden, zu filmen und selbst am Computer zu schneiden. Aber dennoch stoßen Agenturen, die alles selber machen wollen, irgendwann an ihre Grenzen. Denn auch wenn man mit einer vergleichsweise günstigen Canon-Kamera filmt, muss entsprechend ausgeleuchtet, es müssen Drehgenehmigungen eingeholt werden, und so weiter. Qualität ist auch bei Produktionen im Netz gefragt, denn gerade die jungen Leute wollen im Internet keinen Schrott sehen, sondern gute Ideen professionell umgesetzt. Erfolgsbeispiele wie Levis oder Evian sind perfekt produziert und deshalb ein Erfolg.
HORIZONT: Könnte der Ruf nach HD die semiprofessionelle Konkurrenz ausschalten? Guedes: Schon in wenigen Monaten werden wir einen Werbeblock in HD liefern müssen, und spätestens dann wird man den Unterschied sehen. Denn schlecht gemachte Spots werden vom Publikum nicht akzeptiert. Trashy funktioniert, wenn es die Idee verlangt, in den meisten Fällen ist Trash aber nicht gefragt. Oder kennen Sie einen Handelskunden, der seine Produkte in einem solchen Umfeld platziert sehen will? Wir produzieren jetzt schon in HD und rechnen die Filme noch herunter.
HORIZONT: Wie war 2010 für die Werbefilmer? Guedes: Für die Branche war 2010 eigentlich ein ganz gutes Jahr. Die Leute haben eingesehen, dass Online doch nicht alles ist und auch im Netz ein gewisses Maß an Qualität gefragt ist. Klassische TV-Spots ins Netz zu stellen, reicht nicht. Die Größenverhältnisse sind beispielsweise andere – was im Fernsehen in der Totalen sichtbar ist, siehst du im Netz nicht einmal mehr. Dazu musst du im Internet frecher sein und mutige, lustige und spannende Ideen umsetzen. Die Kombination aus Film und Mitmachen drängt sich da beispielsweise auf, wie TippEx gezeigt hat. (Mehr zu den aktuellen Herausforderungen der Werbefilmproduzenten lesen Sie auf Seite 24, Anm.)
HORIZONT: Gibt es eine Hoffnung für Kinowerbung? Guedes: Meine ehrliche Meinung? Kinowerbung ist leider so gut wie tot.
HORIZONT: Warum das? Guedes: Kinowerbung ist ein sehr schwieriges Thema. Für eigene Kinospots, wie es sie früher einmal gab, ist heute kein Budget mehr da. Seit kurzer Zeit ist die Qualität bei der Kinowerbung wieder exzellent geworden, da man sie direkt über die digitalen Kinoprojektoren abspielen kann. Vielleicht ist auch 3D hier eine Chance. Zu Hause macht 3D bislang noch keinen Spaß, das wäre „die“ Chance für Kinos, aufzurüsten. Auch Werbekunden müssten 3D als Chance dafür sehen, sich für das Kino- Publikum interessant zu machen. Dafür könnten die Spots ja auch länger sein.
HORIZONT: Ein letztes Plädoyer für Ihre Initiative?
Guedes: Wir brauchen diese Initiative, weil der Werbefilm in Österreich sonst langsam aber sicher ausstirbt. Wir produzieren viel im Ausland, aber was ist, wenn das Ausland zu uns kommt?
Interview:
Sebastian Loudon und
Sarah Obernosterer